QUESTENBERG, Gerhard, Freiherr von und zu



Questenbergs Persönlichkeit hat nicht nur am Wiener Hof Eindruck hinterlassen. Auch Friedrich Schiller wurde inspiriert, ihn in der Wallenstein-Trilogie als Verbindungsmann zwischen Kaiser und Wallenstein auftreten zu lassen. Obwohl dort die Gespräche historisch getreu der Situation des Jahres 1633 wiedergegeben wurden, ist die Darstellung des Questenberg in der Rolle des Höflings und Bürokraten, der den realen Kriegsverlauf nicht begreifen kann, völlig an der Wirklichkeit vorbeifabuliert.

Questenberg war einer der vielleicht am besten informierten Beamten des Kaisers. Daß er seine Informationen auch Wallenstein zukommen lies widerspricht nicht seiner Treue zum Kaiser. Es zeugt im Gegenteil von Courage, wenn ein Mann, der viel zu verlieren hatte, sich offen zu einem stets angefeindeten Feldherrn bekannte.

Beide pflegten nicht nur eine strategische Freundschaft. Neben geschäftlichen Interessen schrieb man sich in den Briefen auch höfischen Klatsch, wie zum Beispiel, daß ein Regiments-Quartiereister dem Falconier den besten kaiserlichen Falken gestohlen hatte und der Kaiser darüber "sehr ungehalten" war oder Questenberg schickte Wallenstein ein Rezept gegen Vergiftung.

Andererseits nutzte Wallenstein Questenbergs Verbindungen und Einfluß bei Hofe, um Verleumdungen gegen ihn (Wallenstein) zu begegnen. Als nach der Landung des schwedischen Königs an der Ostseeküste französische Zeitungen das Gerücht verbreiteten, Gustav Adolf hätte heimlich einen Botschafter zu Wallenstein geschickt, der von ihm "gnädig aufgenommen und mit einer güldenen Kette" beschenkt wurde, schickte Wallenstein diese Meldung direkt an Questenberg mit der Bemerkung, daß es sich um "alberne Possen von Schelmen" handelt, um ihn beim Kaiser zu verleumden.

Die am Hofe sicher nicht unumstrittene Freundschaft zu Wallenstein konnte sich Questenberg auch aus folgenden Gründen "leisten":
seine Loyalität zum Kaiser war unbestritten und sein Amt sicherte ihm auch beste Verbindungen zu Geldgebern, Glücksrittern, Kriegsgewinnlern und Waffenproduzenten in ganz Europa.
Seine Position gegenüber der Kirche war durch seinen Bruder Caspar gedeckt, der Abt des Prämonstratenser-Klosters in Strahow bei Prag, Geheimer Rat und Visitator von Böhmen war.

In gewisser Weise war Questenberg auf diplomatischem Gebiet ähnlich einflußreich wie Wallensteins Gegenspieler bei Hofe Trautmannsdorff und diplomatisch ebenso geschickt wie Pater Lamormain in kirchlichen Dingen.

Nicht zuletzt war Questenberg auch durch seinen beträchtlichen Grundbesitz abgesichert. Schließlich nannte er sich Gerhard II., Freiherr von und zu Questenberg, Herr der Herrschaft Jaromiritz, Bauschitz, Petschau, Gabhorn, Pürten, Mieß, Rappolten und Sieghardskirchen.

(Obwohl Grundbesitz in den Zeiten des Umbruchs nicht viel zu bedeuten hatte...).

Questenberg diente mehreren deutschen Kaisern. Bereits im Jahre 1612 begleitet Questenberg den damaligen Kaiser Matthias zur Wahl zum Römischen König nach Frankfurt. Zunehmenden Einfluß gewinnt Questenberg aber erst unter Kaiser Ferdinand II.

1621 sandte ihn der Kaiser mit Befehlen an den kaiserlichen General Collalto nach Ungarn.

