TILLY, Johann Tserclaes

« 1559
U 1632

Johann Tserclaes Graf Tilly wurde 1559 im Wallonischen Brabant auf dem Schloß der Herrschaft Tilly als Sohn eines kaiserlichen Kriegsrates geboren. Die Familie bestimmte für ihn die geistliche Laufbahn. Ob die strenge Erziehung bei den Jesuiten ihn veranlaßte, das Kreuz mit dem Degen zu vertauschen, mag dahingestellt sein. Auf jeden Fall schlug er bereits als Siebzehnjähriger die militärische Laufbahn ein und diente sich von der Pike hoch. Er begann als Offiziersdiener, erreichte nach sechs Jahren die untersten Offiziersränge und war erst mit 41 Jahren Oberst. Allerdings absolvierte er als Offizier die damals beste militärische Ausbildung unter Herzog Alba, Don Juan de Austria und unter Alexander Farnese.

Mit diesen Referenzen kämpfte er 1602 unter dem Kommando des Herzogs Philipp Emanuel von Lothringen-Mercoeur als Rittmeister und Kommandeur von 3.000 Wallonen gegen die Türken in Ungarn. Ihm wird außerordentliche Tapferkeit beim Sturm auf die Festung Ofen bescheinigt. Nach dem Fall von Ofen blieb Tilly bis 1606 in Ungarn. Im Jahre 1603 ist Tilly bereits Generalwachtmeister unter den Erzherzog und späteren deutschen Kaiser Kaisers Matthias .

Im November 1604 siegte er unter Georg Basta, dem späteren militärischen Lehrmeister Wallensteins, bei Ostian über die Türken. Zu diesem Zeitpunkt war er Oberfeldzeugmeister.

1605 zog er den in Steyermark eingefallenen Türken und Haiducken entgegen und sicherte nach dem Sieg die Grenzen bei Canischa. Während einer Prozession von Katholiken in Donauwörth kam es im Jahre 1608 zu Auseinandersetzungen mit der mehrheitlich protestantischen Bevölkerung. (dazu Anmerkung 2 )

Die Stadt wurde daraufhin vom Kaiser mit der Reichsacht belegt und Maximilian von Bayern mit der "Bestrafung der Schuldigen" beauftragt. Tilly setzte den Auftrag Maximilians militärisch durch. Im Grunde widersprach die befohlene militärische Strafaktion dem Augsburger Religionsfrieden (dazu Anmerkung 3 ) und kam einer Verletzung der Reichsgesetze gleich. Die Vorfälle in Donauwörth und die nicht überbrückbaren Gegensätze zwischen den beiden Konfessionen auf dem Reichstag zu Regensburg 1608 führten dazu, daß die Protestanten sich zu einer "Union" zusammenschlossen, um ihren Forderungen auch militärisch Nachdruck zu verleihen.

Ein Jahr später, 1609, bildete sich unter Führung Maximilians von Bayern die Katholische Liga als Antwort auf das Bündnis protestantischer Fürsten. (dazu Anmerkung 4 )

Zum militärischen Führer der Ligatruppen wurde Tilly im Rang eines Generalleutnants berufen. (dazu Anmerkung 5 ) Es war Tillys Verdienst, in der bayerischen Armee die wahrscheinlich ersten Feldlazarette seiner Zeit eingeführt zu haben, die in unmittelbarer Nähe des Schlachtfeldes die ambulante Versorgung der Verletzten in Hauptverbandsplätzen und spätere stationäre Behandlung in Spitälern ermöglichten.

Maximilian setzte Tilly zunächst für hausinterne Machtinteressen ein: In Oberösterreich stand ein großer Teil des Landadels unter Waffen, der aber ohne die Hilfe Böhmens keinen sinnvollen Widerstand organisieren konnte.

Oberösterreich war in dieser Zeit Maximilian verpfändet. Es ging für Maximilian also um Geld und Ressourcen und es ging um die Wiederherstellung der alten Ordnung. Es ging aber nicht nur um Disziplinierung des Landadels, sondern war - historisch gesehen - eine Weichenstellung für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen, als am 23. Juli 1620 das Heer der katholischen Liga unter dem Oberbefehl des Grafen Tilly die Grenze Österreichs überschritt. 25.000 Söldner vieler Nationen - von Jesuitenpredigern angefeuert - erzwangen am 4. August 1620 in Linz die Unterwerfung der österreichischen Stände. Die Bauern flohen vor den Truppen Tillys, und seine Söldner schlachteten mutwillig ihr gesamtes Vieh ab.

