SENI, Giovan Battista
Astrologe Wallensteins

Giovan Battista Senno, von Schiller auch Seni, von Gallas Zenno genannt, war Wallensteins Astrologe und - wie es heißt - Professor aus Genua.

Golo Mann bezeichnet ihn als "Sumpfblüte aus Padua" [2] und kommt damit den Umtrieben dieser großen und kleinen Scharlatane, die man zu dieser Zeit an jedem Fürstenhof finden konnte, wohl am nächsten.

Seni war weder nachweislich wissenschaftlich etabliert noch alt und weise, wie ihn uns Schiller in seinem Drama schildert. Er bot auch sicher nicht das Erscheinungsbild, wie es das Gemälde "Seni vor der Leiche Wallensteins" von Karl von Piloty in der Neuen Münchner Pinakothek dem Betrachter vermitteln will.

Seni beim Anblick des toten Wallensteins Seni war nicht nur zwielichtig; er war geldgierig, käuflich, charakterlos und falsch. Kurz: er war nur eine von Tausenden Kreaturen seiner Zeit, die an den reich gedeckten Tischen moralisch und kulturell verkommener Adliger oder Feldherren ihr sicheres Auskommen hatten.

Seni wurde 1629 als 27jähriger am Hofe Wallensteins von Octavio Piccolomini eingeführt. Natürlich stellt sich aus heutiger Sicht die Frage, wie ein so gnadenlos kompromißloser Machtmensch und menschenverachtender Stratege wie Wallenstein auf solche Speichellecker hereinfallen konnte.

Man sollte sich jedoch hüten, arrogant aus der angeblichen Überlegenheit eines moderen Zeitalters zu urteilen. Es gibt bei der Entwicklung politischen Strategien immer Situationen, die sich nicht mit rationalen Methoden lösen lassen, weil bestimmte Entscheidungsgrößen nicht exakt bewertet werden können. Wenn in solchen Situationen trotzdem entschieden werden muß, könnte die Entscheidung theoretisch auch durch Würfeln gefällt werden. Wichtig ist nur, daß in einem definierten Zeitraum überhaupt eine Entscheidung fällt. Diese Erkenntnis haben mit Sicherheit auch Entscheidungsträger des 17. Jahrhunderts gehabt. Nur - statt zu würfeln wurden die Sterne befragt.

Und das aus gutem Grund: Die Erkenntnis, daß der Lauf der Gestirne unmittelbaren Einfluß auf die Natur und Fruchtbarkeit hat, führte zu dem Schluß, daß er auch Einfluß auf die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit haben muß und daß alle Ereignisse in ihrem Ansatz eine vorausberechenbare Komponente beinhalten. Diese besondere Form der Naturverbundenheit ist bis heute allen gesellschaftlichen Kreisen erhalten geblieben.

Problematisch werden solche Einstellungen erst dann, wenn der Einfluß der Sterne oder der Faktor Zufall nicht mehr nur auf die nicht mehr rational bewertbaren Entscheidungsfelder begrenzt wird, sondern damit die Unfähigkeit, Probleme zu erkennen und zu lösen, kaschiert werden soll. Die Dummheit oder Unfähigkeit der Entscheidungsträger wird dann als Schicksal, Macht der Sterne oder Vorsehung definiert.

Auch Wallenstein hat als Persönlichkeit seiner Zeit eifrige Studien der Astrologie betrieben. Auf seinen Reisen 1608 z.B. begleitete ihn als Hofmeister Kepler´s Freund, der Astronom und Mathematiker Paulus Birdungus aus Kitzingen. In Padua war der Herzog Schüler des Atrologen Andreas Argoli. Er wußte also um die wichtigsten Regeln der Erstellung und Deutung von Horoskopen, und er gab selbst welche in Auftrag: für sich an Kepler und auch über seine Gegner, wie z.B. Gustav Adolf, ließ er Horoskope anfertigen.

Die Ergebnisse waren für Wallenstein in jedem Fall brauchbar: Einerseits hat er in Keplers für seine Person angefertigten Horoskop seine Mittel und Methoden und die sich daraus ableitenden Ergebnisse bestätigt gefunden. Andererseits war dieses Horoskop für die täglich zu fällenden Entscheidungen nicht detailliert genug.