In diesem Zeitraum war der Wiener Hof durch gesellschaftspolitische Umbrüche und machtpolitische Verwerfungen in Ungarn und Böhmen diplomatisch und militärisch voll ausgelastet. Die Ursachen der diplomatischen Spannungen und damit die Ursachen für einen Krieg waren formal lächerlich aber nur der scheinbare Auslöser einer Machtprobe:

Collalto war 1619 kaiserlicher Gesandter auf dem ungarischen Landtage zu Neusohl. Dort kommt es zum Eklat mit dem Siebenbürgen-Fürsten Gabor Bethlen.

In jedem geschichtlichen Zeitabschnitt spielen Symbole eine wichtige Rolle bei politischen Auseinandersetzungen und in zwischenmenschlichen Beziehungen. Im vorliegendem Fall ging es mal wieder um die alles entscheidende Frage der Sitzordnung bei Verhandlungen. Der Stuhl des Siebenbürger Fürsten war höher gestellt als der des Collalto. Dieser aber, als kaiserlicher Gesandter, fühlte sich zurückgesetzt, veränderte die Stuhlhöhe und verteidigte sie verbissen: - man stand sich mit gezogenen Schwertern gegenüber...

Der Verhandlungsauftrag, der Collalto nach Ungarn führte, wurde letzten Endes erfüllt, der Krieg jedoch nicht verhindert. Collalto konnte zwar ein Bündnis zwischen den Ungarn und den Böhmen vereiteln, er erreichte auch, daß dem enteigneten Klerus dessen Güter wiedergegeben wurden. Aber er konnte nicht verhindern, daß der Kaiser bei der Wahl des ungarischen Königs übergangen und Bethlen zum König von Ungarn gewählt wurde.

Diese Wahl war eine Provokation des Hauses Habsburg und eine Machtprobe.

Und wie so oft in der Geschichte: wenn diplomatische Mittel versagen, gibt es in der Regel nur eine militärische Lösung. Der Krieg gegen Ungarn brach aus, obwohl Collalto noch einmal - wenn auch erfolglos - die Probleme in Preßburg auf dem Verhandlungswege ausräumen sollte. In der Nähe der Ortschaft Enzesdorf wurde die Delegation auf dem Rückwege von den Ungarn überfallen. Collalto selbst passierte in seinem befestigten Quartier nichts, nur ein Mitglied der Verhandlungsdelegation, ein Georg Teuffel, wurde ausgeraubt und konnte sich, wie es heißt nur im Hemd, aufs sichere Schloß retten.

1621 war Krieg in Ungarn. Collalto kämpfte gegen Budiani und die Türken. Die Erfolge scheinen wenig spektakulär gewesen zu sein, denn Collalto muß sich nach Preßburg zurückziehen und sein Name taucht erst wieder 1621 bei den Friedensverhandlungen in Mähren auf.

Dort besucht ihn Questenberg im Auftrag des Kaisers. Interessant dabei ist die Tatsache, daß alle Befehle des Kaisers von Questenberg bereits als Kriegsrat gegengezeichnet sind. Questenberg ist damit als Vertreter des Kaisers legitimiert.

1625 nimmt Questenberg als Kaiserlicher Gesandter an den Friedensverhandlungen mit den Türken in Comorn teil.

1626 begegnen sich Questenberg, Trautmannsdorf und Wallenstein in Ungarn bei Friedensverhandlungen mit Bethlen Gabor.

Es zeigte sich, daß die freundschaftliche Zuneigung Questenbergs zu Wallenstein gerade in dieser Zeit den Friedländer vor dem Schlimmsten bei Hofe bewahrte: Fürst Liechtenstein hatte Wallenstein zum wiederholten Male verklagt.

Beide waren sich im April 1624 (als Wallenstein in den Fürstenstand erhoben wurde) zum letztenmal freundschaftlich begegnet.

Als sich 1625 für das Haus Habsburg Gewitterwolken am militärischen Himmel zusammenzogen, bot Wallenstein dem Kaiser an, ein Heer von 50.000 Mann auf eigene Kosten aufzustellen. Quartiere und Verpflegung sollten nach dem Motto geregelt werden: "Der Krieg ernährt den Krieg". Wallenstein verlangte vom Kaiser nur die Bezahlung des Soldes.

