· An der Spitze stand die Hofclique und die spanische Partei bei Hofe, die die Zielstellung, die Entmachtung oder Beseitigung Wallensteins vage definierte, den rechtlichen Rahmen vorgab und für ein moralisches Alibi der Täter sorgte,
· dann folgte die Planungsebene der Verschwörung, Personen, die erwartungsvoll und beutegierig auf die Güter des Opfers und auf Beförderung blickten ohne ein persönliches Risiko einzugehen. Zu ihr gehörten Italiener und Spanier: Gallas, Piccolomini, Colloredo,
Marradas
,
Diodati
, Isolano, der Niederländer
Suys
, der Luxemburger
Aldringer
(Schwager des Gallas) und der Drahtzieher Francesco del
Caretto
, Marchese de Grana.
· Ihnen nachgeordnet folgte die operative Truppe vor Ort. Sie bestand aus:
Butler
,
Gordon
und
Leslie
,
· und am unteren Ende der Hierarchie die Männer fürs Grobe:
Deveroux
,
Geraldin
,
Macdonald
,
Pestaluz
.
Betrachtet man die personelle Zusammensetzung der Verschwörerclique, fällt auf, daß es sich nur um Ausländer handelt; - kein Deutscher und auch kein Angehöriger der böhmischen Kreise ist dabei!
In diesem kritischen Zeitraum in dem der Herzog Verbindungen auch ins gegnerische Lager, also nach Sachsen und Brandenburg knüpfte, war Wallenstein erstaunlich arglos und informativ gegenüber seinen vermeintlichen Vertrauten. Er legte seine Pläne Gallas offen und somit mittelbar auch Piccolomini. Durch Piccolomini war der Hof informiert und zwar in dem Maße und mit den (gefilterten) Informationen, wie sie Gallas und Piccolomini für sinnvoll und zweckmäßig erachteten. Berichte, die weitergeleitet wurden, sind stets mündlich vorgetragen worden. Es gab auch keinen Richterspruch nach Wallensteins Tod - denn der hätte sich auf Beweise stützen müssen.
Dem unbefangenen Betrachter ist der plötzliche Abfall der Offiziere Wallensteins von ihrem Feldherrn nicht ohne weiteres verständlich. Oft werden bei der Bewertung dieses Verhaltens in der Literatur Begriffe wie Verrat, Offiziersehre, Treuebruch und dergleichen verwendet. Man muß jedoch berücksichtigen, daß Begriffe wie Ehre, Vaterland oder Treue nicht mit den heute verwendeten Inhalten ausgefüllt waren. Man war Söldner und bot seine Dienste demjenigen Feldherrn an, der zahlen konnte und von dessen Talent man siegreiche Schlachten und damit Beute erwarten durfte.
Ein Vaterland gab es nicht; die erste Form der Identifikaton von Söldnern mit ihrem Herkunftsland ist erst in der Schlacht bei Nördlingen 1635 zu erkennen, als die spanischen Soldaten mit dem Ruf "Viva España" statt dem sonst üblichen "Ave Maria" die vereinigten schwedischen Heere überranten.
Treue war ein relativer Begriff: lief der Söldnervertrag ab, konnte man ohne Schwierigkeiten beim Gegner anheuern. Kam man in Gefangenschaft, ließ man sich sofort "überreden" in die gelichteten Reihen des Siegers zu treten.
Das Verhalten der Obristen hatte durchaus seine Logik. Wallenstein war mit seinen Bemühungen um Frieden in einen folgenschweren Konflikt mit seinen Generälen und Offizieren geraten. Sie, die ausschließlich vom Kriegshandwerk lebten, hatten jetzt durch die arglosen Gespräche Wallensteins erfahren, daß ihre einzige Existenzgrundlage gefährdet war. Wenn sie diese Existenzgrundlage erhalten wollten, mußten sie mit der Person paktieren, die ihnen diese Grundlagen auch weiterhin garantierte; - und das war der Kaiser.
Der Widerspruch, in den sich Wallenstein verstrickte, war der, daß, wenn er den Frieden erreichen wollte (zu welchen Bedingungen auch immer), er die Armee früher oder später auflösen mußte.
Außer der Armee hatte er aber keine Interessengruppe, auf die er sich stützen konnte und an einem Frieden in Deutschland war in Europa niemand interessiert.