In der Zwischenzeit hatte sich die politische Entwicklung im Königreich Böhmen dramatisch zugespitzt: Die Ursachen für die geradezu militante Entwicklung liegen zum einen in den scheinbar unüberbrückbar gewordenen religiösen Gegensätzen nach der Glaubensspaltung und zum anderen in den ungelösten Problemen der Reichsverfassung. (dazu Anmerkung 6 )

In einer für das damalige Rechtsverständnis schwierigen Frage, ob Protestanten auf Kirchengrund Gotteshäuser bauen dürften, nahmen die protestantischen böhmischen Stände aufgrund der ihnen im Majestätsbrief (dazu Anmerkung 7 ) verbrieften Zusagen das Recht zum Bau der Kirchen für sich in Anspruch. Als die katholische Geistlichkeit den Kirchenbau verhindern wollte, klagten die Protestanten. Ihre Klage wurde vom Kaiser Matthias abgewiesen; die Protestanten wählten daraufhin den Weg der Gewalt. Ihre Abgeordneten stürzten am 23. Mai 1618 die vom Kaiser eingesetzten katholischen Räte aus dem Fenster der Prager Burg, setzten eine ständische Regierung ein, erklärten Ferdinand , den Sohn des Kaisers, als böhmischen König für abgesetzt und sammelten zur Verteidigung ihrer Rechte ein Heer, das unter dem Kommando des Grafen Thurn im Juni bis vor die Tore Wiens marschierte, um nach kurzer Belagerung nach Böhmen zurückzukehren.

Im August 1619 erfolgte in Frankfurt am Main die Wahl Ferdinands zum Nachfolger des am 20. März 1619 verstorbenen deutschen Kaisers Matthias. Als trotz aller Warnungen am 26. August die böhmischen Stände den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum neuen König von Böhmen wählen, reagiert Kaiser Ferdinand sofort und kompromißlos: am 8. Oktober 1619 unterzeichnete der Kaiser ein Abkommen mit Maximilian, wonach der Kurfürst von Bayern das Oberkommando aller militärischen Unternehmungen gegen die aufständischen Böhmen übertragen bekam. Als Pfand für seine militärischen Auslagen erhält er alle eroberten Gebiete. In einem Geheimabkommen wurde zusätzlich vereinbart, daß Maximilian bei einer Niederlage Friedrichs dessen Kurfürstentitel erhalten sollte.

Maximilian war zwar kein Soldat, aber er hatte den richtigen politischen Instinkt, der ihm sagte, daß ein sofortiger Angriff auf Prag den Aufstand beenden würde. Für die Katholiken, insbesondere Maximilian von Bayern, schien es ein günstiger Zeitpunkt zur Restauration der Verhältnisse zu sein.

Tilly vereinigte auf Befehl Maximilians in Linz seine an der Niederschlagung des österreichischen Aufstandes beteiligten Truppen mit dem Rest des kaiserlichen Heeres und überschritt am 25. September 1620 die böhmische Grenze Richtung Prag.

Die böhmischen Truppen zogen sich bei Annäherung der vereinigten katholischen Heere zurück.

Am Abend des 7. Novembers 1620 bezogen die böhmischen Truppen das Plateau des Weißen Berges, der Prag um einiges überragte und eine taktisch gute Ausgangsstellung gegen einen angreifenden Feind bot. Der böhmische Oberkommandierende war sich so sicher, daß die kaiserlichen Truppen unter den gegebenen Umständen nicht angreifen werden, daß er noch nicht einmal Befehle für den folgenden Tag ausgab. Die gegebenen Umstände waren die, daß das katholische Heer hungrig, verseucht und völlig erschöpft war, die Pferde kein Futter hatten, weil die Umgebung verwüstet und durch Bethel Gabors Truppen (dazu Anmerkung 8 ) ausgeplündert und der 8. November nebelig und kalt war. Außerdem trennte ein Fluß die Verteidiger von den Angreifern, die bei einem Angriff auch noch bergauf hätten stürmen müssen.

Auch die Kommandeure der Truppen Maximilians rieten von einem Angriff ab. Maximilian setzte hingegen auf einen sofortigen Angriff.

Die lange Verzögerung, die durch den Kriegsrat Maximilians entstand, bestärkte die Böhmen in der Annahme, daß es nicht zum Kampf kommen werde. Um so überraschter waren sie, als Tilly, durch starkes Artilleriefeuer unterstützt, plötzlich im Zentrum angriff. Zunächst hielten die Böhmen dem Angriff stand. Aber als der rechte Flügel der Böhmen zurückwich und auch noch die Ungarn in heilloser Flucht über die Moldau setzten, brach die gesamte rechte Front zusammen. Auf der Linken versuchten die Offiziere mit vorgehaltenem Degen die Mannschaften zu disziplinieren, aber außer der mährischen Leibgarde, die sich nicht ergab, durchbrachen die Soldaten die Front Richtung Prag.