Liechtenstein versuchte damals Wallensteins Projekt zu Fall zu bringen. Er verklagte Wallenstein beim Kaiser wegen unehrlichen Finanzgebahren in 42 Fällen. Der Kaiser hatte keine Zeit, sich mit einer Untersuchung aufzuhalten. Im Februar 1625 wurde Liechtenstein kurzerhand abgesetzt und Wallenstein im April nach Wien berufen, um die militärischen Ziele zu besprechen und - um seinen Einfluß zu beschneiden, der sich aus einer derartigen Militärmacht ableiten würde.

Die gegenseitige Sympathie beider Großgrundbesitzer erreichte ihren Tiefpunkt, als 1626, nach der Schlacht an der Dessauer Brücke, Mansfeld Richtung Schlesien floh. Verfolgt wurde er vom Wallensteinschen Obristen Pechmann. Beide verwüsteten in echter Landsknechtsmanier u.a. die Liechtensteinschen Güter in Schlesien. Wieder klagte Liechtenstein beim Kaiser gegen Wallenstein.

Es war wohl das letzte Mal, daß sich Wallenstein persönlich nach Wien bemüht hat, um das Schlimmste abzuwenden. Zum Glück für ihn war Questenberg schon vor ihm beim Kaiser, um gemeinsam mit dem Grafen Harrach, dem Schwiegervater Wallensteins, die aufgeheizte Stimmung zu dämpfen.

Es war für Wallenstein überlebensnotwendig gute Freunde bei Hofe zu haben, denn seit dieser Zeit lies sich Wallenstein sieben Jahre nicht am Hofe sehen; - ein verhängnisvoller Fehler wie sich später herausstellen sollte.

Es gab bei Hofe immer "gute Freunde", die der Karriere Wallensteins Steine in den Weg legten, Zuträger, die jedes Gespräch, das er führte, nach München oder Wien weiterleiteten, und Kurfürsten wie Maximilian von Bayern, die es für unhaltbar fanden, daß ein Mann wie Wallenstein sein Ohr öfter dem Astrologen lieh als dem Wort der Kirche. Dabei übersah der fromme Maximilian geflissentlich, daß Wallenstein zwar dem Aberglauben frönte, aber in seinem Machtbereich nie Hexenverbrennungen veranlaßte, wie sie im Dunstkreis der bayerischen Frömmelei gang und gäbe waren.

Trotz aller Anfeindungen: Wallenstein war der Einzige, der dem Kaiser 5,5 Millionen Gulden vorstrecken konnte - und Questenberg trat als Vermittler auf. Im Gegenzug belieferte dafür Questenberg Wallensteins Heer mit Kriegsmaterial ...

Im September gelang es Questenberg mit dem Großsultan Frieden zu schließen. Der Feind an der Ostgrenze des Reiches war somit neutralisiert.

Wallensteins Heer hatte inzwischen eine Stärke von 130.000 Mann erreicht. Der Kaiser und sein oberster Heerführer standen auf dem Höhepunkt ihrer Macht.

Auch Questenbergs Einfluß und Verdienste zahlten sich aus: in einem Brief an Collalto teilt der Kaiser mit, daß er dem Questenberg ein Reichslehen in der Unterpfalz bewilligt habe, das "... er hart und mühsam durch viele Jahre verdient habe und er könne künftig noch Vieles prästiern...". Collalto solle sich beim Kurfürsten Maximilian von Bayern dafür einsetzen, daß Questenberg das Reichslehen auch eingeräumt wird.