Seine Bemühungen um die friedliche Beilegung der deutschen Frage mußten unter diesen Voraussetzungen zum Scheitern verurteilt sein.
Insofern ist Wallensteins Tod die logische Konsequenz einer von ihm zu einem historisch falschen Zeitpunkt angestrebten, von niemanden gewollten, zutiefst menschlichen Illusion; - der Illusion des Friedens.
Schon am 24. Januar erhielt Gallas das geheime kaiserliche Patent, in dem Wallenstein für abgesetzt erklärt und die Truppen angewiesen wurden, nur seinem, Gallas Befehlen zu gehorchen. Von diesem geheimen Schreiben erfahren zunächst nur Piccolomini und Aldringen. Wallenstein indes wartet in Pilsen auf Reaktionen aus Sachsen und Brandenburg. Am 17. Februar melden Spione, daß sich hinter dem Rücken des Herzogs entscheidende Veränderungen vollziehen: Offiziere sammeln ihre Regimenter und verlassen heimlich Pilsen. Der Abfall der Truppe ist nicht mehr zu verheimlichen und aufzuhalten.
Wallenstein handelt schnell; es geht jetzt um sein Leben. Zunächst versucht er, die noch verbliebenen Offiziere zusammenrufen und erzwingt von ihnen am 20. Februar einen letzten Solidaritätsbeweis, das sogenannte zweite Pilsener Revers. Daß dieses Papier nichts wert ist, erfährt er am folgenden Tag:
der Kaiser hat ihn nun offiziell für abgesetzt erklärt und geächtet; die Verhaftung droht.
Kaiserliche Beamte beginnen bereits die Besitztümer Wallensteins zu konfiszieren. In den Vormittagsstunden des 22. Februar flieht der einst mächtigste Mann im Reich in einer Pferdesänfte in Begleitung von einigen Dutzend Fußsoldaten und Reitern und seinen engeren Vertrauten Trczka,
Kinsky
sowie deren Frauen nach Eger.
Eger, die Garnisonsstadt im Nordwesten Böhmens bot zwei Vorteile: erstens war der Weg für die kaiserlichen Kuriere nach Eger so weit, daß die Fliehenden davon ausgehen konnten, daß man von der Absetzung Wallensteins noch nichts erfahren hatte.
Zweitens lag Eger in unmittelbarer Nähe der sächsischen Grenze. Noch immer hoffte Wallenstein, daß der sächsische Feldmarschall Arnim mit seinen Reitern in wenigen Tagen Eger erreichen wird.
Die Ereignisse Ende Januar/Anfang Februar verdeutlichen die ganze Würdelosigkeit, Heuchelei und Angst, die die Verschwörerclique bis in die höchsten Kreise befallen hatte. Auf der einen Seite wurde das Absetzungspatent so formuliert, daß es das Bündnis der Treue, das Wallensteins Offiziere in Pilsen unterschrieben haben, in seiner Wirkung nocht verstärkt und ins gewünschte Gegenteil umkehrt: dort hatte Wallenstein darauf bestanden, daß nichts ohne den Rat Gallas zu geschehen habe - ohne die Rolle Gallas zu durchschauen. Wenn man diese Wirkung noch als taktische Meisterleistung anerkennen will, so muß auf der anderen Seite der huldvolle Brief des Kaisers an Wallenstein am 13. Februar 1634 - Tage nach der beschlossenen Ächtung als charakterlose unnötige Fehlleistung Ferdinands angesehen werden.
Wie tief die Angst vor Wallensteins Rache bei Fehlschlag des Anschlags gesessen haben muß, zeigt der Versuch Gallas und Piccolominis, den Sohn des Kaisers zum Werkzeug ihrer Pläne zu machen. Mehrfach baten sie den Kaiser, Ferndinand III. als Generalissimus zu ihnen zu senden. Sie selbst waren vorsichtshalber nicht in Eger, also nicht in Wallensteins Nähe.
Auch den Kaiser trieb die Furcht "...Tag für Tag in Einsamkeit und Gebet...".
Den aktiven Part des Mordkomplotts übernahm die operative Verschwörertruppe vor Ort in Eger.
