GEBHARD

Kurfürst und Erzbischof von Köln                   

Evangeliar

Der Erzbischof von Köln war nicht nur als Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation einer der wichtigsten Würdenträger, er war auch ein großer Schürzenjäger.

Der Dreißigjährige Krieg begann zwar erst nach seiner Amtszeit, aber am Beispiel seines Lebenslaufs in den Jahren um 1590 kann sehr gut nachgewiesen werden, wie empfindlich das politische Gleichgewicht im Habsburger Reich auch auf Abweichungen reagierte.

Selbst scheinbar belanglose Schwächen einzelner Würdenträger hätten schon zu dieser Zeit, also vor 1618, einen europäischen Krieg provozieren können.

Zu jener Zeit trieb in Prag am Hofe Kaiser Rudolfs II. ein Alchimist und Magier namens Scotto sein Unwesen.

Das war nichts Ungewöhnliches, sondern unter Kaiser Rudolf II. eher die Normalität. Scotto hat bis heute in der Literatur bleibende Eindrücke hinterlassen. Die Beurteilung seiner Person ist so vielfältig und widersprüchlich, daß man sich lediglich darin einig ist, daß Scotto als König der Abenteurer ein Schurke, Rohling, Magier, Geheimagent und Diener Frankreichs und der protestantischen Seite gewesen ist.

Scotto beherrschte neben anderen Zauberkunststücken den Trick mit einem magischen Spiegel.

Dieser Spiegel ermöglichte Scotto einem Betrachter und Opfer seiner Gaunerei vorzugaukeln, daß im Spiegel Bilder seiner geheimen Sehnsüchte erscheinen.

Die Sehnsüchte des Erzbischofs waren ausschließlich schöne Frauen. Also schlug Scotto dem Erzbischof vor, einmal in seinen Zauberspiegel zu schauen – und läßt dem geilen Kurfürsten die schöne Gräfin Agnes von Mansfeld erscheinen.

Die Gräfin soll tatsächlich unbeschreiblich schön gewesen sein. Später hatte sie im englischen Exil, obwohl sie dort in Ungnade gefallen war, einen Günstling Königin Elisabeths verführt.

Ihre Schönheit und ihre natürliche Begabung als Kurtisane verzauberten den Erzbischof völlig. Er war ihr mit Leib und Seele verfallen.

Zunächst versteckt Gebhard aus naheliegenden Gründen seine protestantische Geliebte. Als aber Agnes daran Anstoß nimmt, zeigt er sich mit ihr auch am Hofe, und sie wird vor aller Öffentlichkeit seine Konkubine.

An diesem Punkt, an dem man den Vorgang mit einer moralischen Wertung der katholischen Geistlichkeit des 16. Jahrhunderts abtun könnte, beginnt jedoch die politische Falle zuzuschappen:

Denn die Mansfelds haben auf diesen Augenblick nur gewartet, empören sich scheinheilig, aber öffentlichkeitswirksam und verlangen unter Androhung der Todesstrafe die Heirat und damit die Konversion des Erzbischofs – also den Übertritt zum protestantischen Glauben.

Auch das wäre in dieser Zeit normal: sind doch bereits die Erzbischöfe von Magdeburg, Bremen und Lübeck zum Protestantismus übergetreten.

Aber Gebhard war nicht nur Erzbischof, er war auch und vor allen Dingen Kurfürst und gehörte damit zu dem elitären Kreis der Fürsten, die den Kaiser wählten.

Mit dem Übertritt Gebhards ins protestantische Lager hätte sich das Kurfürstengremium aus vier protestantischen und drei katholischen Kurfürsten zusammengesetzt. Das bedeutete: der nächste Kaiser wäre dann ein Protestant, das Haus Österreich entthront und die Katholiken würden zu den Waffen greifen und die deutschen Staaten einem Krieg zum Opfer fallen.

