WALLENSTEIN

Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein


« 14. September 1583
U ermordet am 25. Februar 1634



"Böhmische Toren, sie können nicht einmal ihre Statthalter über die Klinge springen lassen".

So kommentierte der damals 35jährige Baron Albrecht von Wallenstein den Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618, bei dem zwei kaiserliche Räte und ein Schreiber von böhmischen Protestanten aus einem Fenster des Hradschins geworfen wurden und einen Sturz aus 17 Meter Höhe überlebt hatten.

Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618
Beamte aus einem Fenster der Prager Burg zu werfen, war schon Tradition und geradezu ein Symbol böhmischen Widerstandes. Bereits am 30. Juli 1419 hatten aufgebrachte Hussiten 13 katholische Stadträte kurzerhand aus dem Fenster geworfen.
Wallenstein ahnt nicht, daß mit diesem Ereignis die Voraussagen seines Horoskops in Erfüllung gehen sollten, die ihn zu einem der mächtigsten Männer nach dem Kaiser machten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Wallenstein bereits den ersten Abschnitt seines Lebens erfolgreich hinter sich gebracht.

So, wie Historiker den 30jährigen Krieg in verschiedene Bezugszeiträume einteilen, kann in Anlehnung daran der Lebensweg Wallensteins klar abgegrenzt, in folgende Abschnitte eingeteilt werden:
· Sein Leben bis zum Prager Fenstersturz (... 1618).

· Sein gesellschaftlicher und sozialer Aufstieg im Zeitraum vom Beginn des böhmischen Aufstandes bis zum Oberbefehlshaber über die kaiserlichen Truppen. (1619 ... 1630).

· Die Zeitspanne zwischen seiner Absetzung auf dem Reichstag in Regensburg und der Wiedereinsetzung als Generalissimus mit unbeschränkten Vollmachten (1630 ... 1632).

· Die Zeit nach der Schlacht bei Lützen bis zu seiner Ermordung in Eger. (16.11.1632 ... 25.2.1634).

In der Zeit vor dem böhmischen Aufstand verlief Wallensteins Leben wie sicherlich bei vielen der 14.000 böhmischen Adelsfamilien. Ein wenig erfolgreicher als beim Durchschnitt, aber nichts deutete auf den kometenhaften Aufstieg des Albrecht von Wallenstein hin; - es sei denn: man vertraute seinem Horoskop!

Albrecht Wenzeslaus Eusebius Freiherr von Waldstein wurde am 14. September 1583 in Prag geboren. (s. Anmerkung 1)

Seine Eltern waren Ultraquisten, gehörten also der gemäßigten Religionsgemeinschaft der Hussiten an. Beide verlor er schon in jungen Jahren. Sein Vater, Freiherr Wilhelm von Waldstein, Herr von Herzmanicz, starb 1595. Seine Mutter Margaretha entstammte der relativ begüterten Familie derer von Smiecziczky und verstarb bereits 1593.

Albrecht besuchte zunächst die Schule in Goldberg und Altdorf, wo er lutherisch erzogen, aber von der Schulleitung der Schule verwiesen wurde. Der Grund: bei einer Gelegenheit hatte er an einem mörderischen Streit teilgenommen, ein anderes Mal einen seiner Diener beinahe getötet.

Um 1604 tritt er als Page in die Dienste des Markgrafen Karl von Burgau. Ob es das Vorrecht des böhmischen Adels ist, oder ob das Schicksal korregierend eingreifen wollte: auf jeden Fall erlebte auch der junge Wallenstein in dieser Zeit einen Fenstersturz. Albrecht fiel im Schlaf (!?) aus dem dritten Stock des Schloßfensters - und überlebte. Auch dieser Fenstersturz hatte Folgen: Wallenstein war sich seit diesem Augenblick sicher, daß ihn die Jungfrau Maria für eine höhere Bestimmung gerettet hatte. Folgerichtig trat er zum katholischen Glauben über und besuchte kurze Zeit das Jesuitenkolleg in Olmütz. Vielleicht haben der Sturz und die katholische Erziehung seinen leicht erregbaren Geist etwas gedämpft, denn seit dieser Zeit arbeitet er zielstrebig an seiner Karriere.

Im Jahre 1607 dient Wallenstein als Kämmerer des jungen Erzherzogs Ferdinand am Wiener Hof. Diese Beziehung sollte zehn Jahre später weitreichende Folgen haben.

Irgendwann um die Jahre 1602 bis 1604 befindet er sich gemeinsam mit einem Freund Keplers, dem Astrologen Paul Virdung, auf dem Wege nach Padua und Bologna. Nachgewiesen ist, daß Wallenstein sich an der Universität von Padua mit Politik, Mathematik und Astrologie beschäftigt hat. Reisen nach England, die Niederlande und Frankreich rundeten sein Weltbild ab. Sehr intensiv können diese Studien nicht gewesen sein, denn bereits im September 1605 kämpft er unter seinem militärischen Lehrmeister, Georg Basta, als Hauptmann einer Kompanie Fußvolk in der belagerten Festung Gran gegen die Türken.

Im November 1606 schließen der Kaiser und die Türken Frieden, und Wallenstein kehrt nach Böhmen zurück.

1609 heiratet der adlige Habenichts aus Böhmen eine der reichsten Frauen Mährens. Lukretia Nikessin von Landek war reich, verwitwet, kinderlos und etwas älter als Wallenstein. Die Literatur macht sie sehr viel älter als Wallenstein und tut ihr damit unrecht. Neueste medizinische Untersuchungen ergaben, daß sie mit 35 Jahren starb. Also muß sie zum Zeitpunkt der Heirat ungefähr 30 Jahre alt gewesen sein. Diese sozial ungleiche Ehe wurde von dem Jesuitenpater Vitus Pachta eingefädelt. Literaturquellen, die offenbar nicht mit den Jesuiten sympathisieren, behaupten, daß Pachta diese Ehe nur vermittelt hat, damit Lukretias Güter nicht in protestantische Hände fallen. Vier Jahre später verstarb Lukretia plötzlich; Wallenstein wurde Alleinerbe. Damit war der relativ arme Böhme zum mächtigsten Magnaten Mährens aufgestiegen.

Man muß Wallenstein allerdings bestätigen, daß er entgegen der damaligen Gepflogenheiten, die Verwaltung seiner Güter nach geradezu modernen unternehmerischen Gesichtspunkten organisierte.
Er fördert die Produktivkräfte seiner Besitzungen bis zur Grenze des Möglichen; gründet in den Städten - wo immer möglich - Manufakturen; errichtet Speicher für Ernteüberschüsse (später zur Proviantierung seiner Armeen) und führt Waren aus. Er kümmert sich um das Größte und Kleinste in seinen Gütern; alles wird reglementiert und normiert: zum Beispiel war vorgeschrieben, daß eine Kuh jährlich eine Tonne Butter und fünf Kühe vier Zentner Käse produzieren mußten. Er verfaßt Wirtschaftsordnungen über "Getreide", "vom Flax", "von den Obstgärten" und Strafandrohungen für die Fasanenwärter, die gehängt werden, wenn sie es wagen sollten, magere Fasane an die Küche zu liefern und die fetten unter der Hand zu verkaufen...

Kein Ackerboden durfte brachliegen; kein Nebenprodukt ungenutz bleiben. Landstreicher wurden aufgegriffen, gesäubert, gekleidet, zur Arbeit gezwungen; wenn sie aus gesundheitlichen oder Altersgründen für die Arbeit nicht mehr eingesetzt werden konnten, brachte man sie in Spitälern unter. Auch das Erziehungs- Wohlfahrts- und Gesundheitswesen war durchorganisiert.

Das Braurecht, eine einträgliche Einnahmequelle der Adligen und Stände ging nun an Wallenstein über. Es durfte fortan nur herzogliches Bier getrunken werden; allerdings: der Herzog trank es selber, denn es war gut. Wallenstein achtete stets auf Qualität. Wer fremdes Bier ausschänkte, wurde bestraft: tausend Dukaten für den mitschuldigen Dorfbesitzer und hundert Taler für den Schankwirt.

1617 - zehn Jahre nach ihren ersten persönlichen Kontakten am Wiener Hof - tritt Erzherzog Ferdinand, gerade zum König von Böhmen gewählt, an Wallenstein mit der Bitte heran, ihn im Friauler Krieg zu unterstützen. Der damals noch Baron Wallenstein wirbt aus eigenen Mitteln 200 Reiter und kommt Ferdinand zu Hilfe. Nicht nur die Tatsache, daß Wallenstein Reiter zur Verfügung stellt, sondern auch die Tapferkeit mit der er in Italien bei den Soldaten beliebt wird, macht ihn beim Kaiser bekannt. Besonders eine Episode wurde bei Hofe hoch gelobt: die von den Venezianern belagerte Festung Gradisca war wegen Lebensmittelmangel nahe an der Kapitulation. Wallenstein gelang mit mit einem nächtlichen Angriff auf die Stellungen der Belagerer, das ein anrückender Lebensmittelkonvoi den Belagerungsring durchbrechen und die Festung gehalten werden konnte. Der Dank des Kaisers war großzügig: Wallenstein wurde in den Grafenstand erhoben, zum Obristen ernannt und erhielt auf Empfehlung des Kaisers ein Regiment der Mährischen Miliz. Gerade mit diesem Kommando sollte Wallenstein später noch ins Gerede kommen.

Mähren war damals noch kaisertreu. Das sollte sich mit dem Prager Fenstersturz und der sich daran anschließenden sogenannten böhmischen Rebellion 1618 ändern. In Prag hatte eine provisorische Regierung die Macht übernommen. Die Regierungsspitze wurde von 30 Direktoren gebildet, und als militärischer Oberbefehlshaber war Graf Thurn ernannt worden. Es war offensichtlich, daß die Rebellion ein Versuch war, die Bevormundung durch die katholischen Habsburger abzuschütteln. Kurz gesagt: es war ein Staatsstreich.

Es ist schwer verständlich, warum die Böhmen die katholischen Habsburger überhaupt so lange Zeit duldeten, denn die böhmische Krone war nicht erblich; Böhmen war ein Wahlkönigtum. Im gesamteuropäischen Rahmen war Böhmen zwar nur ein kleines Land, aber mit der Krone Böhmens war auch die Herrschaft über die Herzogtümer Schlesien und Lausitz und über die Markgrafschaft Mähren verbunden. Böhmen war durch Handel und Landwirtschaft so reich, daß es mehr als die Hälfte der Verwaltungskosten des ganzen Reiches deckte.

Daß die Habsburger ihre Machtansprüche bisher ungehindert durchsetzen konnten, lag in der Zerstrittenheit der untereinander um Privilegien kämpfenden Interessengruppen.

Im Zuge der ökonomischen Entwicklung durch das aufstrebende Bürgertum zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde die bisherige, auf Landbesitz beruhende Werteordnung Böhmens wurde in Frage gestellt. Die gesellschaftliche Sonderstellung der 14.000 Adelsfamilien war im Schwinden begriffen, und so unterstützte der böhmische Adel die habsburgische Regierung aus Furcht vor den militanten Calvinisten.

Die Sorge der politisch einflußreichen Kreise um die Bewahrung der Privilegien sicherte dem Kaiser die Macht.

Allerdings war eine Wiederwahl eines Habsburgers, in diesem Fall die angestrebte Wahl Ferdinands zum deutschen Kaiser nach dem Tode des kränkelnden Kaisers Matthias und nach den Ereignissen und politischen Entwicklungen der letzten Jahre mehr als fraglich. Man sollte annehmen, daß die Wahl oder die Abwahl des böhmischen Königs eine Angelegenheit war, die auschließlich die Böhmen anging. Aber der Umstand, daß die Könige von Böhmen auch Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches waren und bei der Kaiserwahl wahrscheinlich einem protestantischen Kandidaten ihre Stimme gegeben hätten, machte die Entwicklung in Böhmen zu einem Ereignis von europäischer Bedeutung.

Im August 1618 traf sich Wallenstein mit Ferdinand auf dem mährischen Landtag zu einem Geheimgespräch. Wallenstein bietet dem zukünftigen Kaiser an, 40.000 Gulden aus eigener Tasche vorzuschießen und ein Kürassierregiment gegen die Böhmen anzuwerben. Ferdinand akzeptiert. Am 20. März 1619 stirbt Kaiser Matthias. Vier Tage später wird Wallenstein zum Obristen bestallt und erhält neben dem Obristengehalt 8.000 Gulden Zuschuß! Der gegenseitige Beistandspakt ist erkauft.

Im Jahre 1619 geben sich die Böhmen eine eigene ständische Verfassung, die sogenannte "Konföderationsakte".

Die Lausitz, Schlesien und Mähren unterzeichneten im Juli 1619 das Abkommen für eine gemeinsame Konförderation mit Böhmen. Aber bereits im April marschiert Graf Thurn mit dem böhmischen Heer in Mähren ein, um die Parteinahme für die böhmischen Interessen zu erzwingen.

Wallenstein unterstand - wie bereits erwähnt - zu dieser Zeit ein Regiment mährischer Miliz. Er mußte sich beim Einmarsch der Truppen Thurns nun zwischen Kaisertreue und Landesverrat entscheiden. Wallensteins Einsatz war hoch: am 30. April befahl er seinem Oberwachtmeister Khuen, 2.700 Mann aus dem mährischen Olmütz in Richtung Wien abzuziehen. Am Abend kehrt Khuen, leicht verunsichert, ob er den Befehl auch richtig verstanden hat, mit seinen Leuten in die Stadt zurück. In höchster Erregung ersticht Wallenstein seinen Offizier, ernennt sofort einen Nachfolger und stürmt mit 40 Musketieren die mährische Ständekasse.
Die Truhen mit 96.000 Gulden und beschlagnahmtes Kriegsgerät werden von Wallenstein in einem Gewaltmarsch am 5. Mai nach Wien gebracht.

In Brünn erfährt Graf Thurn von dem Vorfall. Thurn als jähzorniger Typ bekannt, schickt sofort 1.800 Reiter Wallenstein hinterher; zu spät. Die Mährischen Stände verweisen nach diesem Vorfall Wallenstein auf ewig des Landes und konfiszieren seinen Besitz. Die Stimmung in Mähren wird durch den Inhalt eines Briefes Thurns verdeutlicht: "Da sitzt die hoffärtige Bestie, hat die Ehr verloren, Hab und Gut, und die Seel..."

Ferdinand sieht sich plötzlich einem Problem gegenüber: auf der einen Seite hatten die Habsburger noch nie soviel Geld flüssig, auf der anderen Seite hat er Skrupel...Gesetz sollte Gesetz bleiben, - zumal er ja seit Juni 1617 böhmischer König war. Tatsächlich werden die Geldtruhen heimlich nach Olmütz zurückgebracht!