Der neue böhmische König Friedrich war während der Kämpfe mit Gästen aus England beim Frühstück und davon überzeugt, daß die kaiserlichen Truppen nach Lage der Dinge zurückgeschlagen werden. Nach dem Frühstück ritt er mit 500 (!) Reitern aus, um gemeinsam mit seinen Gästen seine tapferen Krieger im Kampf zu beobachten.

Als er durch das Stadttor ritt, kamen ihm die ersten flüchtenden Soldaten entgegen; wenig später auch Christian von Anhalt , sein Oberbefehlshaber...

Den Hof ergriff Panik, und Friedrich floh mit seiner Familie zunächst nach Breslau. (dazu Anmerkung 9 )

Tilly errang gemeinsam mit den Truppen des kaiserlichen Generals Bucquoy einen totalen Sieg über das Heer des böhmischen Königs. Einen Tag nach der Schlacht rückten die Sieger in Prag ein. Es begann eine Plünderungsorgie. Man konnte aus dem Vollen schöpfen, hatten doch die reichen Adligen ihre wertvollsten Güter in die vermeindlich sichere Stadt gebracht. Alle wesentlichen Kunstschätze fielen den Siegern in die Hände; auch die wertvolle Wenzelskrone - das Wahrzeichen böhmischer Könige.

Im November 1621: beauftragte Maximilian seinen Feldherrn Tilly mit der Verfolgung des für die kaiserlichen Truppen gefährlichsten militärischen Führers der protestantischen Truppen: Graf Mansfeld (dazu Anmerkung 10 ) . Dieser begabte, rücksichtslose Söldnerführer hatte noch eine Armee des geflohenen böhmischen Königs Friedrich unter seinen Fahnen. Mansfeld wurde von den Holländern brieflich eine Belohnung versprochen, falls er zur protestantischen Seite hielt. (dazu Anmerkung 11 )

Tilly, der allein Mansfeld nicht schlagen konnte, drängte dessen Heer aber aus der Oberpfalz und bezog dort selbst Winterquartier. Der Begriff Winterquartier steht hier für tausende menschliche Tragödien und die sinnlose Vernichtung persönlicher Existenzen und materieller Ressourcen. Viele der von Tillys Truppen verursachten, z. T. entsetzlichen Verwüstungen hatten ihre Ursache auch darin, daß sich die Söldner an der Bevölkerung für ihren entgangenen Sold schadlos hielten. Unvollständige Soldzahlungen hatten die Disziplin in Tillys Heer schon im Sommer 1621 untergraben. Seine Soldaten rächten sich nun mit der Zügellosigkeit des Eroberers an den Dörfern der unglücklichen Oberpfalz für ihre Armut.

In den Städten waren sie sogar plündernd in die Spitäler und Pesthäuser eingebrochen und hatten so die Seuche in ihre eigenen Reihen eingeschleppt und über das Land verbreitet.

Während Tillys Truppen die Oberpfalz verwüsteten, sammelte Mansfeld sein Heer, verdrängt den spanischen General Cordova aus der Rheinpfalz und verwüstet dieses Land und das Elsaß bis nach Speyer.

Cordovas einzige Chance militärisch zu überleben bestand darin, sich mit Tilly zu vereinigen.

Mansfeld versuchte am 27. April 1622 durch militärisches Eingreifen beim Dörfchen Mingolsheim die Vereinigung beider Heeresgruppen zu verhindern. Der bis dahin ungeschlagene Tilly verlor in dieser Schlacht 3.000 Mann und seinen Ruf der Unbesiegbarkeit.

Der Markgraf von Baden-Durlach, ein überzeugter Protestant, der sich bisher aus Standesgründen geziert hatte, mit Mansfeld gemeinsame Sache zu machen, überschreitet daraufhin am 6. Mai 1622 mit seinem Heer den Neckar, um dadurch Tilly und Cordova zu trennen. Nach anfänglichen Erfolgen werden seine Truppen von Tilly und Cordova geschlagen. Er flüchtet nun mit den Resten seiner Truppen zu Mansfeld.

Die Vereinigung der Heere Tillys und Cordovas gelingt im Mai 1622. Damit ist Tilly´s Schlagkraft wiederhergestellt.

Tilly verfolgte Mansfeld im Mai/Juni 1622 in Eilmärschen zum Main, um zu verhindern, daß Mansfeld Christian von Braunschweig bei der Überschreitung des Mains unterstützt.