Butler, Gordon und Leslie waren die am besten informierten Personen. Einerseits hatten sie Wallenstein persönlich und vertraulich mit seinen weiteren Absichten vertraut gemacht, andererseits kannten sie die von Gallas erhaltenen Befehle und das kaiserliche Ächtungspatent. Sie entschieden, den Herzog und seine Vertrauten umzubringen.
Diese Entscheidung war - wie sich zeigte - schon vor Ankunft der Opfer in Eger gefallen.
Für die Tat vor Ort war Butler verantwortlich gemacht worden. Genauer gesagt, Butler versprach Gallas, "sein Bestes zu tun", denn er hatte mit Wallenstein noch eine alte Rechnung zu begleichen:
Sein militärisches Talent und seine Ergebenheit standen ehemals bei Wallenstein so hoch im Kurs, daß er ihm quasi seinen persönlichen Schutz anvertraute. Mit der Ernennung Butlers zum Generalmajor erreicht dessen militärische Laufbahn ihren Höhepunkt. Für die Soldaten der damaligen Zeit war eine solche Laufbahn die Bestätigung der Hoffnungen und Träume, allein durch militärische Leistungen, persönlichen Einsatz und Gehorsam sozialen Aufstieg und gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen, die unabhängig von Geburt und Titel waren. Die uneingeschränkte Zuneigung, die Wallenstein von seinen Offizieren erfährt, entspringt der gegenseitigen Interessenlage: seine Feldherrenkunst sichert ihnen reiche Beute und militärischen Ruhm; ihre Leistungen und ihr Gehorsam sichern Wallenstein sein (einziges) Machtinstrument - das Heer.
Butler bekannte sich in dieser Zeit bedingungslos zu Wallenstein. Er hat durch ihn alles erreicht. Nur eines fehlt ihm noch: die gesellschaftliche Anerkennung; - er erbittet seine Erhebung in den Grafenstand. Seine Bitte ist in historischen Quellen nicht definitiv erwähnt. Allein Schiller setzt sie explizit in seiner Wallenstein-Trilogie ins Licht. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Schiller diesen Vorgang aus rein dramaturgischen Gründen so ausführlich herausarbeitet. Natürlich bietet sich der Vorgang für einen dramaturgischen Kulminationspunkt persönlicher Beziehungen geradezu an, aber ebenso logisch lassen sich dadurch weitere Verhaltensmuster auch der übrigen am Attentat beteiligten Offiziere aufdecken, die ohne Kenntnis des Fehlverhaltens Wallensteins sonst nicht zu erklären sind.
Wallenstein soll - so Schiller - durch "Falschheit" und "Hinterlist" den Antrag Butlers zur Ablehnung gebracht haben. Damit hat Wallenstein gegen den soldatischen Ehrencodex seiner Armee verstoßen. Dieses - vom Standpunkt seiner Offiziere - bedenkliche moralische und soziale Verhalten Wallensteins zerstört deren Illusion von unbedingter persönlicher Freiheit. Butler und seine Umgebung sind nicht gewillt, Wallenstein Grundrechte und Achtung einzuräumen, die ihnen selbst verwehrt werden. Abgesehen davon, daß Wallenstein gerade nach der Schlacht bei Lützen sehr fragwürdige persönliche Entscheidungen fällt, ist die geradezu sorglose Mißachtung der sonst sehr gepflegten Söldnerideologie die größte Gefahr, in die er sich begibt.
Butler, als Kommandeur der Leibgarde, erhielt von Wallenstein den Befehl, ihn unter dem Schutz von 200 Dragonern nach Eger zu begleiten. Schon zu diesem Zeitpunkt hat Butler die persönliche Konsequenz gezogen: er verspricht dem Grafen Gallas, den Herzog gefangenzunehmen oder zu töten. Die Order des Kaisers über die Absetzung Wallensteins beseitigt alle noch vorhandenen Skrupel und erhöht die Gleichgesinnten Butlers, Leslie und Gordon, von Mordkumpanen zu Dienern des Kaisers.
Das Ziel, Wallenstein zu ermorden, war damals den Drahtziehern des Komplotts schon klar, nur der Weg, die Mittel und Methoden waren unklar.
Nachdem der Versuch Piccolominis, Wallenstein in Pilsen gefangenzunehmen, durch die Flucht der Herzogs fehlgeschlagen war, bot sich Eger als die letzte Chance für die Attentäter an. Denn wenn, wie befürchtet, der sächsische Feldherr Arnim mit seinem Heer Richtung Eger marschieren würde, um sich mit Wallenstein wie geplant zu vereinigen, war die letzte Möglichkeit, Wallenstein zu ermorden, vertan.