Die Tat war Ferdinand peinlich; auch in keiner späteren Urkunde, die Wallensteins Verdienste aufzählte, wird dieser Vorfall erwähnt. (s. Anmerkung 2) Nicht nur deshalb stößt die Handlungsweise Wallensteins auch bei seinen Gegnern auf Unverständnis; er, bisher einer der größten Grundbesitzer Mährens, hat alles ohne ersichtlichen Grund auf eine Karte gesetzt und alles verloren. Aber der spätere Kaiser weiß jetzt auch: auf Wallenstein kann er sich bei zukünftigen kritischen Ereignissen verlassen! Und diese Ereignisse lassen nicht lange auf sich warten. Im August 1619 erfolgte in Frankfurt die Wahl Ferdinands zum Nachfolger des verstorbenen deutschen Kaisers Matthias. Noch am Wahltag erreicht den neuen Kaiser die Nachricht von seiner Absetzung als König von Böhmen durch die böhmischen Stände und die Wahl Friedrich V. , des Kurfürsten von der Pfalz zum neuen böhmischen König. Der Kaiser urteilte in Kenntnis der tatsächlichen Machtverhältnisse: nur "närrische und aberwitzige Leute" könnten so etwas tun. Ferdinand erließ daraufhin am 30. April 1620 ein Mandat, wonach sich Friedrich bis zum 1. Juni 1620 aus Böhmen hätte zurückziehen müssen. Friedrich sah sich jedoch im Recht und lehnte ab. Der Kaiser reagierte daraufhin kompromißlos: er unterzeichnete ein Abkommen mit dem Kurfürsten von Bayern, wonach Maximilian das Oberkommando aller militärischen Unternehmungen in Böhmen übertragen bekam. Als Pfand für seine militärischen Auslagen erhielt er alle eroberten Gebiete.
In einem Geheimabkommen wurde darüber hinaus vereinbart, daß Maximilian bei einer Niederlage Friedrichs dessen Kurfürstentitel erhalten sollte.

Wallenstein wird zum General-Quartiermeister ernannt und hat die Verpflegung des Heeres auf dem Böhmenfeldzug zu sichern.

Das Heer der katholischen Liga unter dem Oberbefehl Tilly s marschiert im Herbst 1620 in Böhmen ein. Am 8. November 1620 kommt es am Weißen Berg vor Prag zur Schlacht zwischen den kaiserlichen Truppen und dem böhmischen Heer. Die Böhmen werden vernichtend geschlagen, Friedrich muß fliehen und wird geächtet.

Wallenstein selbst war nicht auf dem Schlachtfeld, wohl aber seine 1.900 Kürassiere, die einen hohen Anteil am Sieg und große Verluste zu verzeichnen haben. Alle Rebellenführer, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, werden auf dem Altstädter Ring in Prag hingerichtet. Sächsische Soldaten sichern die Ruhe in der Stadt, Wallensteins Reiter die Stadttore. Wallenstein selbst ist Zuschauer der Hinrichtungen. Mit der Niederlage der böhmischen Aufständischen regeln sich auch wieder die Besitzverhältnisse. Wallenstein erhält seine ehemaligen Güter zurück und wird vom Kaiser zum "Militär-Gubernator des Königreiches Böhmen" ernannt. Das bedeutet konkret: Wallenstein soll im Auftrag des Kaisers das Land "befrieden". Er tat dies mit der ihm eigenen Konsequenz: Schlesien und Mähren werden von aufständischen Truppen und Anhängern gesäubert; Bethlens Hilfstruppen der Böhmen bei Standschütz besiegt und der schlesische Markgraf von Jägerndorf, ein Sympathisant der böhmischen Aufständischen, muß sich im Oktober geschlagen geben. (s. Anmerkung 3)

Die Verfolgung der evangelischen Gläubigen entartet zum Kreuzzug der Gegenreformation. Von den 3 Millionen Protestanten, die bei Antritt der Regierung Ferdinands II. 1619 in Böhmen lebten, waren 1637, seinem Todesjahr, nur noch 800.000 gezählt. Prediger und alle Einwohner Böhmens, die nicht katholisch werden wollten, waren geflüchtet oder vertrieben, die meisten durch Verfolgung und Krieg umgekommen.

Die Stadträte und alle protestantischen Ratsmitglieder mußten ihre Ämter niederlegen; an ihre Stelle traten Katholiken. Nun, nach der beginnenden Enteignung des protstantischen böhmischen Adels, kann der Kaiser Wallenstein auch die Auslagen erstatten, die dieser für die Aufstellung der Kürassier-Regimenter vorgeschossen hatte. Wallenstein beginnt nun, mit Protektion des Kaisers, konfiszierte Güter der Aufständischen, die zu einem Spottpreis unter den Hammer des Auktionators kommen, aufzukaufen. Der Kaufpreis wird auf ein Fünftel des tatsächlichen Wertes geschätzt. Wallenstein konnte im Laufe der Jahre 66 Besitzungen ankaufen. In den Jahren 1622 bis 1624 erwirbt Wallenstein Ländereien im Umfang von 120.000 Hektar und im Wert von 3 Millionen Gulden aus königlicher Hand und für 1,7 Millionen Gulden aus Privatbesitz. Einen Teil davon verkauft er wieder gewinnbringend. Aber das allein macht noch nicht seinen kometenhaften sozialen Aufstieg aus. Wallensteins entscheidender Schachzug ist sein Beitritt in das neugegründete sogenannte Münzkonsortium. Die Gründung des Münzkonsortiums hatte ihre Ursache in den knappen Staatsfinanzen. Der Kaiser war (wie immer) knapp bei Kasse, aber er hatte etwas, was den anderen noch fehlte: das Münzmonopol. Zunächst ging der mit der Konsolidierung der Finanzen beauftragte Fürst Liechtenstein die Lösung des Problems in "konventioneller" Weise an. Golo Mann [2] beschreibt diese konventionelle Methode folgendermaßen:

"Aus einer Mark - das ist etwa ein halbes Pfund - Silber werden anstatt 19 Gulden 27 geprägt, dann 39, dann 47. Silber oder gute alte Münzen ins Ausland zu schaffen, wird streng verboten - Devisenkontrolle. Natürlich steigt der Preis des Silbers, das man mit der neuen, der "langen" oder "kleinen" Münze einkaufen muß. Der Witz ist aber, daß er nicht entsprechend schnell steigt, der Diskrepanz nicht alsbald nachkommt, die kaiserlichen Falschmünzer einen Vorsprung haben. Da liegt für den Fiskus die Möglichkeit des Gewinns."

Wie andere Quellen berichten, war Liechtenstein "ziemlich schlau", und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die Clique um Liechtenstein, Wallenstein und andere unter Leitung des flämischen Calvinisten Hanns de Witte ein Münzkonsortium bildeten. Das Konsortium erhielt für 6 Millionen Gulden vom Kaiser das Recht, ab 1. Februar 1622 für den Zeitraum eines Jahres für die Länder Böhmen, Mähren und Niederösterreich Geld zu prägen.

Die Folge der privaten Münzprägung waren nicht nur riesige Münzmengen, die die Inflation anheizten, sondern enorme Gewinne für die Mitglieder des Konsortiums.

Interessant sind folgende Wertangaben, die auch einen Einblick über die damaligen Machtverhältnisse innerhalb des Münzkonsortiums zulassen: insgesamt wurden aus 561.582 Mark Silber 42 Millionen Gulden geprägt. In diese Gesamtmenge Silber brachten die einzelnen Personen folgende Teilmengen ein:

Wallenstein 5.000 Mark, Liechtenstein 797 Mark und de Witte 402.652 Mark Silber.

Aber entsprechend der tasächlichen Machtverhältnisse war eine Mark eingeliefertes Silber nicht 78 geprägte Gulden wert, wie sie z.B. de Witte ausgezahlt bekam. Wallenstein bekam für eine eingelieferte Mark Silber 123 Gulden, Liechtenstein 569 Gulden ! Deutlicher können Macht und Einfluß nicht in Zahlen gefaßt werden. Nun kam es für Wallenstein darauf an, seinen Besitz zu sichern. Am 9. Juni 1623 heiratet der nunmehr reichste Mann Böhmens Isabella Katharina von Harrach .
Isabella von Waldstein geb. von Harrach
                        Zweite Frau Wallensteins

Der Vater der Braut ist einer der einflußreichsten Berater am kaiserlichen Hof. Der gesellschaftliche Aufstieg ist nun nicht mehr aufzuhalten: drei Monate nach der Heirat wird Wallenstein in den Fürstenstand erhoben. Sechs Monate später erhebt der Kaiser Friedland zum Fürstentum und zum Erblehn. Im Juni 1625 wird Wallenstein zum Herzog ernannt. (Im Hinblick auf die Ernennung zum Herzog gibt es unterschiedliche Interpretationen: einige Quellen behaupten, Wallenstein hätte sich auf Grund der Privilegien, die ihm der Fürstentitel verlieh, selbst zum Herzog ernannt. Das ist falsch. Vor einigen Jahren wurden im Archiv des Schlosses von Münchengrätz zwei Truhen gefunden, die unter anderem sämtliche Privilegien enthielten, die Wallenstein je vom Kaiser erhielt. Darunter war auch dei Ernennungsurkunde zum Herzog von Friedland.) Dieser gesellschaftliche Höhenflug war jedoch nicht ausschließlich auf den Einfluß seines Schwiegervaters bei Hofe zurückzuführen. Bis Ende 1623 hatte Wallenstein dem Kaiser 5,5 Millionen Gulden vorgestreckt...

Wie auch immer, die Neider ließen nicht lange auf sich warten, zumal es auch auf der militärischen Karriereleiter steil aufwärts ging. Wallenstein war der Favorit des Kaisers und reicher als der alte deutsche Adel. Erste Anzeichen deuteten schon daraufhin, mit wem es Wallenstein innenpolitisch in nächster Zeit zu tun haben wird: Maximilian, Kurfürst von Bayern, Vetter des Kaisers, sprach von ihm als den "böhmischen Bauern".

Aus diesen Worten sprach nicht nur das frustrierte blaue Blut, sondern der unbefriedigte, fast krankhafte Ehrgeiz Maximilians und die ungestillte Sucht nach Anerkennung. Es sprach aber auch der machtbesessene einflußreiche Mann, dessen körperliche Nachteile auch die neueste französische Mode nicht kaschieren konnte. Noch konnte allerdings die Fistelstimme Maximilians Wallenstein nichts anhaben, denn 1625 war das Jahr, in dem sich im europäischen Rahmen für das Haus Habsburg Gewitterwolken am militärischen Himmel zusammenzogen. Die Anhänger des abgesetzten und geächteten Friedrich von der Pfalz, Mansfeld , Christian von Braunschweig und der Markgraf von Baden-Durlach machten mit ihren Kriegszügen dem alten Tilly das Leben schwer und laugten die Kriegskasse Maximilians aus.

In dieser Situation bot Wallenstein dem Kaiser an, ein Heer von 50.000 Mann auf eigene Kosten aufzustellen. Quartiere und Verpflegung sollten nach dem Motto geregelt werden: "Der Krieg ernährt den Krieg". Wallenstein verlangte vom Kaiser nur die Bezahlung des Soldes.

Am 1. Juli 1625 wurde ihm der Oberbefehl über das zu bildende kaiserliche Heer übertragen. Ende 1625 stehen bereits 62.000 Mann unter Waffen; ein Jahr später sind es bereits 110.000 Mann. Die Kommandospitzen besetzt er mit kriegserfahrenen Offizieren, die ihm aus ganz Europa zulaufen. Dabei ist es Wallenstein, zum Mißfallen des erzkatholischen Kurfürsten von Bayern, völlig gleichgültig, welcher Konfession sie angehören. Posten und Beförderung richten sich nur nach Qualifikation und Leistung. Wallenstein sieht jetzt seine ungewöhnliche Karriere bestätigt durch die Voraussagen eines Horoskopes , das er im Jahre 1608 dem Astrologen Kepler in Auftrag gegeben hat . Für den heutigen Betrachter, der Kenntnis über Wallensteins Leben besitzt, ist die Genauigkeit der astrologischen Analyse seiner Persönlichkeit und die Voraussage seines weiteren Lebensweges schon verblüffend. Sein Horoskop formuliert zukünftige Entwicklungen seiner Karriere und seiner finanziellen Verhältnisse:

"Dann sich nebens auch bei ihm sehen lasset großer Ehrendurst und Streben nach zeitlichen Dignitäten (Würden, Ehren) und Macht, dadurch er sich viel großer schädlicher, öffendlicher und heimlicher Feind machen, aber denselben meißtenteils obliegen und obsiegen wird, ..... derohalben kein Zweifel ist, sofern er nur der Welt Lauf in Acht nehmen wird, wird er zu hohen Dignitäten, Reichtum und nachdem er sich zu einer Höflichkeit schicken würde, auch zu stattlicher Heirat gelangen."

Andererseits werden Charaktereigenschaften offengelegt, die in ihrer Deutlichkeit keinem Auftraggeber gefallen können. Beispielsweise schreibt Kepler an einer Stelle über den ihm damals noch unbekannten Auftraggeber, daß er:
"unbarmherzig, ohne brüderliche und eheliche Lieb, niemand achtend, nur sich und seinen Wollüsten ergeben, hart über die Untertanen, an sich ziehend, geizig betrüglich, ungleich im Verhalten, meißt stillschweigend, oft ungestüm auch streitbar, unverzagt, weil Sonne und Mars beisammen, sowie Saturnus die Einbildung verderbt, so daß er oft vergeblich Furcht hat."

Richtig ist, daß Wallenstein verschlossen, melancholisch, argwöhnisch, launisch, streitsüchtig und ohne Freunde in den historischen Quellen geschildert wird. Wallenstein wird in diesem Horoskop - entsprechend seiner Vorurteile - die Realität bestätigt gefunden haben. Aus heutiger Sicht sollte man sich hüten, diese Einstellung zur Astrologie arrogant aus der Sicht angeblichen Aufgeklärtheit und Überlegenheit eines modernen Zeitalters zu beurteilen.

Es gibt bei der Durchsetzung politischer Strategien immer Situationen, die sich nicht mit rationalen Methoden lösen lassen, weil bestimmte Entscheidungsgrößen nicht exakt bewertet werden können. Wenn in solchen Situationen trotzdem entschieden werden muß, könnte die Entscheidung theoretisch auch durch Würfeln gefällt werden. Wichtig ist nur, daß in einem definierten Zeitraum überhaupt eine Entscheidung fällt. Diese Erkenntnis haben mit Sicherheit auch Entscheidungsträger des 17. Jahrhunderts, also auch Wallenstein, besessen. Nur: statt zu würfeln, haben sie die Sterne befragt.

Problematisch werden solche Einstellungen erst dann, wenn der Einfluß der Sterne oder der Faktor Zufall nicht mehr nur auf die nicht mehr rational bewertbaren Entscheidungsfelder begrenzt wird, sondern damit die Unfähigkeit, Probleme zu erkennen und zu lösen, kaschiert werden soll. Die Dummheit oder Unfähigkeit der Entscheidungsträger wird dann als Schicksal, Macht der Sterne oder Vorsehung definiert.

