Seckendorff, Joachim Ludwig von

S 1591
U 1642

Joachim Ludwig von Seckendorff war Obrist im schwedischen Heer. Sein Geburtsjahr und seine gesellschaftliche Herkunft sind nicht eindeutig. Ebensowenig weiß man etwas über eventuelle militärische Erfolg zu berichten.

Daß Seckendorf im Rahmen dieser Sammlung von Biographien erwähnt wird, liegt zum einen an der Tatsache, daß er in Schillers "Wallenstein" (Wallensteins Tod IV, Auftritt 10) in Erscheinung tritt und zum anderen daran, daß er am 3. Februar 1642 auf dem Marktplatz in Salzwedel nach einem Kriegsgerichtsverfahren enthauptet wurde.

Gerade die Hintergründe dieses Kriegsgerichtsverfahrens sind von historischem Interesse, reflektieren sie doch das Verhalten eines neuen Typus einer durch dreißig Jahren Krieg geprägten Offiziersklasse. Diese neue militärische Elite hatte weder moralische Skrupel (Õ Anmerkung 1) , sich rücksichtslos am Krieg zu bereichern, noch kämpfte sie für ein Vaterland oder eine Krone oder einen Kaiser. Sie gab sich auch keine Mühe mehr, diesen Werteverfall durch religiöse Äußerlichkeiten oder formelle Treuebekenntnisse für Kaiser oder König zu kaschieren.

Für sie war der Krieg das einzige Mittel, schnell zu der von ihnen angestrebten gesellschaftlichen Anerkennung durch Reichtum (und in der Regel durch die Verleihung eines Adelstitels) zu gelangen.

Furcht vor späterer gesellschaftlicher Ächtung brauchten sie nicht zu haben; der Werteverfall war in ganz Europa nach diesem Krieg so gravierend, daß (auch Jahrhunderte später) niemand fragte, von wem und mit welchen Mitteln und Methoden der Reichtum erpresst wurde, der noch nachfolgenden Generationen ihren aufwendigen Lebensstil ermöglichte. (Õ ergänzend dazu folgender Link)

In Schillers Wallenstein stellt Seckendorff den kommandierenden Offizier des ersten Außenpostens der Schweden dar, in dessen Linien Max Piccolomini sein tragisches Ende findet.

Tatsächlich trat Seckendorff im Jahre 1632 als Obrist in das schwedische Heer ein.

Sieben Jahre nach Wallensteins Tod, im Jahre 1641 steht Seckendorf mit einem schwedischen Heeresteil vor Wolfenbüttel.

Dort schließt Seckendorff Bekanntschaft mit einem in Gefangenschaft geratenen kaiserlichen Obristen namens Gailing.

Ende 1641 machte sich der Wiener Hof Hoffnungen, daß die Front der protestantischen Fürsten weiter zerfallen wird und Feindseligkeiten zwischen Schweden und Dänemark und Spannungen zwischen Brandenburg und Schweden (Õ Anmerkung 2) ( zu einer Schwächung der schwedischen Armeen führen werden. Tatsächlich war die Lage im schwedischen Lager nach dem Tode Bernhards von Sachsen-Weimar kritisch. Baner war - trotz vieler Rückschläge - der einzige schwedische Aktivposten gewesen, aber sein Heer war schlecht bezahlt und disziplinlos.

Die Übernahme des Oberbefehls durch den schwedischen Feldmarschall Torstenson machte nunmehr alle Hoffnungen des Kaisers auf eine glückliche Wendung der Dinge zunichte.

Torstenson war zwar zu diesem Zeitpunkt bereits so schwer gichtkrank, daß ihn diese Krankheit fast zum Krüppel machte. Aber er war der Krone ergeben, und das schwedische Offizierkorps bot keine Alternative.

Torstenson war herrisch, hatte einen rauhen Umgangston, aber er war ein guter Organisator. Die strukturellen und substanziellen Voraussetzungen im schwedischen Heer waren bei seinem Amtsantritt entmutigend: Schon unter
Baner, der sich vor seinem Tode wenig um Sold, Verpflegung und Disziplin des Heeres gekümmert hatte, waren erste Anzeichen von Meuterei zu erkennen. Kurz vor der Übernahme des Oberkommandos durch Torstenson brach die Meuterei im schwedischen Heer offen aus. Die Meuterei wurde ausgelöst durch ausstehenden Sold. Im konkreten Fall war die Zahlung des Soldes objektiv nicht möglich, weil die französischen Hilfsgelder nie in vereinbarter Höhe und stets verspätet eintrafen. Die französischen Zuwendungen waren aber in dieser Zeit die einzige wirkliche Geldquelle des schwedischen Heeres.

Auf dem Höhepunkt der Meuterei rettete die Ankunft Torstensons die Lage. Er hatte - wo auch immer - Gelder aufgetrieben und konnte die Meuterer zufriedenstellen.