Bevor Wallenstein in Eger eintrifft, ist für die Durchführung des Anschlages alles abgesprochen und vorbereitet.
Der Mordplan sah zwei Etappen der Realisierung vor: In der ersten Etappe sollten die Vertrauten Wallensteins auf einem eigens organisierten Festbankett auf der Burg umgebracht werden; erst dann sollte in der zweiten Etappe die Ermordung Wallensteins durch Rittmeister Deveroux erfolgen. Zu diesem Zweck wurde Geraldin mit 6 ausgewählten Butlerschen Dragonern in ein Nebenzimmer des Festsaales der Burg versteckt, in einem anderen Nebenzimmer Deveroux mit weiteren 24 Dragonern des gleichen Regiments.
Die Gäste waren Ilow, Trczka, sein Rittmeister Neumann und Graf Kinsky.
Als Gastgeber empfahlen sich Gordon, Leslie und Butler, die noch am Vormittag einen Treueeid auf Wallenstein geschworen hatten. Sie hatten für reichlich Speisen und vor allen Dingen für Getränke gesorgt. Die Stimmung war ausgelassen.
Es muß gegen 20.00 Uhr des 25. Februar 1634 gewesen sein. Das Konfekt wurde zum Nachtisch aufgetragen, die Dienerschaft der Eingeladenen wurde entfernt, als Leslie das Stichwort für den Überfall gab. Geraldin, Deveroux und deren Dragoner fielen nun über die Gäste her. Um in dem sich abzeichnenden Getümmel nicht selbst Opfer des eigenen Komplotts zu werden, wurde vorsichtshalber verabredet, daß Butler, Gordon und Leslie jeder einen Leuchter von der Tafel hocheben und "Vivat Ferdinandus!" rufen sollten.
Graf Kinsky wurde sofort getötet, ihm folgte Ilow. Trczka war der einzige, der sich kurze Zeit noch tapfer wehren konnte und die Situation begriff. Er nannte Gordon einen feigen Verräter, schlug Deveroux den Degen entzwei, hieb zwei Dragoner nieder und tötete den spanischen Hauptmann
Lerda
. Er forderte Leslie zum Kampf, aber dieser hing am Leben und behielt statt des Degens lieber den Leuchter in der Hand. Macdonald versetzt dem fliehenden Trczka den Todesstoß; andere Quellen behaupten, Trczka konnte sich bis auf den Hof der Burg durchschlagen und wurde dort von irischen Dragonern getötet.
Niemann
, der Sekretär Trczkas, entkam in eine Küche oder Speisekammer, kannte aber das neue Losungswort nicht und wurde daraufhin von den dort aufgestellten Dragonern umgebracht. Man hatte den Mördern vorsichtshalber nur Partisanen und Degen gegeben, der Lärm von Schußwaffen hätte die Stadt alarmiert oder Wallenstein aufmerksam gemacht.
Trotzdem wurden bei der Verfolgung eines Dieners Trczkas zwei Schüsse abgefeuert. Leslie eilte daraufhin in die Stadt und fand die Stadtwache bereits in Alarmbereitschaft. Er ließ die Wachen noch einmal auf den Kaiser schwören und befahl ihnen, sich ruhig zu verhalten. Vorsichtshalber ließ Leslie weitere 100 Dragoner von Butlers Regiment in die Stadt ein und besetzte den Markt.
Dann wurde der entscheidende zweite Teil des Mordplanes ausgeführt: Gordon blieb in der Burg zurück. Butler umstellte mit seinen Leuten das Quartier Wallensteins und Deveroux begab sich zu Wallenstein.
Die herzogliche Wache ließ den Rittmeister Deveroux mit seinen 6 Mittätern ein, in der Meinung, daß er dem Feldherrn Meldung zu machen habe.
Im Vorzimmer bedeutete der Kammerdiener Deveroux, keinen Lärm zu machen, da Wallenstein bereits zu Bett gegangen sei. Die Diener werden niedergestochen. Deveroux trat die Tür zu Wallensteins Schlafzimmer ein. Wallenstein stand im Hemd am Fenster; der Lärm im Treppenhaus hatte ihn aufgeweckt und die lauten Schreie der Gräfin Trczka, die im gegenüberliegenden Gebäude untergebracht war und in diesem Moment die Nachricht von der Ermordung ihres Gatten erhielt, hatten ihn zum Fenster geführt.