In den folgenden Jahren bis 1630 standen die Sterne für Wallenstein gut. Natürlich gab es "gute Freunde", die seiner Karriere Steine in den Weg legten, Zuträger, die jedes Gespräch, das er führte, nach München oder Wien weiterleiteten, und Kurfürsten wie Maximilian von Bayern, die es für unhaltbar fanden, daß ein Mann wie Wallenstein sein Ohr öfter dem Astrologen lieh als dem Wort der Kirche. Dabei übersah der fromme Maximilian geflissentlich, daß Wallenstein zwar dem Aberglauben frönte, aber in seinem Machtbereich nie Hexenverbrennungen veranlaßte, wie sie im Dunstkreis der bayerischen Frömmelei gang und gäbe waren.

Aber alle heimlichen Feinde Wallensteins mußten sich in den kommenden Jahren entscheiden, ob sie ihn bekämpfen oder mit ihm ihre Erblande und Privilegien sichern wollten. Denn diese waren durch eine neue antihabsburgische Allianz gefährdet. Die bisher unbeteiligten norddeutschen Fürsten befürchteten nicht ohne Grund eine verstärkte Rekatholisierung ihrer Besitzungen. Die bisherigen Klöster und Stifte wurden, entgegen dem geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens von 1555 durchweg von protestantischen "Administratoren" verwaltet. (Christian von Braunschweig, der "tolle Halberstädter", ist ein typischer Vertreter dieser Administratoren. Selbst, außer dem anerzogenen Haß auf die Katholiken, ohne Eignung für die Verwaltung eines Bistums, war er doch mit diesen Pfründen finanziell abgesichert; - solange sie nicht dem Gegner in die Hände fielen. So wurden diese Kirchengüter im Laufe der Jahre, wie selbstverständlich, in eine gute Versorgungsbasis der Fürstensöhne umgewandelt.)

Der Dänenkönig Christian IV. versuchte mit Unterstützung der protestantischen norddeutschen Fürsten und dem Geld der Niederlande die vermeintliche Schwäche des Kaisers zur Grenzkorrektur seines Reiches zu nutzen. Unter dem Vorwand der "Rettung der Teutschen Freiheit" marschierte sein Heer nach Süden; unterstützt von Mansfeld, Christian von Braunschweig und dem geächteten böhmischen Grafen Thurn. Daß Christian überhaupt militärische Erfolge erzielen konnte, war den Eifersüchteleien zwischen Wallenstein und Tilly zuzuschreiben. Erst durch die koordinierten Aktionen in den Jahren 1626/1627 wurde Christian aus Holstein, Mecklenburg und Pommern vertrieben, nachdem Wallenstein am 25. April 1626 den Grafen Mansfeld an der Dessauer Elbbrücke vernichtend schlagen konnte. Bei einem vergeblichen Versuch, ins Eichsfeld vorzustoßen, wird Christian in der Schlacht bei Lutter (in der Nähe von Goslar) von Tilly geschlagen und muß mit dem Kaiser den Frieden von Lübeck schließen.

In Wien und München läuteten die Siegesglocken. Der Fehler der mecklenburgischen Herzöge, sich bedingungslos dem Dänenkönig angeschlossen zu haben, kostete sie das Land und ihre Adelstitel.

Das Herzogtum Mecklenburg
nach einer Karte aus dem Jahre 1647

(Ein Click vergrößert das Bild)

Gewinner war wieder einmal Wallenstein. Neid, Wut und Empörung machten sich unter den deutschen Fürsten und den Spaniern breit, als am 11. März 1628 alle Titel und Privilegien der mecklenburgischen Herzogtümer auf Wallenstein übertragen wurden. Der spanische Botschafter schrieb:"Der Herzog (Wallenstein) ist so mächtig, daß man ihm fast dankbar sein muß, wenn er sich mit einem Land wie Mecklenburg begnügt." Außerdem erhielt Wallenstein den etwas futuristischen Titel "General des Ozeanischen und Baltischen Meeres". Der Titel "Herzog von Friedland und Sagan" war da schon etwas handfester.

Wallensteins Heer hatte inzwischen eine Stärke von 130.000 Mann erreicht. Der Kaiser und sein oberster Heerführer standen auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Beide hatten ihre festen Vorstellungen, wie die Macht des Kaisers zu festigen sei. Der Kaiser als selbsternanntes Haupt der Gegenreformation in Deutschland, wollte seine Macht nutzen, um endlich den Einfluß des protestantischen Glaubens nicht nur zu beschränken, sondern zurückzudrängen. Bestärkt wurde er dabei in seinem Eifer durch Maximilian von Bayern und seinem Beichtvater Lamormaini.

Am 6. März 1629 unterschrieb der Kaiser einen Erlaß, der als Restitutionsedikt in die Geschichte einging. Das Restitutionsedikt verlangte die Rückgabe sowohl aller kirchlichen Güter, die seit 1552 durch den Passauer Vertrag, als auch aller reichsunmittelbaren geistlichen Güter, die seit 1555, dem Jahr des Augsburger Religionsfriedens, in protestantischen Besitz gekommen waren. Das bedeutete praktisch eine Rekatholisierung aller nordeutschen und zahlreicher süddeutscher Bistümer, Abteien und Klöster.

Das Edikt war eine offene Herausforderung an die protestantischen Fürsten, die dadurch in ihrer Existenz gefährdet waren. Immerhin hätten sie 2 beschlagnahmte Erzbistümer, 12 Bistümer und 500 Abteien wieder dem katholischen Klerus übereignen müssen.

Dieser scheinbare Höhepunkt der kaiserlichen und katholischen Macht und das selbstherrliche Verhalten Wallensteins provozieren ein geschlossenes Auftreten der Fürsten im Kampf um ihre Privilegien. Wallensteins Strategie zur Festigung der kaiserlichen Macht hatte dieser selbstbewußt und unvorsichtig mit folgenden Worten beschrieben: "Man braucht keine Fürsten und Kurfürsten mehr, es ist Zeit, denselben das Gasthütel abzuziehen; wie in Hispanien und Frankreich Ein König ist, also soll auch in Deutschland nur ein Herr allein seyn." Andere Quellen behaupten, Wallenstein wollte den Fürsten nicht nur "das Gasthütel abziehen", sondern ihnen sogar "ihre Köpfe vor die Füße legen"!

Allerdings lehnte Wallenstein das Restitutionsedikt ab. Wallenstein hatte durch seinen Feldzug gegen den König von Dänemark die nördlichen Fürsten in politische Abhängigkeit gebracht. Es erschien ihm mit Recht völlig sinnlos, die protestantischen Mächte Europas herauszufordern und sich überflüssigerweise in Religionsangelegenheiten einzumischen. Nach der Schlacht bei Lutter soll er unvorsichtigerweise geäußert haben, daß er der Kirche keine weiteren Abteien zurückerobern wolle, bevor sie nicht bessere Männer zu ihrer Besetzung habe. Dadurch stand der mächtige Wallenstein plötzlich zwischen allen Fronten: bei den Spaniern machte er sich durch die Ablehnung des zu diesem Zeitpunkt politisch völlig unnötigen Restitutionsedikts verdächtig, und bei den deutschen Fürsten stießen seine Pläne zur Stärkung der kaiserlichen Zentralgewalt auf Widerstand.

Auf dem Regensburger Reichstag 1630 machten sich die aufgestauten Ängste und der Ärger der Fürsten Luft. Eigentlich wollte Ferdinand den Reichstag dazu benutzen, seine Macht zu sichern und seine Nachfolge zu regeln. Nach ihm sollte sein Sohn Ferdinand III. den Kaiserthron besteigen. Dazu benötigte der Kaiser die Zustimmung der Kurfürsten.

Das Wappen Wallensteins
Das Wappen Wallensteins
nach seiner Erhebung
zum Herzog von Mecklenburg
In der Zeit vor und während des Reichstages machte Maximilian von Bayern seinen gesamten Einfluß geltend, um den weiteren Aufstieg Wallensteins und die zunehmende Macht Ferdinands zu stoppen. Bereits siebzehn Tage nach der Erhebung Wallensteins zum Herzog von Mecklenburg beschwerte sich der Kurfürst von Mainz im Namen des Fürstenkollegiums und erklärte nachdrücklich, daß er die Wahl des Erzherzogs zum Thronfolger Ferdinands nicht garantieren kann, solange Wallenstein Oberbefehlshaber des gesamten kaiserlichen Heeres bleibt.

Der Kaiser hatte zwei Trümpfe, um seinen Forderungen und Wünschen Nachdruck zu verleihen: Wallenstein und das Restitutionsedikt. Mit der Entlassung Wallensteins konnte er die katholischen Fürsten, allen voran den Kurfürsten von Bayern zufriedenstellen; mit dem Zurückziehen des Restitutionsedikts hätte er die protestantischen Fürsten gewinnen können. Im Sommer 1630 war kein Krieg in Deutschland; Ferdinand entschloß sich deshalb zunächst Wallenstein zu opfern, zumal die Fürsten ständig Beschwerde führten über Wallensteins Eigenmächtigkeiten, Zinserpressungen und Plünderungen. Was Ferdinand allerdings dabei gewissentlich übersah: die 60.000 Gulden für die Reise nach Regensburg hatte er sich von Wallenstein geliehen...

Im Juli 1630 zwangen die deutschen Fürsten den Kaiser auf dem Reichstag zu Regensburg, Wallenstein als Oberbefehlshaber zu entlassen und das kaiserliche Heer auf 40.000 Mann zu begrenzen. Wallenstein hielt sich während dieser Zeit mit großem Gefolge in Memmingen auf. Er war sich der drohenden Gefahr bewußt, als er äußerte:
"Ich habe mehr Krieg mit etlichen Ministern als mit allen den Feinden".

Für alle überraschend war er bereit, seinen Abschied zu nehmen, wenn es der Kaiser persönlich wünsche. Denn - so wies Wallenstein anhand einer Sternkarte nach - der Kaiser stehe unter dem Einfluß seines Schwagers Maximilians, und gegen Gesetze des Himmels kann man sich nicht wehren...
Der Kaiser wünschte seinen Abschied und Wallenstein zog sich auf seine böhmischen Güter zurück, nachdem er die Überbringer der kaiserlichen Entscheidung noch reich beschenkt hatte.

Was dem Kaiser jedoch auch mit der Entlassung Wallensteins nicht gelang, war die Regelung der Nachfolgefrage und die Rückzahlung der Reisekosten an Wallenstein. Lediglich Maximilian von Bayern hatte sein Ziel erreicht: der "böhmische Bauer" war scheinbar mattgesetzt. Zweifellos bedeutete die Entlassung aus den kaiserlichen Diensten für Wallenstein subjektiv eine schwere Enttäuschung.

Aber er wußte, daß ihn der Kaiser bald wieder brauchen wird, denn der König von Schweden war am 6. Juli 1630 in Pommerm gelandet!

Wallenstein hatte nun Zeit, seine Geschäfte neu zu regeln, denn sein Finanzier, Hanns de Witte hatte Bankrott gemacht und Selbstmord begangen. Er regelte die Geschäfte so gut, daß er nach seiner Entlassung jährlich immerhin sechs Millionen Taler Einkünfte hatte! Er steigerte die landwirtschaftliche Produktion durch Einführung der Lohnarbeit, betrieb Bergbau und ließ Manufakturen für die Produktion von Waffen und Uniformen einrichten. Wallenstein hat vielleicht als erster europäischer Fürst einen ausschließlich für Kriegszwecke organisierten Staat aufgebaut.

Wallenstein lebte in Friedland nie einsam und zurückgezogen. Eine intensive Korrespondenz informierte ihn über alle Aktivitäten im Reich; dänische, polnische, englische Gesandten gingen ein und aus; Ferdinand eröffnete ihm schriftlich kaiserlichen Kummer und seine ehemaligen Offiziere beklagten sich bei ihm über Schlampereien im kaiserlichen Heer und hofften sehr auf eine baldige Rückkehr ihres "Soldatenvaters". Er wurde umworben, ihm wurde geschmeichelt und sein Ruhm und die damit verbundenen diplomatischen Einflußmöglichkeiten eröffneten ihm politische Macht ohne die Last der Verantwortung. Wahrscheinlich hat sich Wallenstein in seinem Leben nie wohler gefühlt als in diesen sechzehn Monaten.

Währenddessen war der schwedische König Gustav Adolf in seinem protestantischen Sendungsbewußtsein bestärkt worden und fest entschlossen, neben der Stärkung und Verteidigung des Protestantismus in Deutschland auch die Vorherrschaft über die Ostsee durch zusätzliche Okkupation norddeutscher Länder zu sichern. Im Kampf mit Polen und Rußland war es ihm gelungen, Karelien, Livland, Memel, Pillau und Elbing der schwedischen Krone anzuschließen. Solange Wallenstein Einfluß nehmen konnte, war ihm das schwergefallen. Wallenstein unterstützte nämlich den Polenkönig militärisch im Kampf degen die Schweden. Mit der Besetzung Pommerns, wie sie Gustav Adolf plante, sollte der Schlußstein seines Reiches gesetzt werden. Sein Ziel war zunächst ein schwedisches Ostseereich mit der sich daraus ableitenden wirtschaftlichen Überlegenheit durch die Beherrschung der Flußmündungen der Düna, Memel und Oder.

Gustav Adolf war ein überzeugter Lutheraner und im Bündnis mit Frankreich, das die zunehmende kaiserliche Macht mit äußerstem Mißtrauen beobachtete. Aber trotz starker religiöser Überzeugungen verlor der schwedische König nie die Machtinteressen seines Staates aus den Augen. Die Protestanten Norddeutschlands hatten nach seiner Meinung nur die Wahl zwischen dem schwedischen und dem kaiserlichen "Dominat". Allein sind sie, und da hatte Gustav Adolf recht, nicht in der Lage, ihre religiösen (und Macht-) Interessen zu verteidigen. Zunächst entscheiden sich die protestantischen Fürsten - außer dem Kurfürsten von Brandenburg - für die Unterstützung des Schwedenkönigs.

In Wien wurde den Aktivitäten des "Schneekönigs" zunächst wenig Bedeutung beigemessen. Ferdinand II. äußert in völliger Verkennung der Gefahr und der Stimmung der norddeutschen Fürsten: "Ein Feinderl mehr!". Aber 1632 steht dieses "Feinderl" vor den Toren Münchens und die mit ihm verbündeten Sachsen vor Prag! Tilly, die einzige militärische Hoffnung des Reiches war in der Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631 von Gustav Adolf geschlagen und in der Schlacht am Lech (15. April 1632) tödlich verwundet worden. Bayern und Österreich sind offen für die Schweden, Maximilian und Ferdinand in Bedrängnis. Mit der von ihnen erzwungenen Entlassung Wallensteins auf dem Regensburger Reichtag hatten die deutschen Fürsten zwar ihre "Libertät" gegenüber dem Kaiser gesichert, waren aber vom Regen in die Traufe gekommen.