Diese Lücke füllte Seni aus.

Wahrscheinlich war Seni Nachfolger Keplers, nur mit besserem kommerziellen Verstand ausgestattet als dieser. Als Wallensteins Haushofmeister Peroni Seni als außerordentlichen Astrologen für 40 Thaler monatlich einstellen wollte, war der Friedländer empört. Er befahl Peroni seine "Florentinische Sparsamkeit" nicht gegen gelehrte Männer anzuwenden und Seni 50 Thaler allein für die nur neun Meilen lange Anfahrt zu zahlen. Ferner wurden 2.000 Taler jährliches Gehalt im Voraus bewilligt, dazu frei Tafel, später eine Kutsche mit 6 Pferden.

Da Senis Voraussagen Tageshoroskope waren, nahm ihn der Feldherr auf alle seine Kriegszüge mit. Seni muß demzufolge einer der am besten informierten Vasallen Wallensteins gewesen sein. - Das wußten auch die Gegner des Herzogs.

Daß Seni von diesen am Sturz Wallensteins interessierten Kreisen bestochen wurde, ist belegt. Ein Betrag von 3.000 Gulden ist dokumentiert. Wofür ist nicht klar, aber es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder hat Seni die Horoskope und damit Wallensteins Entscheidungen manipuliert oder er hat Informationen verraten. Sicher hat er beides getan.

Andere Quellen [11] behaupten, er ist bestochen worden, um sein Wissen um den Plan zu Ermordung Wallensteins nicht weiterzugeben. Tatsächlich hat er Wallenstein erst im letzten Augenblick gewarnt.

Die Behandlung, die Seni nach der Ermordung Wallensteins erfuhr, zeigt den Einfluß seiner Gönner bei Hofe: Seni wird zwar verhaftet und vom Wachpersonal um 4.000 Kronen, die er gerade bei sich hat, erleichtert, aber wieder laufen gelassen. Erst als der Kaiser am 6. März 1634 Gallas auffordert, "den Johann Babtista, des gewesenen von Friedland Nativitätsteller in Verhaft zu nehmen und wohl examiniren zu lassen." wird Seni am 11. März durch den Reichshofrat Dr. Justus Gebhardt in Eger einem formellen Verhör unterzogen.

Gallas schreibt sofort an den Kaiser: "Des Friedländers Nativitätsteller Johann Babtista Zenno (also nicht Seni oder Seppi !) ist Ew. May. allergnädigsten Anschaffung zufolge alsbald in Arrest genommen worden, soll auch fleißig examinirt und was vermittelst dessen befindlichen brieflichen uhrkunden oder mündlichen aussagen aus Ihm zu bringen: Ew. Kay. May. mit nähisten allerunterthänigst berichtet werden."

Anschließend wird Seni der Untersuchungkommission übergeben, die über alle Anhänger Wallensteins befindet.

Die Untersuchungen bringen keine Resultate .... Seni wird kein Prozeß gemacht.

Wieder auf freiem Fuß, reist er Anfang 1635 sechsspännig in seiner Kutsche nach Wien. Senis weiteres Schicksal ist unbekannt. Einige Autoren behaupten, er sei in Italien untergetaucht.

Andere Quellen erwähnen ein Protokoll aus dem Jahre 1643, in den es im bürokratischen Deutsch dieser Zeit heißt:

"Am 1. April hat in Wien, auf S. Stephan´s Freihoff, Herr Biboni, Königlicher Polnischer Resident, einen Astrologum, welcher hiebevorn bei´m Hertzog von Friedland gewesen, wegen etlicher Wort, zweymal durchstochen, und ihm hernach viel Wunden und Stich, durch seine Diener, geben lassen, daß er für todt weggetragen worden, weßwegen die Kayserliche May. für dessen Logament Wachten stellen lassen. Damit gedachter Resident nicht ausgeht, und die Diener, so Hand mit angelegt, bekommen werden möchten."

Ob Seni seinen Wunden erlag, wird nicht berichtet.



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