(Mit anderen Worten: obwohl der Kaiser und der Kurfürst verschwippt und verschwägert waren, mußte Collalto um die Durchsetzung eines Reichslehens für einen verdienten Diplomaten bitten. Schließlich war der Kaiser "...fromm, gemütlich, faul und zähe..."[2])

Dieser scheinbare Höhepunkt der kaiserlichen und katholischen Macht und das selbstherrliche Verhalten Wallensteins (s. Anmerkung 2) mußten ein geschlossenes Auftreten der Fürsten im Kampf um ihre Privilegien provozieren. Die Fürsten verlangten einen Reichstag, auf dem die anstehenden Fragen geklärt werden sollten. Ferdinand seinerseits wollte den Reichstag u.a. dazu benutzen, den Machtanspruch des Hauses Habsburg durch die endgültige Regelung der Nachfolge zu sichern. Nach ihm sollte sein Sohn Ferdinand III. den Kaiserthron besteigen. Um diesen Plan durchzusetzen, benötigte der Kaiser jedoch die Zustimmung der Kurfürsten.

Der Reichstag wurde für den Monat Mai 1630 nach Regensburg einberufen. Die Stimmung auf dem Reichstag war durch Gerüchte, Befürchtungen, Ängste und offene Konfrontation gekennzeichnet.

In der Zeit vor und während des Reichstages machte Maximilian von Bayern seinen gesamten Einfluß geltend, um den weiteren Aufstieg Wallensteins und die zunehmende Macht Ferdinands zu stoppen. Bereits siebzehn Tage nach der Erhebung Wallensteins zum Herzog von Mecklenburg beschwerte sich der Kurfürst von Mainz im Namen des Fürstenkollegiums und erklärte nachdrücklich, daß er die Wahl des Erzherzogs zum Thronfolger Ferdinands nicht garantieren kann, solange Wallenstein Oberbefehlshaber des gesamten kaiserlichen Heeres bleibt.

Um ein mögliches Entgegenkommen Wallensteins zu erkunden, schickte der Kaiser Graf Werdenberg schon vor dem Reichstag zu Wallenstein nach Gitschin. Er sollte mit ihm über Konzessionen an die Kurfürsten verhandeln. Gedacht war an eine Verringerung der Truppenstärke, besonders der aufwendigen Regimentsstäbe und ein Rückzug aus Brandenburg, das Wallensteins Truppen noch besetzt hielten. Aus Depeschen nach München geht hervor, daß Wallenstein bei der Vorlage der Pläne sich vor Wut den Hut vom Kopf gerissen und auf ihm herumgesprungen sein soll...

Während des Reichstages sollte Werdenberg erneut bei Wallenstein vorfühlen und ihn eventuell dazu überreden, auf das Herzogtum Mecklenburg zu verzichten.

Wallenstein hielt sich während dieser Zeit mit großem Gefolge in Memmingen auf. Er war sich der drohenden Gefahr bewußt, als er äußerte:

"Ich habe mehr Krieg mit etlichen Ministern als mit allen den Feinden".

Außerdem war er durch Informationen von Questenberg über die Vorgänge und Ränkespiele im Vorfeld der Entscheidung informiert.

Überraschenderweise schien der Feldherr aber bereit, seinen Abschied zu nehmen, wenn es der Kaiser persönlich wünsche. Denn - so wies Wallenstein anhand seiner Sternkarte nach - der Kaiser stehe unter dem Einfluß seines Schwagers Maximilian, und gegen Gesetze des Himmels kann man sich nicht wehren...

Im Juli 1630 konnten die deutschen Fürsten auf dem Reichstag zu Regensburg gegenüber dem Kaiser durchsetzen, Wallenstein als Oberbefehlshaber zu entlassen und das kaiserliche Heer auf 40.000 Mann zu begrenzen. Das bedeutete - diplomatisch verbrämt - der Kaiser wünschte Wallensteins Abschied, und Werdenberg hatte diesen Wunsch dem Herzog von Mecklenburg zu verkünden. Die Erinnerung an vorangegangene Gefühlsausbrüche des Feldherrn veranlaßten Werdenberg, nicht allein nach Memmingen zu fahren; er nahm zur Verstärkung den kaiserlichen Kriegsrat Questenberg mit. Zur Verblüffung der beiden verängstigten Gesandten wurden sie von Wallenstein höflich behandelt und reichlich beschenkt.