In dieser für ihn verzweifelten Lage vergaß der Kurfürst von Bayern (und nunmehr auch der Pfalz) alle Vorurteile gegen Wallenstein und drängte den Kaiser, Wallenstein als neuen Oberbefehlshaber des Heeres - oder was davon übrig war - zu berufen.

Nach langem, taktischen Zögern übernahm Wallenstein am 15. Dezember 1631 den Oberbefehl zunächst nur für drei Monate, denn schon damals bekundete der Kaiser seine Absicht, auch seinen Sohn, Ferdinand III. mit einem zumindest gleichwertigen Kommando zu betrauen. Daß dieser Plan nicht gut gehen konnte, hätte der Kaiser schon aus dem stets gespannten Verhältnis zwischen Wallenstein und Tilly erkennen müssen. Wallenstein stellte in dieser Übergangszeit alle Weichen für eine endgültige Rückkehr - zu seinen Bedingungen. Er griff Gustav Adolf nicht sofort und direkt an, sondern beschränkte sich darauf, die Sachsen aus Böhmen zu drängen und die Nachschubwege der Schweden zu bedrohen.

Militärisch ließ sich Wallenstein Zeit. Wichtiger erschien es ihm zunächst, die Heeresorganisation neu aufzubauen und die Verpflegung seines zukünftigen Heeres zu sichern. Er machte nicht nur seine Güter um Friedland, sondern sein gesamtes Einflußgebiet zu einem Lagerhaus für Lebensmittel, Bekleidung und Waffen. Diplomatisch geschickt beriet er mit den Kriegsräten in Wien seinen Feldzugsplan und beförderte acht von ihnen auf einen Schlag zu General-Wachtmeistern. Mit Maximilian von Bayern verhandelte er in vertraulichster Weise, wohl wissend, daß der Bayernfürst durch den Tod Tillys bedingungslos auf ihn angewiesen war.

Die Situation verschlechterte sich für Maximilian dramatisch, als Gustav Adolf Mitte Mai 1632 vor München stand. Wallenstein hatte sich auf Drängen des Kaisers doch noch am 14. April 1632 dazu "überreden" lassen, den Oberbefehl über die kaiserlichen Truppen zu übernehmen; - mit unbeschränkten Vollmachten! Er tat es nicht nur der Freundschaft wegen zu seinem Kaiser; er mußte bei dem unaufhaltsamen Vormarsch der Schweden auch um seine Besitzungen fürchten. Und er hatte Bedingungen durchgesetzt, die zwar durch kein geschichtliches Dokument nachzuweisen sind, aber Gerüchten zufolge hatte Wallenstein nicht nur unbeschränkte Gewalt über sein Heer (das schloß auch den Oberbefehl oder eine Einmischung des Erzherzogs aus), sondern war auch legitimiert, Friedensverhandlungen zu führen und Verträge zu schließen, wann und wo er wollte. Ihm wurden die Oberlehnsrechte über die eroberten Gebiete übertragen. Damit konnte er abzusehende Ansprüche seiner Feldherren befrieden. Wallenstein verlangte außerdem das unbeschränkte Recht, Güter zu konfiszieren oder Güterbegnadigung auszusprechen, und er erhielt die Option, sein Heer auch durch Erblande zu führen beziehungsweise dort einzuquartieren.

Im Grunde hatte Wallenstein die absolute, unabhängige militärische und Rechtshoheit erlangt.

Um für zukünftige Verhandlungen u.a. mit Sachsen und Brandenburg mögliche Vorbehalte protestantischer Fürsten vorzubeugen, erwirkte er vom Kaiser die Aufhebung des Restitutionsediktes. Als Belohnung wurden Wallenstein habsburgische Länder und die Kurwürde versprochen. Ob es tasächlich die böhmische Krone war oder die brandenburgische oder Pfälzer Kurwürde, ist nicht bekannt. Ihm wurde bestätigt, daß bei Friedensschluß Mecklenburg wieder an ihn fallen wird, und er erhielt bis dahin das Fürstentum Groß Glogau als Pfand.

Wallensteins Bedingungen zeigen die verletzte Ehre eines enttäuschten Freundes, und sie zeigen weiter, daß er kein Vertrauen mehr zum Kaiser hatte. Bei objektiver Betrachtung dieses Kataloges der Erpressungen muß man sich fragen, welche Rechte dem Kaiser noch verblieben. Die scheinheilige Entrüstung der in ihren Ansprüchen zu kurz gekommenen Parasiten des Hofes kann man sich unschwer ausmalen.

Die vom Kaiser bewilligten Bedingungen Wallensteins hatten jedoch auch ihre Kehrseite: Das Diktat Wallensteins war ein Programm des politischen Selbstmordes. Es war völlig unmöglich, daß sich ein deutscher Kaiser auf Dauer durch ein Diktat so sehr demütigen lassen würde. Folglich bedurfte es nur eines Fehlers Wallensteins, einer militärischen Niederlage von ihm oder eine unvorsichtig eingeleitete diplomatische Aktivität, und seine Person war zum politischen Abschuß freigegeben.

Vorerst mußte Wallenstein handeln. Schon am 14. Mai 1632 ließ er Prag stürmen. Ende des Monats war Böhmen von allen Feinden befreit. Ende Juni umarmten sich Wallenstein und Maximilian scheinheilig beim Zusammentreffen ihrer Heere vor Nürnberg, um gemeinsam den Schwedenkönig auszuhungern. Zum Erstaunen Maximilians griff Wallenstein die Verstärkung der Schweden nicht an, sondern verschanzte sich bei der alten Festung Zörndorf. Er wußte, daß die Lebensmittel knapp wurden; aber im Gegensatz zu Gustav Adolf konnte er sich den Verlust eines Heeres leisten. Gustav Adolf versuchte vergeblich das Lager Wallensteins zu stürmen. Der Hunger zwang ihn, in Richtung Süden abzuziehen.

Zum Entsetzen Maximilians hinderte Wallenstein den Schweden nicht daran, sondern zog nach Norden, um die Schweden endgültig von ihren Nachschublinien abzuschneiden und sie somit am Einfall nach Österreich zu hindern. Außerdem beabsichtigte er mit seinem Plan, den sächsischen Kurfürsten Johann Georg militärisch zu einer Vereinbarung zu zwingen, die mindestens die militärische Neutralität gewährleistete oder das Bündnis mit den Schweden aufkündigte. Er forderte seine Generäle Holk und Pappenheim auf, sich ihm auf seinem Marsch anzuschließen. Die Verteidigung Bayerns überließ er Maximilian...

Diese Strategie Wallensteins zwang den Schweden, seinen ursprünglichen Plan, nach Österreich vorzustoßen, aufzugeben. Die unzuverlässigen Sachsen und Wallenstein im Rücken stellten ein zu großes Risiko dar. Außerdem wurde ihm zugetragen, daß Arnim schon mit dem Feind im Einvernehmen stünde und Johann Georg im Rausch geäußert habe, er habe das gefährliche Bündnis mit den Schweden satt... Das schwedische Heer kehrte um und marschierte Wallensteins Truppen hinterher. Dieser Marsch nach Norden führte die Schweden durch Gebiete, die bereits von den Kaiserlichen heimgesucht wurden.

Entsprechend war auch die Kampfkraft und Moral der schwedischen Truppen, als beide Heere in der Ebene bei Lützen, unweit von Leipzig am 16. November 1632 aufeinander trafen. Gustav Adolf hatte nur noch 16.000 kampffähige Männer. 4.000 Pferde waren auf dem Marsch verendet. Wahrscheinlich war es der entscheidende Fehler, den Wallenstein (s. Anmerkung 4) und seine Offiziere begingen, als sie annahmen, daß unter diesen offensichtlichen Mangelerscheinungen im schwedischen Heer kein Angriff zu erwarten sei. Anders ist die befohlene Aufsplittung und mangelnde Koordination der nunmehr dezentralisierten kaiserlichen Heeresteile nicht zu erklären. Pappenheim wurde in die Richtung Halle, Merseburg, Aschersleben befohlen; Holks Auftrag war bis nach Westfalen vorzustoßen, Oberst Hatzfeld marschierte Richtung Eilenburg und General Colloredo Richtung Weißenfels. Aldringer sollte in Süddeutschland Rekruten ausheben. Später werden diese Befehle von seinen Zeitgenossen entweder als Verrat oder als Geistesschwäche ausgelegt. In einer Schmähschrift aus dem Jahre 1634 heißt es: "...obzwar der Friedländer gute Gelegenheit gehabt...den Feind anzugreifen, hat er doch vermeint, es müsse sich auch der Feind nach seinem Kopfe richten und gleichfalls mit ihm einen Stillstand halten...". So wie sich die Dinge in der Analyse der Geschichtsschreibung seit nunmehr dreihundert Jahren darstellen, kann Verrat zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen werden. Verfolgt man weiterhin das Verhalten Wallensteins in den Monaten nach der Schlacht bei Lützen und betrachtet die sich verändernden Schriftzüge seiner Unterschriften dieser Zeiträume, bieten sich erschütternde Schlußfolgerungen einer sich in kurzer Zeit verändernden Persönlichkeit an.

Zunächst zurück zur Situation, wie sie sich Wallenstein am Nachmittag des 15. Novembers 1632 darstellte: erst zu diesem Zeitpunkt hatte Wallenstein vom Anmarsch des schwedischen Königs erfahren. Die Schweden hatten tags zuvor einige von Collältos Kroaten gefangen genommen und durch sie erfahren, daß Pappenheim in Richtung Halle abkommandiert war. Sofort rückte Gustav Adolf vor und überraschte die kaiserlichen Truppen am Abend vor Lützen. Es war schon zu spät für einen Angriff und Wallensteins Truppen arbeiteten die ganze Nacht hindurch, um Gräben und Verschanzungen aufzuwerfen. Im Fackelschein bezogen sie in den frühen Morgenstunden ihre Stellungen; ungefähr eineinhalb Kilometer von Gustav Adolfs Truppen entfernt.

Wallenstein stellte seine Truppen nach alter spanischer Manier auf: das Fußvolk im Zentrum, vor diesem die Geschütze und die Reiterei auf den Flügeln. Da Pappenheims Kürassiere und dessen Fußtruppen fehlten, hatte Wallenstein zu Beginn der Schlacht nur höchsten 15.000 Mann zur Verfügung, die, wie er später zugab, auch noch schlecht bewaffnet waren. Um seiner Armee, oder besser gesagt das, was davon zur Verfügung stand, ein besseres Aussehen zu geben, ließ er die mit seinem Heer ziehenden Zivilisten aus der Stadt treiben, gab ihnen ein paar Standarten und ließ sie in losen Karrees vor der Front aufstellen, in der Hoffnung, daß sie die Schweden bei dem trüben Wetter als mächtige Reserve halten würden.

Die Schweden ordneten ihre Truppen in kleinen beweglichen Karrees an, wie sie sich schon in der Schlacht bei Breitenfeld bewährt hatten. Der König befehligte den rechten Flügel, Bernhard von Sachsen-Weimar den linken.

Der Tag war trüb, und ab acht Uhr machten die Schweden zwei schwache vergebliche Versuche, Wallenstein aus seiner Stellung herauszulocken. Um zehn Uhr wurde es neblig und plötzlich griff Gustav Adolf die Holkschen Reiter an. Die kaiserlichen Musketiere wurden aus ihren Verteidigungsgräben geworfen und die Reiter Holks wurden bis zu ihren Batterien zurückgedrängt. Die "Reserven" der Zivilisten verursachten in ihrer verzweifelten Flucht ein zusätzliches Chaos und ließen Troß und Zugpferde zurück. Während Pappenheims Truppen in Halle plünderten, übergab ein eiligst dorthin entsandter Kurier Pappenheim den Befehl zum sofortigen Rückzug nach Lützen mit folgendem Wortlaut:
Der Brief Wallensteins
an Pappenheim

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"Der feindt marchirt hereinwarths, der herr lasse alles stehen undt liegen undt incaminire sich herzu mitt allem volck undt stücken auf das er morgen früe bey uns sich befünden kan, ich aber verbleibe hiemitt des herrn dienstwilliger A.h.z.F. (Albrecht Herzog zu Friedland) Lützen, den 15. Novemb. Anno 1632. Er ist schon an dem pas wo gestern der lastweg gewest ist."

Dieser mit dem Blute Pappenheims getränkte Brief liegt heute im Heeresgeschichtlichen Museum von Wien. Soweit man plündernden Soldaten des 30jährigen Krieges Befehle erteilen konnte, - Pappenheim gelang es mit 8.000 Kürassieren Wallenstein zu Hilfe zu eilen. (Andere Quellen sprechen von nur 3.000, was wahrscheinlicher ist.) Um die Mittagszeit trafen Pappenheims Kürassiere auf dem Schlachtfeld ein und drängten die Schweden aus den von ihnen unter großen Verlusten eroberten Gräben. Bei diesem Angriff erhielt Pappenheim einen Lungenschuß, an dessen Folge er erstickte..

Als seine Kürassiere den verwundeten Pappenheim erblickten, wendeten sie die Pferde. Verdiente Offiziere, wie Oberst Bönninghausen, Oberstleutnant Hofkirch und all die anderen demonstrierten mit ihrer Flucht, welchen ungeheuren Einfluß eine Persönlichkeit, wie Pappenheim auf die Kampfmoral der Truppe gehabt haben muß.

Pappenheim war zwar rücksichtslos gegen seine Mannschaft, anmaßend, aber unermütlich und tapfer. Er war durch seinen sprichwörtlichen Mut zum Abgott seiner Soldaten geworden. Der Umstand, wie Pappenheim Wallenstein bewunderte und verehrte, beeindruckte die Truppen mehr als die Persönlichkeit Wallensteins selbst. Wallenstein verdankte seine Macht ausschließlich seinem Heer. Insofern war der Tod Pappenheims für ihn ein unersetzlicher Verlust. Es gab jetzt keinen verläßlichen Partner, der Wallensteins Vorstellungen und Pläne im Offizierskorp umsetzen konnte.

Ungefähr um die gleiche Zeit, zu der Pappenheim fiel, wurde auch Gustav Adolf tödlich getroffen. Die genauen Umstände sind bis heute unklar und geben stets genügend Anlaß zu Spekulationen. Fakt ist nur, daß gegen Mittag das herrenlose Pferd des Schwedenkönigs mit einer Halswunde wild über das Schlachtfeld galoppierte. Piccolomini will noch den verwundeten König am Boden liegend gesehen haben; Holk verbreitete die Nachricht unter den Kaiserlichen. Die Schweden stritten zunächst den Tod ihres Königs ab, aber da er nicht mehr kommandierte, übernahm Bernhard von Sachsen-Weimar den Oberbefehl über das schwedische Heer.

Obwohl einer der schwedischen Anführer, Knyphausen, Bernhard rät, die Schlacht nach dem Tode des Königs abzubrechen, zeigt sich Bernhard hier als geschickter Psychologe. Er ruft die Soldaten zur Rache auf und zum Kampf um den toten Körper des Königs. Weitere sechs Stunden wird der Kampf verbissen geführt.