Tilly und Cordoba erreichten den Main zwar vor Mansfeld beim Brückenkopf von Höchst westlich von Frankfurt. Es gelang ihnen aber nicht, Christian am Übergang zu hindern und sich mit Mansfeld zu vereinigen.

Tillys Soldaten waren völlig heruntergekommen; eigentlich brauchten sie Ruhe und Erholung und für ihre Pferde Futter. Dafür fehlte aber das Geld, und das Land war verwüstet. Dieser Umstand erleichtert es Mansfeld und Christian, sich vor den kaiserlichen Truppen nach Bergen op Zoom durchzukämpfen.

Am 19. September 1622 wurde die Stadt Heidelberg , die Hauptstadt des besiegten und geächteten böhmischen Königs Friedrich von der Pfalz, durch die Truppen Tillys erobert und geplündert.

Sobald sich Tillys Truppen in der Pfalz festgesetzt hatten, wurden die protestantischen Kirchen in Heidelberg geschlossen, die Universität aufgelöst und auf Veranlassung Maximilians von Bayern wurde die großartige kurfürstliche Bibliothek als Dankopfer über die Alpen geschafft und dem Vatikan übergeben. Die berühmte "Biblioteca Palatina" auch "Mutter-Bibliothek" genannt, erwartete eine bewegte Geschichte: 3.500 Handschriften gingen auf Eselsrücken über die Alpen nach Rom. Dort wurden sie als gesonderter Bestand der "Vaticana" aufgestellt.

Napoleon Bonaparte nahm 1797 einen Teil dieser Bibliothek als Beute nach Paris. Nach seinem Sturz wurde diese "Palatina" wieder zurückgeführt. 1816 gab der Vatikan etwa 850 Handschriften deutscher Sprache zurück.

Dieses "Dankopfer" machte sich für Maximilian bezahlt: Der Vatikan beteiligte sich nun an der Finanzierung der Liga-Truppen: bis August 1623 flossen 620.000 Gulden aus Rom in die Kassen der Liga.

Im September/Oktober 1622 war die Unterwerfung der Pfalz durch Tilly und Cordova abgeschlossen.

Die weiteren Daten der militärischen und menschlich oft tragischen Karriere Tillys zeigen einen begabten Feldherrn, der sich in Zeiten moralischen Werteverfalls seine menschliche und religiöse Integrität nicht allein durch Glauben und Kaisertreue bewahren konnte.

Er wird zum Spielball eines machtbesessenen, mit Komplexen beladenen Kurfürsten, der ihn mit seiner Intelligenz und Skrupellosigkeit erdrückt:

5. November 1622: Tilly nimmt Mannheim ein. Juni 1623: Auf Drängen des Kaisers erhält Tilly von Maximilian die Order, gegen Christian von Braunschweig zu ziehen.

Christian (genannt "der tolle Halberstädter") beabsichtigte, den niedersächsischen Kreis zwischen Weser und Elbe mit dem Bistum Halberstadt zu besetzen.

30. Juli 1623 setzt Tilly südlich von Corvey über die Weser und verfolgt Christian, der vorher vergeblich versucht hatte, sich mit Mansfeld zu vereinigen.

6. August 1623. Tilly fügt Christian von Braunschweig bei Stadtlohn (15 km vor der rettenden holländischen Grenze) eine vernichtende Niederlage zu. Allerdings wird es Tilly nach der Schlacht von Stadtlohn durch Maximilian von Bayern verboten, das fliehende Heer in die Vereinigten Niederlande zu verfolgen. (Mit der Niederlage des protestantischen Heeres bei Stadtlohn haben auch die Pläne Friedrichs von der Pfalz ein jähes Ende gefunden: die Wiedereroberung Böhmens und die Rückerstattung der Pfalz sind abgeschrieben. Wochen später schließt Friedrich mit dem Kaiser einen Waffenstillstand.)

Oktober 1623: Tilly begibt sich von Stadtlohn geradewegs nach Ostfriesland, wo Mansfelds Horden plündernd und marodierend das Land ausraubten.