Werdenberg wurde mit einem Pferdegespann beschenkt, Questenberg bekam zwei reichgeschirrte Postzüge, jedes mit sechs Hengsten aus bestem mecklenburgischen Gestüt bespannt.

Wallenstein war so höflich, daß selbst der mit allen diplomatischen Wassern gewaschene Questenberg irritiert war und gemeinsam mit den in Regensburg versammelten Fürsten lange Zeit über die wahren Absichten des Herzog philosophierte (s. Anmerkung 3) . Wallenstein zog sich auf seine böhmischen Güter zurück. Zweifellos bedeutete die Entlassung aus den kaiserlichen Diensten für Wallenstein subjektiv eine schwere Enttäuschung. Aber er wußte, daß ihn der Kaiser bald wieder brauchen wird, denn der König von Schweden war am 6. Juli 1630 in Pommern gelandet!

Wallenstein sollte Recht behalten: 1632 steht Gustav Adolf, dieses "Feinderl", mit seinem Heer vor den Toren Münchens und die mit ihm verbündeten Sachsen vor Prag! Tilly , die einzige militärische Hoffnung des Reiches war in der Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631 von Gustav Adolf geschlagen und in der Schlacht am Lech (15. April 1632) tödlich verwundet worden. Bayern und Österreich sind offen für die Schweden; Maximilian muß aus München fliehen und Ferdinand geriet in Bedrängnis.

Mit der von ihnen erzwungenen Entlassung Wallensteins auf dem Regensburger Reichstag hatten die deutschen Fürsten zwar ihre "Libertät" (s. Anmerkung 4) gegenüber dem Kaiser gesichert, waren aber vom Regen in die Traufe gekommen. In dieser für ihn verzweifelten Lage vergaß der Kurfürst von Bayern (und nunmehr auch der Pfalz) alle Vorurteile gegen Wallenstein und drängte den Kaiser, Wallenstein als neuen Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres - oder was davon übrig war - zu berufen.

Im April 1632 einigten sich Ferdinand II. und Wallenstein über die Bedingungen zur erneuten Übernahme des Oberbefehls über das Heer. Die Bedingungen werden jetzt aber von Wallenstein diktiert.

Wallenstein kehrte mit fast unbeschränkten Vollmachten zurück: der Sohn des Kaisers und Spanien hatten zukünftig keinen Einfluß mehr auf die Entscheidungen Wallensteins, und der Oberbefehlshaber hat ebenfalls Vollmachten für Friedensverhandlungen und das Recht, Verträge abzuschließen.

Bei objektiver Betrachtung dieses Kataloges der (erpressten) Vollmachten Wallensteins stellt sich die Frage, welche Rechte dem Kaiser denn noch verblieben. Es war völlig unmöglich, daß sich ein deutscher Kaiser auf Dauer durch ein Diktat so sehr demütigen lassen würde. Folglich bedurfte es nur eines Fehlers Wallensteins, einer militärischen Niederlage von ihm oder einer unvorsichtig eingeleiteten diplomatischen Aktivität, und seine Person war zum politischen Abschuß freigegeben.

Im Dezember 1633 spitzte sich die Situation zwischen Ferdinand und Wallenstein dramatisch zu.

Regensburg hatte sich den schwedischen Truppen unter Bernhard von Sachsen-Weimar ergeben und Wallenstein meldete im Dezember nach Wien, daß er seinen Feldzug gegen das besetzte Regensburg abgebrochen hatte und sich nach Böhmen ins Winterquartier zurückgezogen hatte.

Der erfahrene Feldherr glaubte im Recht zu sein. Er wußte, daß das von Maximilian von Bayern ungeliebte Regensburg auch noch im Frühjahr des nächsten Jahres stehen wird. Dann konnte man angreifen; im Winter mit der Reiterei vorzurücken, bedeutete ein unkalkulierbares Risiko.

Maximilian, der Vetter des Kaisers, sah die Lage naturgemäß anders: er unterstellte Wallenstein, daß er mit kaiserlichen Truppen statt Regensburg zu befreien, seine eigenen Besitzungen vor dem Angriff der Schweden und Sachsen absichern wollte.