Es gelingt Bernhard, das Schlachtfeld zu behaupten. Generationen von Historikern beschäftigten sich seitdem mit der Frage, wer der eigentliche Sieger der Schlacht war. Jede Seite beanspruchte damals, und in der Literatur auch noch heute, den Sieg für sich.

Nach den damaligen Regeln hatte die Kriegspartei die Schlacht verloren, die entweder als erste das Schlachtfeld verließ, oder die Kanonen dem Feinde überlassen mußte. Bei Lützen konnten die Kaiserlichen die Kanonen am Abend nach der Schlacht nicht fortschaffen, weil sie keine Packpferde mehr besaßen. Die Schweden ihrererseits waren so erschöpft, daß sie in der Nacht nach dem Kampf vor Entkräftung auf dem Schlachtfelde einschliefen.

In einem Schreiben von kaiserlicher Seite hieß es: "Sind beide Armeen wie zween beißende Hahnen voneinander geschieden, daß man also nicht recht sagen kann, ob einer oder der andere Teil das Feld erhalten (konnte)".

Wahrscheinlich ist, daß über den Ausgang und die historische Wertung der Schlacht, wie so oft, der Zufall entschied. Auch die Schweden berieten bereits, ob sie nach Einbruch der Nacht sich nicht doch nach Weißenfels zurückziehen sollten. Der Obrist John Henderson hatte bereits den Befehl erhalten, die Lafetten der elf eroberten kaiserlichen Geschütze zu zerstören, als sich in der Dunkelheit der Nacht ein Reiter, der den kaiserliche Obrist Albrecht von Hofkirchen suchte, hinter die schwedischen Linien verirrte.

Aud die Frage wer er sei und zu wem er wolle, antwortete er wahrheitsgemäß: zu Hofkirchen´s Regiment". Der Zufall wollte es, daß es auch bei den Schweden ein Regiment Hofkirch gab. Der Reiter übermittelte deshalb den Befehl Wallensteins, daß sich alle Kaiserlichen nach Leipzig zurückzuziehen hätten. Sofort wurde Henderson´s Befehl widerrufen, der bereits zwei Lafetten zerstört hatte. Den schwedischen Soldaten wurde der Sieg verkündet und der Befehl erteilt, auf dem Schlachtfeld zu kampieren.

Die Bilanz der Schlacht waren über 9.000 Tote und Sterbende. Für den schwedischen König als auch für seinen militärischen Gegner Wallenstein war es die letzte Schlacht; - Gustav Adolf starb auf den Schlachtfeld, Wallenstein wird später ermordet.

In Wien läuteten wieder einmal die Siegesglocken, und kaiserliche Gesandte reisten nach Prag, wohin Wallenstein zurückgekehrt war, um ihm die Glückwünsche des Kaisers zu überbringen. Wallenstein schien auf dem Höhepunkt seiner Macht zu sein; - und selbst ein Mann wie Wallenstein ließ sich von den Umständen täuschen. Denn Lützen war - unmerklich für ihn - zu einem Wendepunkt seines Lebens geworden.Noch auf dem Rückzug vom Schlachfeld erleidet Wallenstein einen Gichtanfall. (Siehe dazu
Anmerkungen zu Wallensteins Krankheit) .

In den Wochen und Monaten danach bricht seine Gesundheit völlig zusammen. Er ist ständig von Ärzten und Astrologen umgeben. In den letzten Monaten seines Lebens erscheint Wallenstein dem Betrachter rachsüchtig, unbeständig, zaghaft, krank und abergläubisch. Er war zwar schon immer der Astrologie zugewandt, aber jetzt tritt das ein, was bereits am Anfang dieser Kurzbiografie als Grenze der Akzeptanz formuliert wurde: Wallenstein entwickelt keine eigenen Strategien, der Feindschaft Wiens zu begegnen. Er benutzte die Astrologie nicht mehr als Entscheidungshilfe, sondern kaschiert mit ihren Voraussagen seine eigene Unfähigkeit, Probleme zu erkennen, zu bewerten und zu lösen. Er benutzt nicht mehr seinen sonst so klaren Verstand, sondern läßt sich von Vorhersagen der Astrologen leiten.

Das Tragische an dieser Situation ist nicht nur, daß Wallenstein durch sein Verhalten seine Souveränität und Autorität bei der Truppe verliert, sondern daß die ihn beratenden Astrologen von der Hofclique in Wien gekauft sind. (s. Anmerkung 5)
Hinzukommt, daß Wallenstein sich in dieser kritischen Periode seines Lebens nun auch mit falschen Freunden und Beratern wie seinem Schwager Trczka oder General Holk umgibt. Trczka war eine Null; Holk war ein Trinker und Grobian. Beide hatten nicht das Zeug, Wallenstein beim Heer beliebt zu machen. Wallenstein aber schloß sich völlig von der Welt ab und ließ nur noch diese beiden vor.
Im übrigen brachte sich Wallenstein im Jahre 1633 selbst mehrfach um die Achtung seiner Offiziere und Soldaten. Nachdem er in Lützen knapp einer Niederlage entgangen ist, läßt er mit unnachgiebiger Härte Soldaten und Offiziere wegen Feigheit und Verrat aburteilen. Trotz beschwörender Beschwichtigungsversuche führender Offiziere ließ er am 14. Februar 1633 in Prag dreizehn Offiziere, darunter auch solche von angesehenem Adel, und fünf Reiter öffentlich mit dem Schwert hinrichten. Die Namen von 50 fahnenflüchtigen Offizieren wurden mit allen Zeremonien militärischer Entehrung an einen Galgen genagelt; - Todesurteil in Abwesenheit!

Andererseits überhäufte er diejenigen, die sich in der Schlacht bewährt hatten: der Gesamtwert der Prämien für Tapferkeit soll sich auf fast 100.000 Gulden belaufen haben.

Diese durch die Todesurteile offen bekundete Grausamkeit stimmt mit den Geschichten überein, die man sich über ihn erzählte und die bereits im Horoskop (!) formuliert wurden. Offenbar war Wallenstein in diesen Monaten übernervös, unverhältnismäßig anmaßend und unberechenbar: so duldete er nicht, daß Offiziere mit klirrenden Sporen in sein Zimmer traten; ließ in den benachbarten Straßen Stroh auslegen, um den Lärm der Wagenräder zu dämpfen. Es wird berichtet, daß er sogar Hunde, Katzen und Hähne töten und einen Diener hängen ließ, weil der es gewagt hatte, ihn in der Nacht zu wecken. Er soll besondere Subjekte beschäftigt haben, die lautsprechende Besucher züchtigen mußten.

Diese nervöse Sensibilität scheint zu der Zeit bei Entscheidungträgern Mode gewesen zu sein: so erzählte man sich von Papst Urban VIII., daß er in seinen Gärten alle Vögel umbringen ließ, um von ihrem morgendlichen Gezwitscher nicht geweckt zu werden...

Wallensteins Stellung beim Heer wurde durch rücksichtloses Rekrutieren weiter untergraben, und zum erstenmal in seiner Laufbahn reichten seine Geldmittel nicht aus! Er verfiel auf den bewährten Ausweg, der schon andere Heere ruiniert hatte: er verkaufte Offizierspatente, ohne sich um die Eignung des Käufers zu kümmern.

Wallenstein schlägt sein Hauptquartier in Pilsen auf. Dort hatte er seine treuesten Anhänger und die ihnen unterstellten Truppen unter sich.

Der Zeitraum 1633 bis zu Wallensteins Ermordung am 25. Februar 1634 ist der spannenste Abschnitt in der Biografie Wallensteins.

Er ist zugleich - was den tatsächlichen Handlungsablauf und seine ihm unterstellten Absichten betrifft - einer der undurchsichtigsten Abschnitte in seinem Leben. Das hat verschiedene Ursachen. Einerseits hatte Wallenstein das Mandat, Verhandlungen auch mit dem Gegner eigenverantwortlich zu führen. Diese Verhandlungen wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht protokolliert.

Andererseits sind wichtige Briefe, Schriftstücke und Beweismittel sowohl von seinen Vertrauten als auch vom sterbenden Gallas vorsätzlich verbrannt worden. Hinzu kommt, und das hat Golo Mann bestätigt gefunden [3], daß Dokumente kistenweise und ungelesen sowohl in Wien als auch in Prag und Münchengrätz noch auf ihre Auswertung warten. Außerdem sollte bei der Beurteilung der historischen Quellen nicht vergessen werden, daß sie von den Überlebenden diktiert wurden, die allen Grund hatten, ihre Betrachtungsweise als die richtige und ihre Handlungsweisen als moralisch gerechtfertigt auszugeben.

Auch aus diesem Grunde sollen die folgenden Schilderungen der letzten Lebensmonate Wallensteins nur dazu beitragen, den zeitlichen, gesellschaftlichen, machtpolitischen und vor allen Dingen menschlichen Hintergrund zu beleuchten; - soweit es im Rahmen einer Kurzbiografie notwendig erschien. Sie werden nicht Wallensteins Handlungen bewerten. Das haben vorher schon Historiker, Moralisten, Politologen und Juristen mehr oder weniger erfolgreich versucht.

Vielleicht konnte Wallenstein seine Handlungen und deren Wirkungen selbst nicht mehr exakt bewerten und steuern. Alle seine hochtrabenden Pläne sind unklar angedeutet, keiner ist konsequent ausgeführt. Alles an Wallenstein ist in dieser Zeit zaghaft, unbeständig; er ist nur noch ein menschliches Wrack, lahm, gebeugt, für seine möglichen Partner nicht vertrauenserweckend; für seine Gegner ein Symbol, dessen man sich jetzt entledigen kann.

Die Gegner, das war zunächst nicht der Kaiser! Es gibt keinen Beweis für eine geplante Verschwörung gegen Wallenstein an der der Kaiser zumindestens als Mitwisser beteiligt war. Richtig aber ist, daß die spanische Krone in Wallenstein das entscheidende Hindernis sah, das den Einsatz kaiserlicher Truppen für spanische Interessen in den Niederlanden und in Italien verhinderte. Entsprechend wurde hinter den Kulissen am Hofe gegen Wallenstein intrigiert. Hinter den Kulissen, das war ein Haufen von Berufsintriganten, Feudalherren alten Stils, die glaubten, zu kurz gekommen zu sein, schlechte Ökonomen, Leibeigenenschinder, unfähige, neidische Militärs, korrupte Plünderer.

Die Gegner, das war auch der Kurfürst von Bayern, dem das Wasser durch die schwedische Bedrohung bis zum Halse stand und dessen Bevölkerung mit Gras im Munde verhungerte und den Wallenstein aus alter Feindschaft militärisch im Stich ließ.
Bayerns außerordentlicher Gesandter in Wien, Lizentiat Richel, hatte nur einen Auftrag: den Sturz Wallensteins voranzutreiben! -

Es waren auch die Reichsfürsten, denen Wallenstein den Kopf vor die Füße legen wollte und es waren in zunehmendem Maße auch seinen eigenen Offiziere, die geübt waren, in Kriegszügen zu rauben, aber nicht gewohnt waren, monatelang im Quartier ihr geraubtes Geld auszugeben und auf ihren Sold zu warten.

Die veränderte Persönlichkeit Wallensteins macht ihn in diesem Zeitabschnitts seines Lebens sowohl für seine Freunde (falls er damals noch Freunde hatte) als auch für seine Gegner unberechenbar: er macht nun nicht mehr nur taktische, er provoziert zunehmend strategische Fehler.

Offenbar hielt Wallenstein im Jahre 1632 den Zeitpunkt für gekommen, den seit 14 Jahren wütenden Krieg, bei dem es nach seiner Erkenntnis keine militärischen Sieger geben konnte, durch Verhandlungen nach seinen Plänen zum Ende zu bringen.

Der Kaiser und der Wiener Hofkriegsrat drängten ihn jedoch nach dem Tode Gustav Adolfs zu einer entgültigen Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Wallenstein schob jede militärische Konfrontation hinaus, um - wie Gerüchte behaupteten - mit Schweden und Sachsen geheime Friedensverhandlungen zu führen.
Die Verhandlungen mit Sachsen fanden mit ausdrücklicher Billigung des Kaisers statt. Mit Schweden und Frankreich verhandelte Wallenstein ohne Wissen des Kaisers!

Wallenstein war von jeher einer der meistverleumdeten Machtmenschen seiner Zeit im damaligen Europa gewesen. (s. Anmerkung 6) Nun drohten ihn allerdings die Gerüchte zu erdrücken. Ein gefährliches Gerücht belastete ihn sehr bei Hofe: die Behauptung, daß ihm die Böhmen die Königskrone angetragen hätten.

Die Gerüchte waren - wie neuere Forschungen bestätigen - nicht aus der Luft gegriffen. Im September 1633 waren die Verbündeten der antihabsburgischen Koalition bei vorbereitenden Gesprächen für Verhandlungen mit Wallenstein bereit, bei einem Übertritt in ihr Lager die ihm von den böhmischen Exilanten angebotene Königskrone anzuerkennen. (s. Anmerkung 7)

Handfeste Beweise dafür gab es dafür bei Hofe nicht, aber die Gerüchteküche brodelte, und im Dezember 1633 spitzte sich das Verhältnis zwischen Wallenstein und dem Kaiser dramatisch zu.

Anlaß war die Verweigerung eines kaiserlichen Befehls vom 14. Dezember 1633, das von den Schweden besetzte Regensburg zurückzuerobern. Im November 1633 war diese von den Bayern als strategisch wichtig angesehene Stadt durch die Truppen Bernhards von Weimar eingenommen worden. Die Bürger empfingen Bernhard mit Jubel. Die Regensburger war zumeist evangelisch und haßten die Bayerische Besatzung, die von ihnen monatlich 40.000 Gulden erpreßte. Regensburg wurde von den kaiserlichen Militärs als Tor nach Bayern und Österreich angesehen, und der sterbende Tilly hatte auf seinem Totenbett die Rettung Regensburgs angemahnt.

Die militärstrategische Bedeutung Regensburgs als Tor nach Bayern wurde immer überschätzt. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde Regensburg nur zum Anlaß genommen, um den Kaiser gegen Wallenstein aufzustacheln. Maximilian, der jetzt so sehr den Einsatz Wallensteins forderte, hatte mit dieser Stadt immer Probleme.
Er sprach ständig vom "schwedischen Regensburg", dessen Bewohner undankbar seien und exorbitante Preise für ihre Waren von der Besatzung verlangten.

Der erfahrene Heerführer Wallenstein beurteilte die strategische Bedeutung Regensburg nüchterner. Er wußte, daß Regensburg auch noch im folgenden Frühjahr stehen würde. Jetzt im Winter würden die Soldaten"crepieren und desperieren".