1624: Tilly erhält den Befehl, sein Winterquartier im niedersächsischen Kreis aufzuschlagen. Damit sollen dänische Interessen an Halberstadt neutralisiert werden. Maximilian von Bayern überredete in einer Versammlung die katholische Liga in Augsburg, Tillys Heer gegen eine mögliche Gefahr zu stärken. (Maximilian hatte Informationen, daß England, Dänemark, Savoyen und Venedig rüsten und daß England, Schweden und Dänemark heimlich mit den norddeutschen Fürsten verhandeln.) Um die zunehmende Macht der Habsburger zu schwächen, bildete sich 1625
eine neue antihabsburgische Allianz aus Dänemark, Schweden, Frankreich, den Niederlanden und England. Nach konkurrierenden Ansprüchen zwischen Schweden und Dänemark auf den Oberbefehl der Koalitionstruppen blieb Christian von Dänemark übrig, um allein im Sommer 1625 die protestantische Sache in Deutschland zu verteidigen. (dazu Anmerkung 12 ) Die "protestantische Sache verteidigen", das bedeutete, den Befürchtungen der norddeutschen Fürsten vorzubeugen, daß durch eine verstärkte Rekatholisierung die norddeutschen Kirchengüter (Stifter), wieder an die katholische Kirche zurückgegeben werden mußten. Diese Kirchengüter wurden entgegen dem geistlichem Vorbehalt (dazu Anmerkung 13 ) durchweg von protestantischen "Administratoren" verwaltet, und waren in der Regel die soziale Sicherung protestantischer Fürstensöhne.

Christian von Dänemark sammelte seine Truppen im Norden Deutschlands und
versuchte mit Unterstützung der protestantischen norddeutschen Fürsten und dem Geld der Niederlande die vermeintliche Schwäche des Kaisers zur Grenzkorrektur seines Reiches zu nutzen. Unter dem Vorwand der "Rettung der Teutschen Freiheit" marschierte sein Heer nach Süden; unterstützt von Mansfeld, Christian von Braunschweig und dem geächteten böhmischen Grafen Thurn.

Auf Grund eines Gerüchtes, Christian habe bei Hameln einen tödlichen Unfall gehabt, wurde Tilly zum Vormarsch ermuntert. Aber neue Nachrichten und Verpflegungsmangel zwangen ihn zur Umkehr. Zu Tillys Verstärkung trifft Wallenstein mit 30.000 Kaiserlichen ein. Verpflegungsmangel und Pest brachten aber mehr Probleme als Erleichterung.

Oktober 1625: Von Tillys 18.000 Mann waren 8.000 an der Pest erkrankt, alle waren ohne geeignete Winterquartiere im Raum Hildesheim untergebracht. Seine hungrigen Soldaten meuterten und desertierten.

Wesentlich war jedoch, daß Wallenstein Tilly vorsätzlich in materiell aussichtlose Situationen brachte. Maximilian von Bayern beschwerte sich beim Kaiser über die aktive Beeinflussung durch Wallenstein, denn der Herzog von Friedland zwang Tilly ständig, seine Truppen in den unbequemsten und unergiebigsten Quartieren unterzubringen, so daß nicht nur viele seiner Leute desertierten und von Wallensteins Offizieren angeworben wurden. Noch schlimmer als die systematische zahlenmäßige Schwächung von Tillys Heer war die Untergrabung der Moral seiner Offiziere, die, als sie sahen, daß der rivalisierende Feldherr besser zahlte und ein bequemeres Leben bot, ungeduldig auf den Ablauf ihrer Verträge warteten, um den bayrischen Dienst mit dem kaiserlichen zu vertauschen. Sogar Pappenheim hat einen solchen Wechsel erwogen.

Tilly schrieb, er habe in seinem ganzen Leben "khein armada gesehen, deren alle nothwendige requisita von größerstem biß zum geringsten auf einmal totaliter abgehen, sintemahl khein Artigleria-Pferde, khein einzig Officierer, khein Stückhe, so zue geprauchen, khein Pulver, Kugeln, Hackhen und Schauffeln, khein geldt noch Proviandt vorhanden".

Vergebens erbat er dringlich Hilfe; Wallenstein wollte und Ferdinand konnte nicht helfen.

1. Juli 1626: Tilly und Wallenstein verhandeln mit flämischen und spanischen Abgesandten, Lübeck zu besetzen und es in einen militärischen Stützpunkt der Spanier auszubauen. Der Plan wird jedoch von Tilly fallengelassen.

August 1626: Tillys und Wallensteins Heere trennen sich. Wallenstein macht sich an die Verfolgung Mansfelds, der sich nach der Niederlage an der Dessauer Brücke am 25./26. April 1626 gegen Wallenstein mit Bethlen Gabor vereinigen will.

Die Teilung der Sreitkräfte veranlaßt Christian von Dänemark seinen Standort im Herzogtum Braunschweig aufzugeben und südwärts gegen Thüringen zu marschieren. Sein Ziel: Zwischen den voneinander getrennten feindlichen Heeren ins Innere des ungeschützten Süddeutschlands vorzustoßen. Tilly schneidet ihm den Weg mit Teilen eilig herbeigerufener Truppen Wallensteins ab. Christian versucht, seine Operationsbasis in Braunschweig wieder zu erreichen, wird aber durch die schnell nachdrängenden Truppen Tillys daran gehindert.