Auch der Kaiser wünschte den Feldzug, um zu vermeiden, daß das Winterquartier des Wallensteinschen Heeres in seinen Landen aufgeschlagen wird.
Um den Willen des Kaisers durchzusetzen, wurde im Dezember 1630 Questenberg nach Prag beordert. Im Gepäck den Befehl des Kaisers, unverzüglich wieder gegen Regensburg zu marschieren.

In einer Lagerbesprechnung mit seinen Generälen und Regimentskommandeuren wird der kaiserliche Befehl verweigert. Ein Winterfeldzug würde die Soldaten "crepieren und desperieren" lassen heißt es in einem Gutachten. Ferdinand beugt sich zwar den Argumenten der Offiziere, wird jedoch durch ein Gegengutachten des Feldmarschalls Piccolomini mißtrauisch.

Dieses Gegengutachten bestärkt den Kaiser in seinem Mißtrauen gegen Wallenstein, - daß im Übrigen durch gezielte Attacken der Gegner Wallensteins bei Hofe vertieft wird.

Offen beschwert sich der Kaiser "... daß Wir gleichsam einen Corregem (Mitkönig) an der Hand und in Unserem eigenen Lande keine freie Disposition mehr übrig haben."

Questenberg hat nun die Aufgabe, dieses kaiserliche Ärgernis "...mit angedeuteter Discretion und sonsten beiwohnendem guten Verstand" Wallenstein mitzuteilen.

Das kaiserliche Ärgernis resultierte auch aus Befehlsverweigerungen des Generals Suys .

Dieser war (zu diesem Zeitpunkt auf Veranlassung Wallensteins bereits zum Generalwachtmeister avanciert und) in die Gegend an der Ens beordert worden. Dort erhielt er am 14. Dezember 1633 vom Kaiser den Befehl, Linz zu besetzen und, falls es die Situation erfordert, sich mit dem Grafen Strozzi in Bayern zu vereinigen, um den Schweden unter Bernhard von Sachsen-Weimar den Vormarsch abzuschneiden. Eigenhändig fügte der Kaiser dem Befehl hinzu: "Lieber de Suys, dieweilen diese Ordinanz zu meiner eigenen und meiner hinterliegenden Lande Sicherheit gedeiht, so wollet solcher, wenn auch schon anderwärts andere Ordinanzen wären ertheilt worden, oder noch ertheilt werden möchten, in Allem und alsobald nachkommen. Dann hierinnen mein eigentlicher und endlicher Wille erfüllt wird."

Dieser kaiserliche Zusatz zum Befehl reflektiert bereits die konspirativen Zustände am Wiener Hofe, wie sie sich nach der Weigerung Wallensteins, einen Winterfeldzug zur Befreiung Regensburgs durchzuführen, darstellten.

Suys, der weit weg vom Ränkespiel der Macht in der Provinz stationiert und wahrscheinlich nicht auf dem Laufenden war, reagierte auf den Befehl des Kaisers, Linz zu besetzen, wie ein General in diesem Fall zu reagieren hatte: nämlich gar nicht. Befehle konnte ihm nur einer geben und das war als übergeordneter Feldherr Wallenstein. Auch nachdem der Befehl noch zweimal wiederholt wurde, weigerte sich Suys über den Inn zu gehen. Der Kaiser beschwerte sich daraufhin bei Wallenstein und forderte ihn auf, Suys selbst den Befehl zu geben oder ihn durch einen anderen Offizier zu ersetzen. Lakonisch antwortete daraufhin Wallenstein dem Kaiser, er habe Suys zu sich zitiert...

Als Questenberg auch noch mit dem Auftrag des Kaisers vorstellig wurde, 6000 Reiter der Wallensteinschen Truppe als Begleitschutz für den durch Deutschland nach den Niederlanden ziehenden spanischen Kardinal-Infanten abzustellen, war für Wallenstein das Maß voll.