Außerdem entwickelte er eine neue Methode der materiellen Befriedung der Soldaten: er warb neue Rekruten nicht dadurch an, daß er ihnen Sold versprach. Den verarmten Bauern, die die ständigen Verluste der Truppe auffüllten, bot er Lebensmittel, Kleidung und Waffen an; - und jede Beute, die sie machen konnten... Damit legalisierte er lediglich die bestehende Situation und mußte so bloß Geld für die altgedienten Soldaten auftreiben, die schon vor seinem Eintreffen unter Waffen standen. Kämpfe, Seuchen, Hunger und deren zügelloses Leben verminderten diese finanzielle Verpflichtung mit jedem Tag.

In dieser für das schwedische Heer kritischen Lage versuchte das kaiserliche Oberkommando unter Octavio Piccolomini unzufriedene schwedische Offiziere ins kaiserliche Lager abzuwerben.

Seckendorff wurde durch die ständigen Einflüsterungen Gailings schwach, zumal Gailing offenbar einen Brief des Erzherzogs Leopold Wilhelm vorweisen konnte, demzufolge der Sold jedes Obristen im kaiserlichen Lager garantiert wurde.

Unter dem Vorwand, seine Familie aus dem durch den Feind besetzten Gebiet in das protestantische Erfurt zu holen, erwirkte Seckendorff von Torstenson einen Paß für einen seiner Trompeter. Der Trompeter sollte jedoch nicht nur die Familie nach Erfurt begleiten, sondern hatte vor allen Dingen Papiere bei sich, die bewiesen, daß Seckendorff konspirativen Kontakt zu Gailing hatte und bereits ein Briefwechsel mit Piccolomini stattfand mit dem Ziel der Abwerbung deutscher Offiziere aus dem schwedischen Heer.

Der Trompeter hatte die Kontrollen schon passiert, als ihn der kommandierende schwedische Offizier zurückholen ließ. Ihm erschien der Paß schon abgelaufen.

In den allgemeinen Hin und Her fielen dem Trompeter die geheimen Papiere aus der Pistolentasche.

Zunächst bemerkte es niemand. Als aber der Trompeter selbst nach diesen Papieren zu suchen anfing und wenig später eine Katze (so berichten es die Quellen) diese Papiere aus einem Düngerhaufen kratzte, war nicht nur die militärische Zukunft Seckendorffs besiegelt.

Als sich Seckendorff bei Torstenson über den Rückruf seines Trompeters beschweren wollte, hatte dieser bereits ein Kriegsgericht einberufen, das sich ausschließlich aus deutschen Offizieren zusammensetzte.

Seckendorff wurde standrechtlich verurteilt und am 3. Februar 1642 auf dem Marktplatz von Salzwedel enthauptet.

Seckendorff muß ein fürchterlich reumütigen Eindruck hinterlassen und bittere Tränen um seine Familie vergossen haben, da doch nun seine "... noch nun unerzogene Kinder hierdurch unumgänglich in der Paptisten Rachen gerathen würden ...".

Seckendorf hatte die Offiziere in seiner Zerknirschtheit offenbar so beeindruckt, daß sich einige Mitglieder des Kriegsgerichtes bereit erklärten, eine Patenschaft über seine Kinder zu übernehmen und Torstenson selbst die Stadt Erfurft verpflichtete "... die armen Wittiben und Waisen ... zu ihrem Aufenthalt und Auferziehung ihrer Kinder nothdürftige Mittel bei‘m Erfurtischen Stat, aus christlichem, löblichem Mitleiden..." zu unterstützen.

Die Investition in die Kinder Seckendorffs fiel auf fruchtbaren Boden: sein Sohn, Veit Ludwig von Seckendorff, wurde Kurbrandenburgischer Geheimer Rat und Kanzler der Universität Halle.

( Õ ergänzender Link )


Faksimile der Unterschrift Seckendorffs

Faksimile der Unterschrift Seckendorffs



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Anmerkung 1:

Bei der Beurteilung von Personen und Charakteren in Zeiten von Kriegen und den nachfolgenden Wirren empfielt der Autor (aus eigenen Erfahrungen) Begriffe wie Moral, Ehre und Gewissen nicht nach gängigen bürgerlichen Maßstäben zu bewerten.

Man sollte sich von der Vorstellung trennen, zum Beispiel mit Moral irgend eine Form der Wertung über richtig oder falsch zu verknüpfen und das Wort im Rahmen dieser Biographien künftig nur auf seine Herkunft reduzieren.

Schließlich stammt es vom lateinischen Begriff "mores", der auf deutsch nichts anderes bedeutet als Sitte(n) im Sinn von Gewohnheit.

So gesehen hatte sich die Offiziere in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges nur den gängigen Gewohnheiten angepasst...



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Anmerkung 2:

Die junge schwedische Königin Christine weigerte sich - wie politisch bereits verabredet - den jungen Kurfürsten von Brandenburg zu heiraten. Außerdem gab es unterschiedliche Standpunkte zu den Besitzrechten Pommerns



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