Deveroux versuchte seine letzten Skrupel durch verbale Beleidigungen gegen Wallenstein loszuwerden und versetzt ihm mit der Partisane den Todesstoß.
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Wallensteins Tod
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Der Tod durch diese Waffe ist furchtbar und sühnt alle Verbrechen, die Wallenstein begangen haben mag.
Liest man die Ausbildungsregeln der damaligen Zeit zum Umgang mit der Partisane, bekommt man selbst als Zeitgenosse, der als Ferseh-Kriegsteilnehmer mit Napalm und Giftgas verwöhnt wird, Mitleid mit den Opfern dieser Waffe.
Ein irischer Dragoner wollte die Leiche Wallensteins aus dem Fenster werfen. Deveroux soll ihn daran gehindert haben. Statt dessen wird des Herzogs Leiche in einen Teppich gewickelt, in den Hof geschleift, auf einem Karren in die Burg gefahren und im Burghof liegen gelassen.
Erst nach 2 Tagen werden die nackten Leichen der fünf Getöteten in Kisten gelegt. Wallensteins Leichnam ist völlig steif, man bricht seine Beine , um ihn in die Kiste zu legen und bringt alle Kisten vorläufig ins Franziskaner-Kloster des Ilowschen Schlosses nach Mies.
Am 25. Februar 1634 wurde Gallas als erster durch Butler von der Ermordung Wallensteins informiert.
Wenige Tage später wird dem Kaiser der Tod Wallensteins und seiner Anhänger mitgeteilt.
Es ist nicht überliefert, ob Ferdinand II. Machiavellis Buch "Vom Fürsten" (1523) je gelesen hat.
Wenn nicht, hat er wahrlich fürstlich und instinktiv richtig reagiert, als er nach dem Erhalt der Nachricht anordnete, für die Toten 3.000 Seelenmessen zu lesen.
Denn Machiavelli gab schon einhundert Jahre vor dieser Entscheidung den Rat: "Es ist also nicht nötig, daß ein Fürst alle Tugenden wirklich besitze, sondern es ist schon hinlänglich, wenn er sie nur zu besitzen scheint."
Und Kaiser Ferdinand II. scheint hinlänglich christliches Gewissen besessen zu haben...
Machiavellis Schriften sind ein Glücksfall für die geschichtliche Bewertung von Handlungen und Personen.
Seine Dogmen der politischen Ethik und Gewalt werden auch weiterhin Massenmörder legitimieren und politische Morde moralisch erscheinen lassen.
Wie schrieb er doch auch?
"Wenn es sich um die Rettung des Vaterlandes handelt, kann von Verrat, von Treue, von böse oder gut, von Barmherzigkeit und Grausamkeit keine Rede sein. Alle Mittel sind recht, wenn nur der Zweck erreicht wird."
Die Geschichte läßt allerdings die Frage unbeantwortet:
Wer wollte eigentlich in der Zeit des 30jährigen Krieges welches Vaterland retten und vor wem und zu welchem Zweck?
Gallas begab sich sofort zum Kaiser, um die Belohnung für sich und für Butler einzufordern. Gallas bekam Illows Silber, welches in Prag lagerte, die Wallensteinschen Besitzungen Friedland und Reichenberg. Der Gesamtwert dieser beiden Ländereien betrug 500.000 Gulden.
1636 folgten als Schenkung die Trczkaschen Güter Smircziz und Horczeniowez. Nach Golo Mann [2] darüber hinaus noch 178.000 Gulden. Außerdem bekam Gallas Kinskys Haus in Prag.
Die Organisation eines Mordes hatte sich bezahlt gemacht.
Nachdem die Verschwörerclique nun sicher sein konnte, daß ihre Tat nicht nur die Gnade des Kaisers gefunden hatte, sondern auch die erhoffte Belohnung verteilt wurde, fand ein förmlicher Wettlauf der Mörder nach Wien statt. Butler zum Beispiel bestand darauf, daß er an der Tötung aller aktiv dabei war. In einem Schreiben an den Kaiser betonte er, wie sehr er bisher im Dienst seiner Majestät unter Wallenstein zu leiden gehabt hatte und daß die Exekution "hoffentlich ersprießlich" gewesen sein.