Am 12. Januar berief Wallenstein seine Obristen zum Kriegsrat nach Pilsen. Ohne große Umschweife eröffnete er ihnen, daß er nach Lage der Dinge die Absicht habe, als Oberbefehlshaber der Armee zurückzutreten. Seine endgültige Entscheidung machte er davon abhängig, ob die Generäle in einer offenen Abstimmung mehrheitlich und namentlich für oder gegen seinen Verbleib stimmen werden.

Der Schock hatte Erfolg. Natürlich wußten die Obristen, daß sie nur mit einem erfolgreichen Oberfehlshaber Karriere und Beute machen und eventuell auch zu ihrem Sold kommen konnten.

Seine Generäle bestürmten ihn, im Amt zu bleiben, doch Wallenstein akzeptierte nur, wenn alle Anwesenden eine schriftliche Erklärung unterschrieben.

Nach einer turbulenten Nacht, in der die Unsicherheiten und Ängste über die möglichen Folgen der Unterschrift mit Wein weggespült wurden, unterzeichneten am Morgen des 13. Januar 1634 47 Generäle mit aufgedunsenen Gesichtern, gewaschen und, für eine Kollektivaudienz aufgeputzt, bei Wallenstein das sogenannte erste Pilsener Revers.

Der Herzog erhörte "die Bitten und das Flehen" seiner Generäle und willigte ein, noch einige Zeit ihr Oberbefehlshaber zu bleiben. Angesichts solchen Großmuts unterschrieben die Offiziere, für ihn ihr Leben "... bis zum letzten aufgesparten Blutstropfen aufzusetzen...".

In Wien wurde der Inhalt dieses Pilsener Revers in der Form interpretiert, daß der Feldherr seine Offiziere nicht auf den Kaiser, sondern auf seine Person schwören ließ. Ein Kaiser ohne Befehlsgewalt über die Armee käme jedoch einer Entmachtung gleich. Die Berater liefen mit ihren Befürchtungen bei Ferdinand II. offene Türen ein.

Allerdings wurde eines deutlich: wenn die bedrückende Macht Wallensteins gebrochen werden sollte, mußte man sich am Wiener Hof - auch wenn dies nicht offiziell ausgesprochen wurde - darüber im klaren sein, daß eine Absetzung Wallensteins nicht zum Ziel führte. Man erinnerte sich noch gut an die Absetzung Wallensteins im Jahre 1630; sie führte damals zur ökonomischen Stärkung des Herzogs.

Nur der Tod Wallensteins gefährdete nicht die eigene Zukunft und ermöglichte darüber hinaus den Zugriff zu den ungeheuren Reichtümern des Herzogs, die in Friedland, Böhmen und Mecklenburg dem Kaiser verschlossen waren. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Tod Wallensteins in den führenden Schichten der Mordclique beschlossene Sache war, denn es war die einzig mögliche Strategie, Wallensteins Macht ein- für allemal zu brechen. Ein gefangener Oberbefehlshaber hätte das Heer gespalten und wäre immer eine latente Bedrohung gewesen.

In dieser Zeit hatte Wallenstein nur einen Freund bei Hofe: Questenberg. Er war es auch, der im Auftrage Wallensteins mit dem sächsischen Kurfürsten Verhandlungen führte.

Wallenstein hielt den Zeitpunkt für gekommen, den seit 14 Jahren wütenden Krieg, bei dem es nach seiner Erkenntnis keine militärischen Sieger geben konnte, durch Verhandlungen nach seinen Plänen zum Ende zu bringen.

Der Kaiser und der Wiener Hofkriegsrat drängten ihn jedoch nach dem Tode Gustav Adolfs zu einer endgültigen Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Wallenstein schob jede militärische Konfrontation hinaus, um - wie Gerüchte behaupteten - mit Schweden und Sachsen geheime Friedensverhandlungen zu führen.

Die Verhandlungen mit Sachsen fanden mit ausdrücklicher Billigung des Kaisers statt. Mit Schweden und Frankreich verhandelte Wallenstein ohne Wissen des Kaisers!