In einer Lagebesprechung mit seinen Generälen und Regimentskommandeuren wurde der Winterfeldzug einstimmig abgelehnt. Der Kaiser mußte sich zwar diesem Standpunkt beugen, war aber durch ein Gegengutachten des Vertrauten Wallensteins, General Piccolomini, mißtrauisch geworden. Piccolomini unterstellte darin Wallenstein eine Verschleppungstaktik um Zeit für Friedensverhandlungen zu finden.

Durch seine Agenten hatte Wallenstein schon seit längerer Zeit Kenntnis davon, daß ehrgeizige Offiziere aus seinem nächsten Umfeld ein doppeltes Spiel trieben. Zu auffällig verkehrten die Geheimkuriere zwischen den Garnisonsstädten und dem Hof in Wien. Wallenstein sah sich daher zum schellen Handeln gezwungen.

Er entschloß sich zu einer Doppelstrategie und machte trotzdem einen Fehler.

Am 10. und 11. Januar 1634 diktierte der Schwerkranke seinen letzten Entwurf eines Friedensvertrages. Der Entwurf sah die Verantwortung für die Ordnung im Reich bei den deutschen Fürsten; eine Einmischung ausländischer Mächte wird ausdrücklich abgelehnt. Wenn dieser Entwurf das tatsächliche Anliegen Wallensteins reflektiert und nicht wieder eine seiner vielen taktischen Finten der vergangenen Zeiten war, wären damit sämtliche Anschuldigungen der Gegner vom Tisch, er hätte mit dem Gegner, sprich mit den Schweden, paktiert.

Oberst Schlieff erhielt den Auftrag, diese wichtigen Dokumente als letztes Verhandlungsangebot nach Dresden und Brandenburg zu bringen. Am 12. Januar berief Wallenstein seine Obristen zum Kriegsrat nach Pilsen. Ohne große Umschweife eröffnete er ihnen, daß er nach Lage der Dinge die Absicht habe, als Oberbefehlshaber der Armee zurückzutreten. Seine entgültige Entscheidung machte er davon abhängig, ob die Generäle in einer offenen Abstimmung mehrheitlich und namentlich für oder gegen seinen Verbleib stimmen werden.

Der Schock hatte Erfolg. Natürlich wußten die Obristen, daß sie nur mit einem erfolgreichen Oberfehlshaber Karriere und Beute machen und eventuell auch zu ihrem Sold kommen konnten.

Seine Generäle bestürmten ihn, im Amt zu bleiben, doch Wallenstein akzeptierte nur, wenn alle Anwesenden eine schriftliche Erklärung unterschrieben.

Nach einer turbulenten Nacht, in der die Unsicherheiten und Ängste über die möglichen Folgen der Unterschrift mit Wein weggespült wurden, unterzeichneten am Morgen des 13. Januar 1634 47 Generäle mit aufgedunsenen Gesichtern, gewaschen und, für eine Kollektivaudienz aufgeputzt, bei Wallenstein das sogenannte erste Pilsener Revers.

Das Pilsener Revert mit den Unterschriften der Obristen.
Das Pilserner Revers
mit den Unterschriften der Obristen
Der Herzog erhörte "die Bitten und das Flehen" seiner Generäle und willigte ein, noch einige Zeit ihr Oberbefehlshaber zu bleiben. Angesichts solchen Großmuts unterschrieben die Offiziere, für ihn ihr Leben "... bis zum letzten aufgesparten Blutstropfen aufzusetzen...".

Auch Octavio Piccolomini, der Verfasser des Gegengutachtens zum vom Kaiser geforderten Winterfeldzug zur Befreiung Regensburgs, unterzeichnete die Urkunden. (s. Anmerkung 8)

Über die Geheimhaltung dieses Revers machte sich Wallenstein keine Illusionen. Schon einige Tage später hält der Kaiser eine Abschrift dieses Dokuments in den Händen.

Das zweite Generalat Wallensteins mit seinen ungewöhnlich weitreichenden Vollmachten mußte von Ferdinand als Demütigung empfunden werden. Seine Befürchtungen fanden nun die lang gesuchte Bestätigung.

Die Tatsache, daß der Kaiser den Inhalt als eine Rebellion gegen sich selbst, gegen das Haus Habsburg gerichtet betrachtete, läßt den oft geäußerten Verdacht zu, daß ihm wahrscheinlich eine leicht "überarbeitete" Fassung unterschoben wurde.

Oft wird in der Literatur behauptet, daß das erste Pilsener Revers eine Klausel enthielt, die die Offiziere verpflichtete, nur solange unter dem Kommando Wallensteins zu bleiben, "... als er in des Kaisers Dienst verbleiben oder der Kaiser ihn zur Beförderung seines Dienstes gebrauchen werde...".

Selbst die Tatsache, daß die unterschriebenen Revers diese Klausel nicht enthielten, wird Wallenstein als hinterhältig ausgelegt: angeblich hätte er seinen Offizieren am Vortage diese Klausel vorgelesen, um sie in ihrer Treue zum Kaiser nicht zu irritieren. Am nächsten Morgen, nach dem Zechgelage soll dann bei Unterschriftslegung diese Passage gestrichen worden sein. Wahrscheinlicher ist, daß diese Klausel im Entwurf des Revers enthalten war und von Wallenstein ausgestrichen wurde. Dem Kaiser wurde offenbar die Abschrift des Entwurfs vorgelegt, denn der Gegenplan Ferdinands baute exakt auf dieser Formulierung auf.

Aber auch ohne diese Klausel hatte das erste Pilsener Revers nicht die Bedeutung, die man ihr gemeinhin zuschreibt. Es war zu vieldeutig, schwach formuliert und ungenau in den zaghaft angedeuteten Absichten. Außer, daß die Geldforderungen der Offiziere befriedigt werden, die Not der Soldaten gelindert und daß Frieden erreicht werden soll, fehlt jede Genauigkeit einer Zielsetzung.

Es enthielt auch nicht den Ansatz einer Verschwörung, denn erstens läßt ein Mann wie Wallenstein nicht willkürlich fast fünfzig "Verschwörer" zusammenrufen und die Verschwörung auch noch durch Unterschrift bestätigen, und es fehlte zweitens dem Treueschwur die klar definierte Aussage: welche Konsequenzen entstehen für den einzelnen Unterzeichner dieses Revers, wenn sich Wallenstein gegen den Kaiser wendet oder der Kaiser gegen Wallenstein.

Die Gegner Wallensteins bei Hofe sahen das naturgemäß ganz anders. Sie interpretierten den Inhalt der Urkunde in der Form, daß der Feldherr seine Offiziere nicht auf den Kaiser, sondern auf seine Person schwören ließ.

Ein Kaiser ohne Befehlsgewalt über die Armee käme einer Entmachtung gleich. Die Berater liefen bei Ferdinand mit ihren Befürchtungen offenbar offene Türen ein.

Der Kaiser hätte es anders wissen müssen, denn kaum war das Pilsener Revers unterzeichnet, schickt Wallenstein seinen Vertrauten, Graf Hardegg nach Wien, und bot dem Kaiser an, seinen Dienst zu quittieren, wenn seine Sicherheit und Ehre garantiert wird und er eine Entschädigung von 300.000 Talern erhält!

Wallenstein, der die Offiziersehre seiner Obristen und ihre Treue zu ihm schriftlich einforderte, opferte sie im nächsten Augenblick.

In dieser Zeit der Gerüchte, Vorurteile und Intrigen machte Wallenstein einen verhängnisvollen Fehler: er war seit sieben Jahren nicht am Wiener Hof erschienen und jetzt, als die Weichen gestellt wurden, befand er sich in der Provinz, in Pilsen; nur zwei Tagesmärsche von der Machtzentrale entfernt.

Ein Gespräch mit dem Kaiser, allein seine Anwesenheit, hätte den Lauf der Dinge wesentlich beeinflußt.

Dieses Versäumnis führte dazu, daß es nicht zu einem offenen Machtkampf, sondern zu einer Hofintrige kam, der er nichts entgegenzusetzen hatte außer eigenen Intrigen.

Ferdinand II. war nie ein ausgesprochener Tatmensch, aber er hatte genügend Berater, die ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt hatten, zu dem eine Aktivität notwendig wurde.

Er veranlaßte unter strengster Geheimhaltung eine Untersuchung gegen Wallenstein. Die Untersuchungskommission aus "unabhängigen Richtern" sollte die Frage beantworten, ob sich Wallenstein des Verrats und der Rebellion schuldig gemacht hatte. Mitglieder der Kommissionen waren der kaiserliche Berater Fürst von Eggenberg , Graf von Trauttmansdorff und der Wiener Bischof Anton Wolfrath. Getagt wurde im Hause Eggenbergs.

Die Kommission fand natürlich die Befürchtungen des Kaisers bestätigt, wobei sie dabei von der spanischen Partei bei Hofe bestärkt wurde und sprach Wallenstein schuldig.

Ferdinand unterzeichnete daraufhin am 24. Januar 1634 ein geheimes Ächtungsdekret gegen Wallenstein und dessen Gefolgsleute Ilow und Trczka.

In diesem Dekret wird zum vorläufigen Befehlshaber der Armee Wallensteins Stellvertreter Graf Gallas ernannt.

Ihm wird die Aufgabe übertragen, den Herzog und seine beiden Mitverschworenen gefangenzunehmen und nach Wien zu bringen oder als überführte Schuldige zu töten.

Wörtlich heißt es dort "e numero mortalium exturbare", - aus der Zahl der Sterblichen zu eleminieren.

Man war sich bei Hofe der Person Gallas offenbar sehr sicher, und nutzte geschickt die unbefriedigten materiellen und unerfüllten gesellschaftlichen Erwartungen der ausländischen Offiziere aus. Neben Wallenstein empfand sich jeder militärische Führer als unselbständig und seine Leistungen zu wenig gewürdigt.

Wenn die bedrückende Macht Wallensteins gebrochen werden sollte, mußte man sich - wenn auch nicht offiziell ausgesprochen - darüber im klaren sein, daß eine Absetzung Wallensteins nicht zum Ziel führt. Man erinnerte sich noch gut an die Absetzung im Jahre 1630; sie führte damals zur ökonomische Stärkung Wallensteins.

Nur der Tod Wallensteins gefährdete nicht die eigene Zukunft und ermöglichte darüber hinaus den Zugriff zu den ungeheuren Reichtümern, die in Friedland, Böhmen und Mecklenburg dem Kaiser verschlossen waren. Hatte der Kaiser erst einmal diese Güter und Gelder, würde er - soweit war man sich sicher - sein christliches Gewissen mit Belohnungen und Beförderungen beruhigen; die entsprechende Anzahl von Totenmessen würden es zum Schweigen bringen.

Der Betrachter kann davon ausgehen, daß der Tod Wallensteins in den führenden Schichten der Mordclique beschlossene Sache war, denn es war die einzig mögliche Strategie, Wallensteins Macht ein- für allemal zu brechen. Ein gefangener Wallenstein hätte das Heer gespalten und wäre immer eine latente Bedrohung gewesen. Außerdem waren Angst und Skrupel jedem Beteiligten nachzuweisen.

Gallas und Piccolomini übernahmen die unwürdige Rolle, sich an die Spitze der Verschwörer zu stellen; - durch die kaiserlichen Sanktionen und Erlasse rechtlich abgesichert.

Beide hatten jedoch noch einen weit größeren Vorteil: - sie besaßen Wallensteins und des Kaisers Vertrauen.

Um die Wirkung und Bedeutung der beteiligten Personen richtig bewerten zu können, muß man die Strukturen der Verschwörung gegen Wallenstein kennen:

· An der Spitze stand die Hofclique und die spanische Partei bei Hofe, die die Zielstellung, die Entmachtung oder Beseitigung Wallensteins vage definierte, den rechtlichen Rahmen vorgab und für ein moralisches Alibi der Täter sorgte,

· dann folgte die Planungsebene der Verschwörung, Personen, die erwartungsvoll und beutegierig auf die Güter des Opfers und auf Beförderung blickten ohne ein persönliches Risiko einzugehen. Zu ihr gehörten Italiener und Spanier: Gallas, Piccolomini, Colloredo, Marradas , Diodati , Isolano, der Niederländer Suys , der Luxemburger Aldringer (Schwager des Gallas) und der Drahtzieher Francesco del Caretto , Marchese de Grana.

· Ihnen nachgeordnet folgte die operative Truppe vor Ort. Sie bestand aus: Butler , Gordon und Leslie ,

· und am unteren Ende der Hierarchie die Männer fürs Grobe: Deveroux , Geraldin , Macdonald , Pestaluz .

Betrachtet man die personelle Zusammensetzung der Verschwörerclique, fällt auf, daß es sich nur um Ausländer handelt; - kein Deutscher und auch kein Angehöriger der böhmischen Kreise ist dabei!

In diesem kritischen Zeitraum in dem der Herzog Verbindungen auch ins gegnerische Lager, also nach Sachsen und Brandenburg knüpfte, war Wallenstein erstaunlich arglos und informativ gegenüber seinen vermeintlichen Vertrauten. Er legte seine Pläne Gallas offen und somit mittelbar auch Piccolomini. Durch Piccolomini war der Hof informiert und zwar in dem Maße und mit den (gefilterten) Informationen, wie sie Gallas und Piccolomini für sinnvoll und zweckmäßig erachteten. Berichte, die weitergeleitet wurden, sind stets mündlich vorgetragen worden. Es gab auch keinen Richterspruch nach Wallensteins Tod - denn der hätte sich auf Beweise stützen müssen.

Dem unbefangenen Betrachter ist der plötzliche Abfall der Offiziere Wallensteins von ihrem Feldherrn nicht ohne weiteres verständlich. Oft werden bei der Bewertung dieses Verhaltens in der Literatur Begriffe wie Verrat, Offiziersehre, Treuebruch und dergleichen verwendet. Man muß jedoch berücksichtigen, daß Begriffe wie Ehre, Vaterland oder Treue nicht mit den heute verwendeten Inhalten ausgefüllt waren. Man war Söldner und bot seine Dienste demjenigen Feldherrn an, der zahlen konnte und von dessen Talent man siegreiche Schlachten und damit Beute erwarten durfte.

Ein Vaterland gab es nicht; die erste Form der Identifikaton von Söldnern mit ihrem Herkunftsland ist erst in der Schlacht bei Nördlingen 1635 zu erkennen, als die spanischen Soldaten mit dem Ruf "Viva España" statt dem sonst üblichen "Ave Maria" die vereinigten schwedischen Heere überranten.

Treue war ein relativer Begriff: lief der Söldnervertrag ab, konnte man ohne Schwierigkeiten beim Gegner anheuern. Kam man in Gefangenschaft, ließ man sich sofort "überreden" in die gelichteten Reihen des Siegers zu treten.

Das Verhalten der Obristen hatte durchaus seine Logik. Wallenstein war mit seinen Bemühungen um Frieden in einen folgenschweren Konflikt mit seinen Generälen und Offizieren geraten. Sie, die ausschließlich vom Kriegshandwerk lebten, hatten jetzt durch die arglosen Gespräche Wallensteins erfahren, daß ihre einzige Existenzgrundlage gefährdet war. Wenn sie diese Existenzgrundlage erhalten wollten, mußten sie mit der Person paktieren, die ihnen diese Grundlagen auch weiterhin garantierte; - und das war der Kaiser.