27. August 1626: Christian von Dänemark stellt sich bei Lutter (3 km vor Wolfenbüttel) zur Schlacht. Durch den entschlossenen Angriff Tillys verliert Christian die Hälfte seines Heeres, die ganze Artillerie und entkommt nur mit Mühe der Gefangennahme. Tillys Truppen halten weiterhin das Bistum Hildesheim besetzt.

September 1627. Tillys und Wallensteins Truppen vereinigen sich auf ihrem Marsch elbabwärts bei der Verfolgung der Reste der Truppen Christians von Dänemark.

Oktober 1627: Tilly verringert die in Deutschland verbleibenden Besatzungen, während Wallenstein weiter nach Norden zieht und Christian über die holsteinische Grenze verfolgt und in Jütland Winterquartier bezieht.

Dezember 1629: Unter dem Einfluß Maximilians von Bayern bewilligt die Liga Geld für Tillys Heer.

August 1630: Auf dem Kurfürstentag in Regensburg wird Wallenstein vom Kaiser auf Drängen der deutschen Fürsten als Oberkommandierender des kaiserlichen Heeres abgesetzt. Wallenstein nimmt die Entlassung scheinbar gefaßt auf; er weiß, daß man ihn sehr bald wieder brauchen wird: denn am 6. Juli 1630 war der König von Schweden in Pommerm gelandet...

Tilly, bislang Militärführer des Liga-Heeres, übernimmt nun auch den Befehl über die kaiserlichen Truppen. (dazu Anmerkung 14 )

1631: Einquartierung des Heeres in Mecklenburg und im Raum Frankfurt/Oder. Während ihrer Einquartierung in Mecklenburg und im Odertal waren Tillys Truppen auf Nachschub aus den wohlversorgten Speichern Friedlands und Sagans wie auch aus Mecklenburg selbst angewiesen. Das waren jedoch Wallensteins Gebiete, und obwohl Wallenstein das Heer bestens verpflegte, solange es das seine war, sah er nicht ein, warum er es jetzt verpflegen sollte, wo es das Heer eines andern war. Er lieferte nur so viel Proviant aus Friedland, als bar bezahlt wurde, was fast einer völligen Verweigerung gleichkam; er lieferte so wenig als nur möglich aus Sagan und zog aus der Knappheit Nutzen, indem er den Kornpreis hinauftrieb; selbst in Mecklenburg gab er seinen Beamten die vertrauliche Weisung, der Einquartierung der Truppen die größtmöglichen Schwierigkeiten zu bereiten. Die hungrigen Soldaten liefen zu Arnims neuem Heer über, die Pferde verendeten, und das von Wallenstein geschaffene Heer schmolz unter seinem Nachfolger zusammen.

Frühjahr 1631: Zunächst Vorstoß auf Neubrandenburg. Einnahme Neubrandenburgs unter grausamem Gemetzel. Da Tillys Truppen nicht schlagkräftig genug waren, um ungefährdet vorzugehen, schließt sich Tilly mit dem größten Teil seines Heeres Pappenheim an, der Magdeburg belagert.

In dieser verzweifelten Lage gab Tilly dem Drängen seines Stellvertreters Pappenheim nach und setzte seine Hoffnung auf die Eroberung Magdeburgs. Magdeburg war der wichtigste strategische Punkt an der Elbe, und Tilly glaubte auch, daß es mit Vorräten wohlversehen sei.

20. Mai 1631: Magdeburg wird erobert. Magdeburg ging in Flammen auf. Von der ganzen Stadt blieben außer dem Dom und der Liebfrauenkirche nur einige elende Fischerhütten übrig. Fast die gesamte Einwohnerschaft büßte bei der Katastrophe ihr Leben ein. Von den 30.000 Einwohnern Magdeburgs waren ungefähr 5.000 am Leben geblieben.

Wie entsetzlich die mordgierige Soldateska in Magdeburg gehaust hatte, beweist der Umstand, daß Tilly noch am Tage nach der entsetzlichen Katastrophe, die Flüchtlinge, die sich in die vom Feuer verschonte Domkirche gerettet hatten, aus Furcht vor neuen Greueln aus ihrem Asyl nicht hinauslassen wollte. Die Geschichtsschreibung ist sich soweit einig, daß Tilly nicht den Befehl zur Zerstörung der Stadt gegeben hatte, da diese Festung in ihrer Lage und mit ihren Vorräten zu wichtig für seine Truppen war.