Auch Leslie reiste persönlich zur Erfolgsmeldung nach Wien; sofort sandte Butler Kapitän Macdaniel als sein Sprachrohr nach. Offenbar einige Stunden zu spät, denn Leslie wurde vom Kaiser auf der Stelle zum Grafen und Kammerherren erhoben. Butler war beleidigt und fühlte sich nicht ausreichend gewürdigt. Der Ruhm der "Friedländischen Exekution" schien jetzt allein über Gordon und Leslie zu strahlen; - wo er doch (nach seiner Auffassung) die Führung gehabt hatte. Er drohte, in polnischen Dienst überzutreten, wenn seine Leistungen nicht entsprechend gewürdigt werden. Aber es wurde ihm angedeutet, daß die Gnade und Großzügigkeit des Kaisers auch an ihm nicht vorbeigehen wird; es gab ja auch genügend zu verteilen - aus dem Nachlaß Wallensteins und seiner Anhänger. Butler versäumte keine Zeit und reiste umgehend mit dem Mörder Deveroux nach Wien. Der Kaiser reichte ihm die Hand, lobte ihn für seine Tat, Treue und Redlichkeit. Der Bischof von Wien überreichte ihm eine goldene Kette und einen Gnadenpfennig. Und endlich war Butler am Ziel seiner Träume: er bekam die Kammerherren-Schlüssel und wurde in den Grafentand erhoben. Allerdings - was nützt ein Titel ohne materielle Basis in dieser Zeit.
B utler hatte Glück! Er bekam außer dem Gut Hirschberg (von den konfiszierten Gütern Trczkas) noch 225 000 Gulden.
Auch Deveroux erhält vom Kaiser eine eigenhändig aufgesetzte Würdigung seiner "kühnen Tat". Außerdem eine goldene Gnadenkette, ein Geldgeschenk in Höhe von 40.000 Gulden, mehrere ansehnliche Güter, und er wird zum Kammerherrn ernannt.
Bei den riesigen Summen, die die Mörder Wallensteins als Belohnung erhielten, stellt sich die Frage, woher der Kaiser diese Mittel hatte; er, der sich noch 1630 das Reisegeld zum Kurfürstentag nach Regensburg von Wallenstein leihen mußte.
Natürlich nahm er sie nicht aus der Staatskasse, denn die war wie immer leer. Aber Ferdinand hatte, noch bevor die "Verräter" ermordet waren, bereits Kommissare nach Böhmen auf die Güter und Schlösser der Geächteten geschickt, zur Inventarisierung ihres Vermögens. Kaiserliche Beauftragte tauchten in Hamburg und Venedig auf, um Wallensteins Konten zu durchforsten.
Die kaiserlichen Kommissare, die sich eifrig an die Arbeit machten, kalkulierten eine Gesamtsumme von 8.661.000 Gulden.
Aber offenbar hatte der Kaiser das Vermögen Wallensteins völlig überschätzt; Ferdinand war die Summe zu gering. Er glaubte, daß Goldschätze vergraben oder große Summen fortgeschafft waren und setzte Prämien von einem Zehntel des Wertes aus, den Mitwisser verborgener Schätze melden würden.
Wahrscheinlich aber lag dieser Zweifel am tatsächlichen Wert des Wallensteinschen Vermögens in der Unfähigkeit Ferdinands begründet, ökonomische Zusammenhänge zu begreifen oder Vorhandenes zumindestens zu sichern. Hätte Ferdinand auch nur ansatzweise den wirtschaftspolitischen Weitblick Wallensteins besessen, hätte er den gesamten Wirtschaftskomplex Friedland einschließlich der befähigten und eingespielten Wirtschaftsbürokratie übernommen und sich damit jährliche Einnahmen gesichert wie sie die derzeit besten Provinzen nicht mehr aufbrachten.
Er tat dies aus mangelndem Sachverstand nicht.