Der Widerspruch, in den sich Wallenstein verstrickte, war der, daß, wenn er den Frieden erreichen wollte (zu welchen Bedingungen auch immer), er die Armee früher oder später auflösen mußte.

Außer der Armee hatte er aber keine Interessengruppe, auf die er sich stützen konnte und an einem Frieden in Deutschland war in Europa niemand interessiert.

Seine Bemühungen um die friedliche Beilegung der deutschen Frage mußten unter diesen Voraussetzungen zum Scheitern verurteilt sein.

Insofern ist Wallensteins Tod die logische Konsequenz einer von ihm zu einem historisch falschen Zeitpunkt angestrebten, von niemanden gewollten, zutiefst menschlichen Illusion; - der Illusion des Friedens.

Schon am 24. Januar erhielt Gallas das geheime kaiserliche Patent, in dem Wallenstein für abgesetzt erklärt und die Truppen angewiesen wurden, nur seinem, Gallas Befehlen zu gehorchen. Von diesem geheimen Schreiben erfahren zunächst nur Piccolomini und Aldringen. Wallenstein indes wartet in Pilsen auf Reaktionen aus Sachsen und Brandenburg. Am 17. Februar melden Spione, daß sich hinter dem Rücken des Herzogs entscheidende Veränderungen vollziehen: Offiziere sammeln ihre Regimenter und verlassen heimlich Pilsen. Der Abfall der Truppe ist nicht mehr zu verheimlichen und aufzuhalten.

Wallenstein handelt schnell; es geht jetzt um sein Leben. Zunächst versucht er, die noch verbliebenen Offiziere zusammenrufen und erzwingt von ihnen am 20. Februar einen letzten Solidaritätsbeweis, das sogenannte zweite Pilsener Revers. Daß dieses Papier nichts wert ist, erfährt er am folgenden Tag:

der Kaiser hat ihn nun offiziell für abgesetzt erklärt und geächtet; die Verhaftung droht.

Kaiserliche Beamte beginnen bereits die Besitztümer Wallensteins zu konfiszieren. In den Vormittagsstunden des 22. Februar flieht der einst mächtigste Mann im Reich in einer Pferdesänfte in Begleitung von einigen Dutzend Fußsoldaten und Reitern und seinen engeren Vertrauten Trczka, Kinsky sowie deren Frauen nach Eger.

Eger, die Garnisonsstadt im Nordwesten Böhmens bot zwei Vorteile: erstens war der Weg für die kaiserlichen Kuriere nach Eger so weit, daß die Fliehenden davon ausgehen konnten, daß man von der Absetzung Wallensteins noch nichts erfahren hatte.

Zweitens lag Eger in unmittelbarer Nähe der sächsischen Grenze. Noch immer hoffte Wallenstein, daß der sächsische Feldmarschall Arnim mit seinen Reitern in wenigen Tagen Eger erreichen wird.

Die Ereignisse Ende Januar/Anfang Februar verdeutlichen die ganze Würdelosigkeit, Heuchelei und Angst, die die Verschwörerclique bis in die höchsten Kreise befallen hatte. Auf der einen Seite wurde das Absetzungspatent so formuliert, daß es das Bündnis der Treue, das Wallensteins Offiziere in Pilsen unterschrieben haben, in seiner Wirkung nocht verstärkt und ins gewünschte Gegenteil umkehrt: dort hatte Wallenstein darauf bestanden, daß nichts ohne den Rat Gallas zu geschehen habe - ohne die Rolle Gallas zu durchschauen. Wenn man diese Wirkung noch als taktische Meisterleistung anerkennen will, so muß auf der anderen Seite der huldvolle Brief des Kaisers an Wallenstein am 13. Februar 1634 - Tage nach der beschlossenen Ächtung als charakterlose unnötige Fehlleistung Ferdinands angesehen werden.

Wie tief die Angst vor Wallensteins Rache bei Fehlschlag des Anschlags gesessen haben muß, zeigt der Versuch Gallas und Piccolominis, den Sohn des Kaisers zum Werkzeug ihrer Pläne zu machen. Mehrfach baten sie den Kaiser, Ferndinand III. als Generalissimus zu ihnen zu senden. Sie selbst waren vorsichtshalber nicht in Eger, also nicht in Wallensteins Nähe.

Auch den Kaiser trieb die Furcht "...Tag für Tag in Einsamkeit und Gebet...".

Den aktiven Part des Mordkomplotts übernahm die operative Verschwörertruppe vor Ort in Eger.

Butler, Gordon und Leslie waren die am besten informierten Personen. Einerseits hatten sie Wallenstein persönlich und vertraulich mit seinen weiteren Absichten vertraut gemacht, andererseits kannten sie die von Gallas erhaltenen Befehle und das kaiserliche Ächtungspatent. Sie entschieden, den Herzog und seine Vertrauten umzubringen.

Diese Entscheidung war - wie sich zeigte - schon vor Ankunft der Opfer in Eger gefallen.

Für die Tat vor Ort war Butler verantwortlich gemacht worden. Genauer gesagt, Butler versprach Gallas, "sein Bestes zu tun", denn er hatte mit Wallenstein noch eine alte Rechnung zu begleichen:

Sein militärisches Talent und seine Ergebenheit standen ehemals bei Wallenstein so hoch im Kurs, daß er ihm quasi seinen persönlichen Schutz anvertraute. Mit der Ernennung Butlers zum Generalmajor erreicht dessen militärische Laufbahn ihren Höhepunkt. Für die Soldaten der damaligen Zeit war eine solche Laufbahn die Bestätigung der Hoffnungen und Träume, allein durch militärische Leistungen, persönlichen Einsatz und Gehorsam sozialen Aufstieg und gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen, die unabhängig von Geburt und Titel waren. Die uneingeschränkte Zuneigung, die Wallenstein von seinen Offizieren erfährt, entspringt der gegenseitigen Interessenlage: seine Feldherrenkunst sichert ihnen reiche Beute und militärischen Ruhm; ihre Leistungen und ihr Gehorsam sichern Wallenstein sein (einziges) Machtinstrument - das Heer.

Butler bekannte sich in dieser Zeit bedingungslos zu Wallenstein. Er hat durch ihn alles erreicht. Nur eines fehlt ihm noch: die gesellschaftliche Anerkennung; - er erbittet seine Erhebung in den Grafenstand. Seine Bitte ist in historischen Quellen nicht definitiv erwähnt. Allein Schiller setzt sie explizit in seiner Wallenstein-Trilogie ins Licht. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Schiller diesen Vorgang aus rein dramaturgischen Gründen so ausführlich herausarbeitet. Natürlich bietet sich der Vorgang für einen dramaturgischen Kulminationspunkt persönlicher Beziehungen geradezu an, aber ebenso logisch lassen sich dadurch weitere Verhaltensmuster auch der übrigen am Attentat beteiligten Offiziere aufdecken, die ohne Kenntnis des Fehlverhaltens Wallensteins sonst nicht zu erklären sind.

Wallenstein soll - so Schiller - durch "Falschheit" und "Hinterlist" den Antrag Butlers zur Ablehnung gebracht haben. Damit hat Wallenstein gegen den soldatischen Ehrencodex seiner Armee verstoßen. Dieses - vom Standpunkt seiner Offiziere - bedenkliche moralische und soziale Verhalten Wallensteins zerstört deren Illusion von unbedingter persönlicher Freiheit. Butler und seine Umgebung sind nicht gewillt, Wallenstein Grundrechte und Achtung einzuräumen, die ihnen selbst verwehrt werden. Abgesehen davon, daß Wallenstein gerade nach der Schlacht bei Lützen sehr fragwürdige persönliche Entscheidungen fällt, ist die geradezu sorglose Mißachtung der sonst sehr gepflegten Söldnerideologie die größte Gefahr, in die er sich begibt.

Butler, als Kommandeur der Leibgarde, erhielt von Wallenstein den Befehl, ihn unter dem Schutz von 200 Dragonern nach Eger zu begleiten. Schon zu diesem Zeitpunkt hat Butler die persönliche Konsequenz gezogen: er verspricht dem Grafen Gallas, den Herzog gefangenzunehmen oder zu töten. Die Order des Kaisers über die Absetzung Wallensteins beseitigt alle noch vorhandenen Skrupel und erhöht die Gleichgesinnten Butlers, Leslie und Gordon, von Mordkumpanen zu Dienern des Kaisers.

Das Ziel, Wallenstein zu ermorden, war damals den Drahtziehern des Komplotts schon klar, nur der Weg, die Mittel und Methoden waren unklar.

Nachdem der Versuch Piccolominis, Wallenstein in Pilsen gefangenzunehmen, durch die Flucht der Herzogs fehlgeschlagen war, bot sich Eger als die letzte Chance für die Attentäter an. Denn wenn, wie befürchtet, der sächsische Feldherr Arnim mit seinem Heer Richtung Eger marschieren würde, um sich mit Wallenstein wie geplant zu vereinigen, war die letzte Möglichkeit, Wallenstein zu ermorden, vertan.

Bevor Wallenstein in Eger eintrifft, ist für die Durchführung des Anschlages alles abgesprochen und vorbereitet.

Der Mordplan sah zwei Etappen der Realisierung vor: In der ersten Etappe sollten die Vertrauten Wallensteins auf einem eigens organisierten Festbankett auf der Burg umgebracht werden; erst dann sollte in der zweiten Etappe die Ermordung Wallensteins durch Rittmeister Deveroux erfolgen. Zu diesem Zweck wurde Geraldin mit 6 ausgewählten Butlerschen Dragonern in ein Nebenzimmer des Festsaales der Burg versteckt, in einem anderen Nebenzimmer Deveroux mit weiteren 24 Dragonern des gleichen Regiments.

Die Gäste waren Ilow, Trczka, sein Rittmeister Neumann und Graf Kinsky.

Als Gastgeber empfahlen sich Gordon, Leslie und Butler, die noch am Vormittag einen Treueeid auf Wallenstein geschworen hatten. Sie hatten für reichlich Speisen und vor allen Dingen für Getränke gesorgt. Die Stimmung war ausgelassen.

Es muß gegen 20.00 Uhr des 25. Februar 1634 gewesen sein. Das Konfekt wurde zum Nachtisch aufgetragen, die Dienerschaft der Eingeladenen wurde entfernt, als Leslie das Stichwort für den Überfall gab. Geraldin, Deveroux und deren Dragoner fielen nun über die Gäste her. Um in dem sich abzeichnenden Getümmel nicht selbst Opfer des eigenen Komplotts zu werden, wurde vorsichtshalber verabredet, daß Butler, Gordon und Leslie jeder einen Leuchter von der Tafel hocheben und "Vivat Ferdinandus!" rufen sollten.

Graf Kinsky wurde sofort getötet, ihm folgte Ilow. Trczka war der einzige, der sich kurze Zeit noch tapfer wehren konnte und die Situation begriff. Er nannte Gordon einen feigen Verräter, schlug Deveroux den Degen entzwei, hieb zwei Dragoner nieder und tötete den spanischen Hauptmann Lerda . Er forderte Leslie zum Kampf, aber dieser hing am Leben und behielt statt des Degens lieber den Leuchter in der Hand. Macdonald versetzt dem fliehenden Trczka den Todesstoß; andere Quellen behaupten, Trczka konnte sich bis auf den Hof der Burg durchschlagen und wurde dort von irischen Dragonern getötet. Niemann , der Sekretär Trczkas, entkam in eine Küche oder Speisekammer, kannte aber das neue Losungswort nicht und wurde daraufhin von den dort aufgestellten Dragonern umgebracht. Man hatte den Mördern vorsichtshalber nur Partisanen und Degen gegeben, der Lärm von Schußwaffen hätte die Stadt alarmiert oder Wallenstein aufmerksam gemacht.

Trotzdem wurden bei der Verfolgung eines Dieners Trczkas zwei Schüsse abgefeuert. Leslie eilte daraufhin in die Stadt und fand die Stadtwache bereits in Alarmbereitschaft. Er ließ die Wachen noch einmal auf den Kaiser schwören und befahl ihnen, sich ruhig zu verhalten. Vorsichtshalber ließ Leslie weitere 100 Dragoner von Butlers Regiment in die Stadt ein und besetzte den Markt.

Dann wurde der entscheidende zweite Teil des Mordplanes ausgeführt: Gordon blieb in der Burg zurück. Butler umstellte mit seinen Leuten das Quartier Wallensteins und Deveroux begab sich zu Wallenstein.

Die herzogliche Wache ließ den Rittmeister Deveroux mit seinen 6 Mittätern ein, in der Meinung, daß er dem Feldherrn Meldung zu machen habe.

Im Vorzimmer bedeutete der Kammerdiener Deveroux, keinen Lärm zu machen, da Wallenstein bereits zu Bett gegangen sei. Die Diener werden niedergestochen. Deveroux trat die Tür zu Wallensteins Schlafzimmer ein. Wallenstein stand im Hemd am Fenster; der Lärm im Treppenhaus hatte ihn aufgeweckt und die lauten Schreie der Gräfin Trczka, die im gegenüberliegenden Gebäude untergebracht war und in diesem Moment die Nachricht von der Ermordung ihres Gatten erhielt, hatten ihn zum Fenster geführt.

Deveroux versuchte seine letzten Skrupel durch verbale Beleidigungen gegen Wallenstein loszuwerden und versetzt ihm mit der Partisane den Todesstoß.

Wallensteins Tod

(Ein Click vergrößert das Bild)

Der Tod durch diese Waffe ist furchtbar und sühnt alle Verbrechen, die Wallenstein begangen haben mag.
Liest man die Ausbildungsregeln der damaligen Zeit zum Umgang mit der Partisane, bekommt man selbst als Zeitgenosse, der als Ferseh-Kriegsteilnehmer mit Napalm und Giftgas verwöhnt wird, Mitleid mit den Opfern dieser Waffe.

Ein irischer Dragoner wollte die Leiche Wallensteins aus dem Fenster werfen. Deveroux soll ihn daran gehindert haben. Statt dessen wird des Herzogs Leiche in einen Teppich gewickelt, in den Hof geschleift, auf einem Karren in die Burg gefahren und im Burghof liegen gelassen.

Erst nach 2 Tagen werden die nackten Leichen der fünf Getöteten in Kisten gelegt. Wallensteins Leichnam ist völlig steif, man bricht seine Beine , um ihn in die Kiste zu legen und bringt alle Kisten vorläufig ins Franziskaner-Kloster des Ilowschen Schlosses nach Mies.

Am 25. Februar 1634 wurde Gallas als erster durch Butler von der Ermordung Wallensteins informiert.

Wenige Tage später wird dem Kaiser der Tod Wallensteins und seiner Anhänger mitgeteilt.

Es ist nicht überliefert, ob Ferdinand II. Machiavellis Buch "Vom Fürsten" (1523) je gelesen hat.