Interessant sind jedoch Interpretationen, die wahrscheinlich niemals bewiesen werden können, aber von ihrem Ansatz der Logik des Fanatismus folgen: es ist durchaus möglich, daß die radikal-protestantische Patei der Stadt selbst den Befehl gegeben hat, im Falle eines Sieges des Feindes die Stadt lieber in Brand zu stecken, als sie unversehrt den Kaiserlichen zu überlassen. (dazu Anmerkung 15 )

Solche Logik ist unmenschlich, sie wird aber in der Geschichtsschreibung der späteren Jahrhunderte mit dem Moralbegiff patriotisch belegt und entartet im konkreten Fall deshalb zur Perversion, weil Gustav Aolf in Saarmund, keine zwei Tagesmärsche von Magdeburg entfernt, untätig abwartete. Er konnte den Donner der Belagerungsgeschütze hören...

"Magdeburg ist gefallen für das Evangelium", das waren fortan seine einleitenden Worte bei Ansprachen und Proklamationen. Obwohl die Wortwahl zynisch genug war, kann Gustav Adolf nicht vom Vorwurf ernstzunehmender Historiker freigesprochen werden, diese Phrase unverschämter Heuchelei nur deshalb benutzt zu haben, um das Entsetzen der protestantischen Welt über die Magdeburger Katastrophe propagandistisch für seine Ziele auszunutzen.

(Hier sei eine Anmerkung zu Quellen gestattet, die versuchen, Tilly in ein günstigeres Licht zu rücken:
Ricarda Huch z.B. zeichnet Tilly als einen Feldherrn, der - nach Lage der Dinge mit geringem praktischen Erfolg - die Härten des Krieges zu mildern versuchte und dem Bereicherungsdrang der Offiziere und Soldaten Grenzen setzte. Bei allem Respekt: Ricarda Huch porträtiert ihn zu wohlwollend, denn 25.000 Tote in Magdeburg, das vorangegangene Gemetzel von Neubrandenburg und z. B. die Plünderung Heidelbergs sind eine Blutschuld, die - wenn sie nicht gewollt sein sollte - Tilly als Mensch ohne Durchsetzungskraft darstellt.)

Die Hoffnungen Tillys, mit den Vorräten Magdeburgs sein Heer zu verpflegen und Quartier zu bekommen, lagen in Schutt und Asche. Tage nach dem Fall Magdeburgs fleht Tilly Wallenstein vergeblich um Nahrungsmittel für seine Soldaten an. Tatsache war, daß im Sommer 1631 Tillys Soldaten Hunger litten. Die Schweden schlugen ihn im Norden zurück, nahmen am 22. Juli Havelberg und überrannten Mecklenburg. Im Spätsommer war ihm jede Hoffnung auf einen Ausweg geraubt. Tilly hatte gehofft, daß in dieser Notlage Wallenstein seine Länder und Hilfsquellen lieber dem kaiserlichen Heer zur Verfügung stellen wird als sein Herzogtum an die Schweden zu verlieren. Aber Wallenstein zog es vor, sein Herzogtum zu verlieren; seine Pläne waren langfristiger angelegt.

Wallenstein hatte sich am Ende seiner Laufbahn in Wien jede Achtung und jeden Dank verscherzt, weil er Tilly oft mit Absicht materielle Hilfe versagte und dessen Heer z. B. 1631 den Hungerstod preisgegeben hatte.

Erschwerend kommt hinzu, daß die Söldner nicht nur für sich selber sorgten. Für den gesamten Troß hatte der Söldnerführer Verpflichtungen.

In Tillys Heer rechnete man fünf Diener auf einen Leutnant und bis achtzehn auf einen Obristen. Wenn die Beute der Offiziere sich anhäufte, hielten sie sich Diener als Packesel. Die Kanoniere waren gemietete Mechaniker, die samt ihrem Stückmeister und den Knechten mit den gewaltigen Pferdegespannen und den Weibern und Dienern eine geschlossene, vom Heer gesonderte, jedoch für dieses wesentliche Einheit bildeten. Bauernmädchen, die aus geplünderten Höfen fortgeschleppt worden waren, des Lösegeldes wegen entführte und dann nicht weiter beachtete Kinder, Hausierer, Schwindler, Quacksalber und Vagabunden vergrößerten diesen Troß. Da die Stimmung der Soldaten wesentlich auch von der Stimmung im Troß beeinflußt wurde, mußte sich der Befehlshaber auch für diesen verantwortlich fühlen.