Ferdinand begriff noch nicht mal, daß diese ökonomische Infrastruktur der Güter und Manufakturen die einzige Wohltat war, die Wallenstein seinem Vaterland Böhmen und damit dem Reich hinterließ. Das ökonomische Wunderwerk wurde zerstört, zerstückelt, verschenkt. Zählt man Wallensteins Fürstentümer, Trczkas Güter, den Rießenbesitz des Grafen
Schaffgotsch
und die (relativ) bescheidenen Vermögen Ilows und Kinskys zusammen, so hatte der Kaiser stattliche 14 Millionen Gulden zu verschenken! [2]
Eine Summe, die Ferdinand alle Bezüge zur Wirklichkeit geraubt haben muß, wenn man weiß, daß er vordem oft keine 50 Gulden flüssig hatte, um einen Kurier zu bezahlen!
In dieser Summe sind nicht enthalten: die Grundflächen und Ressourcen Mecklenburgs, die Forderungen Wallensteins an den Kaiser, die bei dieser Gelegenheit einfach "vergessen" wurden, Vieh und Getreidevorräte in den Speichern Friedlands, die edlen Pferde in den Gestüten sowie die Werte der Waffenarsenale.
Andererseits wird bei diesen Summen erst deutlich, welche Riesenvermögen Wallenstein und die skrupellosen Sieger sich nach der Schlacht am Weißen Berg von den enthaupteten oder geflohenen böhmischen Adligen rücksichtslos angeeignet hatten. Ebenso rücksichtslos bedienten sich nun die neuen Sieger.
Die Geschichte ist im Laufe der Jahrhunderte mit Millionen von Kriegstoten, unmenschlichen Verbrechen und immer wieder neuen Siegern über die Ereignisse des Jahres 1634 ungerührt hinweggegangen.
350 Jahre später ist die Burg in Eger größtenteils eine Ruine. Früher, so heißt es, war die Burg von weitem zu sehen.
Für den gichtgeplagten Wallenstein muß ihr Anblick im Nebel des 24. Februar 1634 wie eine Erlösung von den Qualen und Sorgen der vergangenen Tage gewesen sein, und die Hoffnung auf ein linderndes Kräuterbad ließ ihn seine Schmerzen ertragen. Ärzte würden die Verbände an den eiternden Beinen wechseln und Astrologen standen sicher wie immer unsicher herum und wußten nicht, wie sie ihrem Auftraggeber die beunruhigenden Vorzeichen deuten sollten. Und die Hoffnung bestand, daß Arnim mit seinem Heer bereits in Richtung Eger aufgebrochen war.
Was er nicht wußte: Arnim traute Wallenstein nicht über den Weg und brach erst am 27. Februar widerwillig Richtung Eger auf; - zu spät wie er unterwegs erfuhr... Heute ist der Blick auf Eger durch wenig attraktive Neubauten, abgewirtschaftete Fabriken und schlimme Garagenkomplexe versperrt.
Wallenstein logierte damals in einem noch heute erhaltenem Haus am unteren Ende des Marktes. Dem interessierten Publikum wird ein Mordzimmer im ersten Stock, das Zimmer Nummer 5 eingeredet. Abgesehen davon, daß dort jetzt die Sitzungszimmer des Nationalkommitees eine Besichtigung unmöglich machen, kann davon ausgegangen werden, daß Wallenstein tatsächlich im Vorderhaus mit Blick auf die Straße gewohnt hat. Noch bis 1757 sollen Blutspuren der Mordtat an der Wand zu sehen gewesen sein. Jesuiten, die vor dieser Zeit in diesen Räumen gewohnt hatten, schienen sich nicht daran zu stören.
In den historischen Dokumenten der Jesuiten in Böhmen kann man nachlesen, daß ein Jesuitenpater, der im Mordzimmer Wallensteins übernachtet und dort offenbar schlecht geschlafen hatte, nachts "befremdliche Erfahrungen" gemacht hatte. Beim Frühstück hat er den Rektor dafür gerügt, daß man ihn nicht ohne Warnung in einem Raum hätte schlafen lassen sollen, in dem Gespenster umgingen. Erstaunlich ist sein überlieferter Ausspruch:
"Und euch allen sage ich: daß mir niemand mehr schlecht über Wallenstein spreche. Denn er wäre sehr töricht gewesen, nach der Krone Böhmens zu streben; wußte er doch, daß er höchstens noch zwei Jahre zu leben hatte"... Woher wollte er das wissen? Vielleicht hat sich ihm Wallenstein ohne Kopf vorgestellt, denn es wird behauptet, daß der schwedische General
Baner
den Sarg seines großen Gegners öffnen ließ und den Schädel des Toten als Trophäe nach Stockholm schicken ließ.