Der Papst griff jedoch nicht ein, um seinen Erzbischof zur Vernunft zu bringen, also griff der Kaiser zu den bewährten Mitteln: er bot Gebhard eine großzügige finanzielle Abfindung an, wenn der von seinem Amt zurücktreten würde.

Statt einer Antwort heiratete der Erzbischof seine Mätresse.

Nun kam auch der Papst nicht umhin, seinen renitenten und nun verheirateten Erzbischof zu exkommunizieren. Der Kaiser seinerseits sprach die Reichsacht gegen Gebhard aus. Gebhard reagierte, indem er eine Armee aufstellte.

Während noch im Reich die Konkurrenten um Gebhards Nachfolge ihre Netzwerke aufbauten, marschierte Bischof Ernst, der Bruder des Herzogs von Bayern gegen Köln, schlug Gebhard in die Flucht und schuf neue Fakten: er ließ sich zum Erzbischof wählen.

Mit diesem Vorgehen stand Ernst zwischen allen Fronten: einerseits hatte er durch sein Vorgehen dem Hause Habsburg den nächsten katholischen Kaiser garantiert ( oder mit Sicherheit wieder aus dem Hause Habsburg kommen würde), andererseits hatte er dem Kandidaten des Kaisers für dieses Amt den Rang abgelaufen. Kaiser Rudolf II. hatte eigentlich Kardinal Andreas, den Sohn von Erzherzog Ferdinand für dieses Amt bestimmt. Jetzt mußte er froh sein, die katholische Mehrheit der Kurfürsten gesichert zu wissen.

Eine Konfrontation mit dem neuen Kurfürsten Ernst konnte sich der Kaiser nicht leisten, denn schon mischten sich die Niederlande, England und die von Heinrich von Navarra, dem späteren Heinrich IV., aufgestachelten französischen Protestanten ein.

Der eigentliche Plan Heinrichs, mit Hilfe eines Alchimisten als Geheimagenten einen protestantischen Kurfürsten zu etablieren und dadurch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Kaiser und Papst politisch auszuschalten, war gescheitert. Nun versuchten die ausländischen Protestanten durch Drohungen und militärische Aufrüstung die katholische Liga zu zerschlagen. Die deutschen Protestanten waren zu dieser Zeit nicht an einer bewaffneten Auseinandersetzung interessiert.

Durch Rudolfs abwartende Haltung, durch Konzessionen und durch eine gerissene politische Taktik des Zauderns und Hinauszögerns spielte der Kaiser Lutheraner gegen Calvinisten aus. Letztlich blieben nur noch getrennte protestantische Gruppierungen übrig, die sich eingestehen müssen, daß sie einzeln militärisch gegen den Kaiser keine Chance haben.

So blieb dem Deutschen Reich um 1590 ein großer Krieg erspart, der durch die Geilheit eines einzelnen Klerikers und die Magie eines skrupellosen Geheimagenten beinahe ausgelöst wurde.

Die geschilderte Episode verdeutlicht aber im historischen Rückblick sehr anschaulich, diese Zeitspanne deutscher und europäischer Geschichte und wie zu einigen Zeitpunkten der Geschichte von besonders schillernden, oft skrupellosen, machtbesessenen, jedoch stets beeindruckenden Persönlichkeiten auf die Entwicklung Einfluß genommen wurde.

Deshalb machen die komplizierten politisch-ökonomischen Strukturen dieser Epoche, die vielfach religiös überlagerten Machtkämpfe zwischen den Ständen und der kaiserlichen Zentralmacht in Wien und die vielschichtigen gesellschaftlichen, materiellen und persönlichen Abhängigkeiten der involvierten Akteure, eine Bewertung der Handlungen von Personen in dieser Epoche so schwer.




                                 zurück zum zuletzt geöffneten Fenster
                                 zurück zum Personen-Index
                                 zurück zum Inhaltsverzeichnis


Diese Homepage wurde von Dr. Klaus Koniarek bereitgestellt ©. Sie wird regelmäßig überarbeitet und erweitert.