Wallenstein war von jeher einer der meistverleumdeten Machtmenschen seiner Zeit im damaligen Europa gewesen (s. Anmerkung 5) . Nun drohten ihn allerdings die Gerüchte zu erdrücken. Ein gefährliches Gerücht belastete ihn sehr bei Hofe: die Behauptung, daß ihm die Böhmen die Königskrone angetragen hätten.

Die Gerüchte waren - wie neuere Forschungen bestätigen - nicht aus der Luft gegriffen. Im September 1633 waren die Verbündeten der antihabsburgischen Koalition bei vorbereitenden Gesprächen für Verhandlungen mit Wallenstein bereit, bei einem Übertritt in ihr Lager die ihm von den böhmischen Exilanten angebotene Königskrone anzuerkennen (s. Anmerkg 6) .
Handfeste Beweise dafür gab es dafür bei Hofe nicht, aber die Gerüchteküche brodelte.

Trotz bester Verbindungen zu scheinbaren Freunden, vermeintlichen militärischen Partnern und Gegnern Wallensteins konnte auch Questenberg den Fall des großen Feldherrn nicht verhindern. In der Nacht vom 25. zum 26. Februar 1634 werden die Vertrauten Wallensteins, Ilow , Trczka und Kinsky auf einem Bankett auf der Burg in Eger überfallen und ermordet. Wallenstein selbst wurde in der gleichen Nacht in seinem Quartier ermordet.

In der Folgezeit führt Questenberg im Namen des Kaisers mit dem sächsischen Kurfürsten Friedensverhandlungen. Damals wollte der Kaiser einen Sonderfrieden mit dem Kurfürsten. Johann Georg , als Wortführer der protestantischen Fürsten, bestand auf einem allgemeinen Frieden, indem auch die Rechte des geächteten Kurfürsten von der Pfalz, die der Protestanten und der Einfluß der schwedischen Krone festgeschrieben sein sollten. Wie sich sehr bald herausstellte, war offenbar die Zeit für einen so umfassenden Friedensschluß noch nicht reif. Erst zwei Jahre später, nach dem Sieg der vereinigten Truppen des Kaisers und des spanischen Kardinal-Infanten bei Nördlingen, kam es zum Prager Friedensschluß.

Am 22. Dezember 1636 gelingt es dem Kaiser die Nachfolgefrage zu regeln, an deren Durchsetzung er in ähnlich starker Position im Jahre 1630 gescheitert war.

Ferdinand III. wird auf dem Reichstag zu Regensburg zum Römischen König gewählt. Es war der letzte politische Akt Ferdinands. Kurz nach seiner Rückkehr vom Reichstag nach Wien stirbt er am 15. Februar 1637.

In dieser Zeit der Abwesenheit Ferdinands II. regelt Erzherzog Leopold Wilhelm die politischen Geschäfte und Questenberg ist ihm zur Unterstützung beigestellt.

Die Jahre von 1640 bis zu seinem Tode ist Questenberg vollauf damit beschäftigt, durch Verhandlungen mit dem Fürsten von Siebenbürgen, Georg Rakoci und den Türken die Ostflanke des Reiches zu sichern.

Obwohl die Türken 1641 auf dem Reichstag zu Regensburg durch ihren Botschafter um einen Friedensschluß bemüht schienen und sich Questenberg selbst an den türkischen Hof begab, kam kein Friedensvertrag zustande.

Der Siebenbürger Fürst wurde lange Zeit vom schwedischen Feldherrn Torstensson unterstützt und verhandelte stets nur zum Schein mit den kaiserlichen Verhandlungspartnern.

Questenberg starb am 1. Juli 1646. Kurz vor seinem Tode kaufte er vom Kaiser die Stadt Schlackenwalde für 180.000 Gulden. Weil er diese Summe bar an den Kaiser zahlen konnte, bekam Questenberg 10% Rabatt...

Gerhard Freiherr von und zu Questenberg war zu einem großen Teil seines Lebens als Kriegskommissar mit Friedensverhandlungen beschäftigt. Den Frieden selbst erlebte er nicht mehr.



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