Der Leichnam Wallensteins fand lange Zeit keine Ruhe. Zunächst wurde der Herzog von Friedland im Franziskanerkloster in Mies beigesetzt. 1636 erhielt Max Wallenstein, der Neffe und Erbe des Toten, die Erlaubnis, die Leiche nach der Kartause Walditz bei Gitschin zu überführen. In dieser Zeit machte man selbst mit den Lebenden wenig Federlesens; daß der Leichnahm mit einem Leiterwagen transportiert wurde, störte damals niemanden. Es gab sicher auch zu wenig noch lebende Zuschauer. Die Mönche, die den Leichnam begleiteten, erlebten zu ihrer Verwunderung, daß zwei Jahre und drei Monate nach dem Tod, die Leiche Wallensteins noch nicht verwest war und selbst die Wunde
"weder dem Auge noch dem Geruchsinn den widerlichen Eindruck der Fäulnis bietet".
Wallenstein wurde in der Gruft, die er noch zu Lebzeiten einrichten ließ, neben seiner ersten Frau, Lucretia von Landeck, und seinem früh verstorbenen Söhnchen, Albrecht Carl, beigesetzt.
Als im Jahre 1785 das Kartäuser-Kloster, in ein Zuchthaus umgewandelt wurde, überführte man Wallensteins Gebeine nach Münchengrätz, inmitten des ehemaligen Herzogtums Friedland. Diesmal unter Posaunenschall auf einem von sechs Pferden gezogenen und mit schwarzem Tuch bespannten Schlitten.
1934, anläßlich des dreihundertsten Todestages, entschloß sich die Familie Waldstein zu einer erneuten Veränderung. Wallensteins Sarg wurde umgesetzt und mit einer Bronzeplatte abgedeckt. Der Sarg soll sehr klein sein; viel wird von dem großen Feldherrn auch nicht mehr übrig sein...
Dafür ist das mächtige Bronzerelief auf einem Marmorsockel umso eindrucksvoller. Überlebensgroß, mit Harnisch und Feldherrnstab, aber ohne Unterleib, blickt der große Feldherr nachdenklich auf eine in Marmor gravierte gleichermaßen anmaßende wie melancholische Frage:
"Quid lucidius sole?et hic deficiet." - Was leuchtet heller als die Sonne? und auch sie weicht der Finsternis.
Bei flüchtiger Wertung der außerordentlich umfangreichen Literatur über Wallenstein stellt sich heraus, daß fast alle Autoren der Faszination einer strahlenden und oft auch schillernden Persönlickeit erlegen sind.
Zu sehr konzentrieren sie sich auf seinen kometenhaften Aufstieg, seine zweifelhaften Praktiken und umstrittenen Ziele, seine militärischen Erfolge und die Umstände seiner Ermordung.
Zu wenig wird aber sein Bemühen gewürdigt, mit seinen begrenzten diplomatischen Mitteln und befangen von seinen Wertvorstellungen, den großen tragischen Krieg seiner Zeit zu beenden.
Lediglich Schiller [5] hat Wallenstein "ernstliche Neigung zum Frieden" attestiert und sie als große historische Leistung anerkannt.
Je nachdem welchem politischen Lager die Autoren zuzuordnen sind bzw. welche moralischen, philosophischen oder ideologischen Standpunkte sie vertreten, reicht das Spektrum der Urteile der Historiker über die Person Wallensteins von "ruchlos" über "politischer Abenteurer" bis hin zu der Behauptung, er sei ein "deutscher Richelieu", ein Vorkämpfer gewesen für das einheitliche absolutistische Deutschland auf Kosten der Fürsten, frei von allen konfessionellen Gegensätzen.
(s. Anmerkung 9)
Die oft einseitige, hin und wieder ungerechte historische Wertung der Person Wallenstein bringt Schiller in der
"Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" auf den Punkt, wenn er schreibt:
"Ein Unglück für den Lebenden,
daß er eine siegende Partei sich zum Feinde gemacht hatte;
ein Unglück für den Toten,
daß ihn dieser Feind überlebte und seine Geschichte schrieb."
ergänzender Link zur
Wallensteinbiographie
von Hellmut Diwald.
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