Wenn nicht, hat er wahrlich fürstlich und instinktiv richtig reagiert, als er nach dem Erhalt der Nachricht anordnete, für die Toten 3.000 Seelenmessen zu lesen.

Denn Machiavelli gab schon einhundert Jahre vor dieser Entscheidung den Rat: "Es ist also nicht nötig, daß ein Fürst alle Tugenden wirklich besitze, sondern es ist schon hinlänglich, wenn er sie nur zu besitzen scheint."

Und Kaiser Ferdinand II. scheint hinlänglich christliches Gewissen besessen zu haben...

Machiavellis Schriften sind ein Glücksfall für die geschichtliche Bewertung von Handlungen und Personen.

Seine Dogmen der politischen Ethik und Gewalt werden auch weiterhin Massenmörder legitimieren und politische Morde moralisch erscheinen lassen.

Wie schrieb er doch auch?

"Wenn es sich um die Rettung des Vaterlandes handelt, kann von Verrat, von Treue, von böse oder gut, von Barmherzigkeit und Grausamkeit keine Rede sein. Alle Mittel sind recht, wenn nur der Zweck erreicht wird."
Die Geschichte läßt allerdings die Frage unbeantwortet:

Wer wollte eigentlich in der Zeit des 30jährigen Krieges welches Vaterland retten und vor wem und zu welchem Zweck?

Gallas begab sich sofort zum Kaiser, um die Belohnung für sich und für Butler einzufordern. Gallas bekam Illows Silber, welches in Prag lagerte, die Wallensteinschen Besitzungen Friedland und Reichenberg. Der Gesamtwert dieser beiden Ländereien betrug 500.000 Gulden.

1636 folgten als Schenkung die Trczkaschen Güter Smircziz und Horczeniowez. Nach Golo Mann [2] darüber hinaus noch 178.000 Gulden. Außerdem bekam Gallas Kinskys Haus in Prag. Die Organisation eines Mordes hatte sich bezahlt gemacht.

Nachdem die Verschwörerclique nun sicher sein konnte, daß ihre Tat nicht nur die Gnade des Kaisers gefunden hatte, sondern auch die erhoffte Belohnung verteilt wurde, fand ein förmlicher Wettlauf der Mörder nach Wien statt. Butler zum Beispiel bestand darauf, daß er an der Tötung aller aktiv dabei war. In einem Schreiben an den Kaiser betonte er, wie sehr er bisher im Dienst seiner Majestät unter Wallenstein zu leiden gehabt hatte und daß die Exekution "hoffentlich ersprießlich" gewesen sein.

Auch Leslie reiste persönlich zur Erfolgsmeldung nach Wien; sofort sandte Butler Kapitän Macdaniel als sein Sprachrohr nach. Offenbar einige Stunden zu spät, denn Leslie wurde vom Kaiser auf der Stelle zum Grafen und Kammerherren erhoben. Butler war beleidigt und fühlte sich nicht ausreichend gewürdigt. Der Ruhm der "Friedländischen Exekution" schien jetzt allein über Gordon und Leslie zu strahlen; - wo er doch (nach seiner Auffassung) die Führung gehabt hatte. Er drohte, in polnischen Dienst überzutreten, wenn seine Leistungen nicht entsprechend gewürdigt werden. Aber es wurde ihm angedeutet, daß die Gnade und Großzügigkeit des Kaisers auch an ihm nicht vorbeigehen wird; es gab ja auch genügend zu verteilen - aus dem Nachlaß Wallensteins und seiner Anhänger. Butler versäumte keine Zeit und reiste umgehend mit dem Mörder Deveroux nach Wien. Der Kaiser reichte ihm die Hand, lobte ihn für seine Tat, Treue und Redlichkeit. Der Bischof von Wien überreichte ihm eine goldene Kette und einen Gnadenpfennig. Und endlich war Butler am Ziel seiner Träume: er bekam die Kammerherren-Schlüssel und wurde in den Grafentand erhoben. Allerdings - was nützt ein Titel ohne materielle Basis in dieser Zeit.

B utler hatte Glück! Er bekam außer dem Gut Hirschberg (von den konfiszierten Gütern Trczkas) noch 225 000 Gulden.
Auch Deveroux erhält vom Kaiser eine eigenhändig aufgesetzte Würdigung seiner "kühnen Tat". Außerdem eine goldene Gnadenkette, ein Geldgeschenk in Höhe von 40.000 Gulden, mehrere ansehnliche Güter, und er wird zum Kammerherrn ernannt. Bei den riesigen Summen, die die Mörder Wallensteins als Belohnung erhielten, stellt sich die Frage, woher der Kaiser diese Mittel hatte; er, der sich noch 1630 das Reisegeld zum Kurfürstentag nach Regensburg von Wallenstein leihen mußte.
Natürlich nahm er sie nicht aus der Staatskasse, denn die war wie immer leer. Aber Ferdinand hatte, noch bevor die "Verräter" ermordet waren, bereits Kommissare nach Böhmen auf die Güter und Schlösser der Geächteten geschickt, zur Inventarisierung ihres Vermögens. Kaiserliche Beauftragte tauchten in Hamburg und Venedig auf, um Wallensteins Konten zu durchforsten.
Die kaiserlichen Kommissare, die sich eifrig an die Arbeit machten, kalkulierten eine Gesamtsumme von 8.661.000 Gulden.

Aber offenbar hatte der Kaiser das Vermögen Wallensteins völlig überschätzt; Ferdinand war die Summe zu gering. Er glaubte, daß Goldschätze vergraben oder große Summen fortgeschafft waren und setzte Prämien von einem Zehntel des Wertes aus, den Mitwisser verborgener Schätze melden würden.

Wahrscheinlich aber lag dieser Zweifel am tatsächlichen Wert des Wallensteinschen Vermögens in der Unfähigkeit Ferdinands begründet, ökonomische Zusammenhänge zu begreifen oder Vorhandenes zumindestens zu sichern. Hätte Ferdinand auch nur ansatzweise den wirtschaftspolitischen Weitblick Wallensteins besessen, hätte er den gesamten Wirtschaftskomplex Friedland einschließlich der befähigten und eingespielten Wirtschaftsbürokratie übernommen und sich damit jährliche Einnahmen gesichert wie sie die derzeit besten Provinzen nicht mehr aufbrachten.
Er tat dies aus mangelndem Sachverstand nicht.

Ferdinand begriff noch nicht mal, daß diese ökonomische Infrastruktur der Güter und Manufakturen die einzige Wohltat war, die Wallenstein seinem Vaterland Böhmen und damit dem Reich hinterließ. Das ökonomische Wunderwerk wurde zerstört, zerstückelt, verschenkt. Zählt man Wallensteins Fürstentümer, Trczkas Güter, den Rießenbesitz des Grafen Schaffgotsch und die (relativ) bescheidenen Vermögen Ilows und Kinskys zusammen, so hatte der Kaiser stattliche 14 Millionen Gulden zu verschenken! [2]
Eine Summe, die Ferdinand alle Bezüge zur Wirklichkeit geraubt haben muß, wenn man weiß, daß er vordem oft keine 50 Gulden flüssig hatte, um einen Kurier zu bezahlen!
In dieser Summe sind nicht enthalten: die Grundflächen und Ressourcen Mecklenburgs, die Forderungen Wallensteins an den Kaiser, die bei dieser Gelegenheit einfach "vergessen" wurden, Vieh und Getreidevorräte in den Speichern Friedlands, die edlen Pferde in den Gestüten sowie die Werte der Waffenarsenale.
Andererseits wird bei diesen Summen erst deutlich, welche Riesenvermögen Wallenstein und die skrupellosen Sieger sich nach der Schlacht am Weißen Berg von den enthaupteten oder geflohenen böhmischen Adligen rücksichtslos angeeignet hatten. Ebenso rücksichtslos bedienten sich nun die neuen Sieger.

Die Geschichte ist im Laufe der Jahrhunderte mit Millionen von Kriegstoten, unmenschlichen Verbrechen und immer wieder neuen Siegern über die Ereignisse des Jahres 1634 ungerührt hinweggegangen.
350 Jahre später ist die Burg in Eger größtenteils eine Ruine. Früher, so heißt es, war die Burg von weitem zu sehen.
Für den gichtgeplagten Wallenstein muß ihr Anblick im Nebel des 24. Februar 1634 wie eine Erlösung von den Qualen und Sorgen der vergangenen Tage gewesen sein, und die Hoffnung auf ein linderndes Kräuterbad ließ ihn seine Schmerzen ertragen. Ärzte würden die Verbände an den eiternden Beinen wechseln und Astrologen standen sicher wie immer unsicher herum und wußten nicht, wie sie ihrem Auftraggeber die beunruhigenden Vorzeichen deuten sollten. Und die Hoffnung bestand, daß Arnim mit seinem Heer bereits in Richtung Eger aufgebrochen war.
Was er nicht wußte: Arnim traute Wallenstein nicht über den Weg und brach erst am 27. Februar widerwillig Richtung Eger auf; - zu spät wie er unterwegs erfuhr... Heute ist der Blick auf Eger durch wenig attraktive Neubauten, abgewirtschaftete Fabriken und schlimme Garagenkomplexe versperrt.

Wallenstein logierte damals in einem noch heute erhaltenem Haus am unteren Ende des Marktes. Dem interessierten Publikum wird ein Mordzimmer im ersten Stock, das Zimmer Nummer 5 eingeredet. Abgesehen davon, daß dort jetzt die Sitzungszimmer des Nationalkommitees eine Besichtigung unmöglich machen, kann davon ausgegangen werden, daß Wallenstein tatsächlich im Vorderhaus mit Blick auf die Straße gewohnt hat. Noch bis 1757 sollen Blutspuren der Mordtat an der Wand zu sehen gewesen sein. Jesuiten, die vor dieser Zeit in diesen Räumen gewohnt hatten, schienen sich nicht daran zu stören.

In den historischen Dokumenten der Jesuiten in Böhmen kann man nachlesen, daß ein Jesuitenpater, der im Mordzimmer Wallensteins übernachtet und dort offenbar schlecht geschlafen hatte, nachts "befremdliche Erfahrungen" gemacht hatte. Beim Frühstück hat er den Rektor dafür gerügt, daß man ihn nicht ohne Warnung in einem Raum hätte schlafen lassen sollen, in dem Gespenster umgingen. Erstaunlich ist sein überlieferter Ausspruch: "Und euch allen sage ich: daß mir niemand mehr schlecht über Wallenstein spreche. Denn er wäre sehr töricht gewesen, nach der Krone Böhmens zu streben; wußte er doch, daß er höchstens noch zwei Jahre zu leben hatte"... Woher wollte er das wissen? Vielleicht hat sich ihm Wallenstein ohne Kopf vorgestellt, denn es wird behauptet, daß der schwedische General Baner den Sarg seines großen Gegners öffnen ließ und den Schädel des Toten als Trophäe nach Stockholm schicken ließ.

Der Leichnam Wallensteins fand lange Zeit keine Ruhe. Zunächst wurde der Herzog von Friedland im Franziskanerkloster in Mies beigesetzt. 1636 erhielt Max Wallenstein, der Neffe und Erbe des Toten, die Erlaubnis, die Leiche nach der Kartause Walditz bei Gitschin zu überführen. In dieser Zeit machte man selbst mit den Lebenden wenig Federlesens; daß der Leichnahm mit einem Leiterwagen transportiert wurde, störte damals niemanden. Es gab sicher auch zu wenig noch lebende Zuschauer. Die Mönche, die den Leichnam begleiteten, erlebten zu ihrer Verwunderung, daß zwei Jahre und drei Monate nach dem Tod, die Leiche Wallensteins noch nicht verwest war und selbst die Wunde "weder dem Auge noch dem Geruchsinn den widerlichen Eindruck der Fäulnis bietet".

Wallenstein wurde in der Gruft, die er noch zu Lebzeiten einrichten ließ, neben seiner ersten Frau, Lucretia von Landeck, und seinem früh verstorbenen Söhnchen, Albrecht Carl, beigesetzt.
Als im Jahre 1785 das Kartäuser-Kloster, in ein Zuchthaus umgewandelt wurde, überführte man Wallensteins Gebeine nach Münchengrätz, inmitten des ehemaligen Herzogtums Friedland. Diesmal unter Posaunenschall auf einem von sechs Pferden gezogenen und mit schwarzem Tuch bespannten Schlitten.
1934, anläßlich des dreihundertsten Todestages, entschloß sich die Familie Waldstein zu einer erneuten Veränderung. Wallensteins Sarg wurde umgesetzt und mit einer Bronzeplatte abgedeckt. Der Sarg soll sehr klein sein; viel wird von dem großen Feldherrn auch nicht mehr übrig sein...

Dafür ist das mächtige Bronzerelief auf einem Marmorsockel umso eindrucksvoller. Überlebensgroß, mit Harnisch und Feldherrnstab, aber ohne Unterleib, blickt der große Feldherr nachdenklich auf eine in Marmor gravierte gleichermaßen anmaßende wie melancholische Frage: "Quid lucidius sole?et hic deficiet."  - Was leuchtet heller als die Sonne? und auch sie weicht der Finsternis.
Bei flüchtiger Wertung der außerordentlich umfangreichen Literatur über Wallenstein stellt sich heraus, daß fast alle Autoren der Faszination einer strahlenden und oft auch schillernden Persönlickeit erlegen sind.

Zu sehr konzentrieren sie sich auf seinen kometenhaften Aufstieg, seine zweifelhaften Praktiken und umstrittenen Ziele, seine militärischen Erfolge und die Umstände seiner Ermordung.

Zu wenig wird aber sein Bemühen gewürdigt, mit seinen begrenzten diplomatischen Mitteln und befangen von seinen Wertvorstellungen, den großen tragischen Krieg seiner Zeit zu beenden.

Lediglich Schiller [5] hat Wallenstein "ernstliche Neigung zum Frieden" attestiert und sie als große historische Leistung anerkannt.

Je nachdem welchem politischen Lager die Autoren zuzuordnen sind bzw. welche moralischen, philosophischen oder ideologischen Standpunkte sie vertreten, reicht das Spektrum der Urteile der Historiker über die Person Wallensteins von "ruchlos" über "politischer Abenteurer" bis hin zu der Behauptung, er sei ein "deutscher Richelieu", ein Vorkämpfer gewesen für das einheitliche absolutistische Deutschland auf Kosten der Fürsten, frei von allen konfessionellen Gegensätzen. (s. Anmerkung 9)

Die oft einseitige, hin und wieder ungerechte historische Wertung der Person Wallenstein bringt Schiller in der "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" auf den Punkt, wenn er schreibt:

"Ein Unglück für den Lebenden,
daß er eine siegende Partei sich zum Feinde gemacht hatte;
ein Unglück für den Toten,
daß ihn dieser Feind überlebte und seine Geschichte schrieb."




                                 ergänzender Link zur Wallensteinbiographie von Hellmut Diwald.



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