Der bekannt schlechte Zustand des kaiserlichen Heeres entwickelte sich durch die Vernichtung der Vorräte in Magdeburg zur Katastrophe. Tilly wurde durch Gustav Adolf aus seinem befestigten Lager bei Werben herausgedrängt und fand auch im Erzstift Magdeburg keine Nahrung. Der Einfall in Kursachsen war für ihn die einzig mögliche Lösung, um zu überleben. Die Truppen Pappenheims und Tillys entwickelten bei der Eroberung und Plünderung der sächsischen Gebiete einen selten gezeigten Eifer. Pappenheim nahm im September 1631 die reiche Stadt Merseburg beim ersten Angriff. Am 6. September waren sie schon auf dem Weg nach Leipzig, wobei sie das umliegende Land verwüsteten. Ihr Vormarsch wurde nicht durch taktische Zwänge diktiert, sondern durch das Gewicht der mitgeschleppten Beute. Leipzig wurde am 14. September 1631 erobert. Die Soldaten machten ungeheure Beute.

Tilly forderte von der Stadt eine Geldzahlung von 200.000 Talern und unbezahlte Lebensmittellieferungen für seine Soldaten. (dazu Anmerkung 16 )

Am 16. September 1631 erreicht Tilly die Nachricht, daß sich nördlich von Leipzig, in Düben die Heere des Schwedenkönigs Gustav Adolf und des Kurfürsten von Sachsen vereinigt haben. Tilly saß in der Falle:

Ein Abzug aus Leipzig ist mit den Soldaten, die monatelang Hunger und Elend durchmachten, ohne Meuterei nicht möglich. Außerdem wäre das einzige, relativ freundlich gesinnte Land - Württemberg - nur erreichbar, wenn man durch das feindliche Thüringen ziehen würde. Ein Durchbruch nach Süden Richtung Böhmen bedeutet Konfrontation mit Wallenstein. Die einzige taktisch richtige Entscheidung hieße: sich in Leipzig verschanzen und auf Verstärkung hoffen, zumal die vereinigten Heere der Schweden und Sachsen dem Heer von Tilly um 10.000 Mann an Stärke überlegen sind.

Der katholische Feldherr war ein gewissenhafter, aber selten hervorragender Soldat, und seine angeborene Behutsamkeit hatte mit fortschreitendem Alter zugenommen. Zu seinem Unglück hatte er Pappenheim als Stellvertreter. Diesem tüchtigen Reiterführer mangelte es nicht nur an der für den Oberbefehl nötigen Geduld und die Gabe, Einzelheiten zu erfassen, sondern er hatte auch nicht das Zeug zu einer untergeordneten Stellung. Er hielt Tilly für unfähig, zögerlich und oft aufgrund seines Alters sogar für senil. Bei Magdeburg hatte er am 20.5.1631 den Befehl zum Angriff ohne die Zustimmung seines Vorgesetzten gegeben und die Stadt genommen; wahrscheinlich durch die Erinnerung an vergangene Heldentaten ermutigt, versuchte er den Lauf der Geschichte erneut zu seinem Gunsten zu korrigieren.

Am 16. September verließ er das Lager bei Leipzig mit einem Kundschaftertrupp und sandte spät in der Nacht einen Kurier zu Tilly mit der Nachricht, daß er den Feind bei Breitenfeld gesichtet habe, sich aber ohne schwere Gefährdung nicht mehr zurückziehen könne und bat um dringende militärische Unterstützung.

Der Zeitpunkt für ein solch riskantes Wagnis war schlecht gewählt, und Tilly, der sich bei der Nachricht entsetzt an den Kopf griff, jammerte laut: "Dieser Kerl wird mich um meine Ehre und meinen guten Ruf bringen, und den Kaiser um sein Land und Volk."

Tilly war sich im Gegensatz zu Pappenheim durchaus bewußt, mit wem er es zu tun hatte. Bereits auf dem Reichstag in Regensburg im Jahre 1630 hatte er vergeblich gewarnt:

"Der König von Schweden ist ein Feind von ebenso großer Klugheit wie Tapferkeit, abgehärtet zum Krieg, in der besten Blüte seiner Jahre. Seine Anstalten sind vortrefflich, seine Hilfsmittel nicht gering. Die Stände seines Reiches sind äußerst willfährig gegen ihn gewesen. Seine Armee, aus Schweden, Deutschen, Livländern, Finnländern, Schotten und Engländern zusammengeflossen, ist zu einer einzigen Nation gemacht, durch blinden Gehorsam. Dies ist ein Spieler, gegen welchen nicht verloren zu haben schon überaus viel gewonnen ist." [8]

Pappenheim hatte eine Schlacht provoziert, und Tilly blieb nichts anderes übrig, als ihm nachzumarschieren, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, Pappenheims 2.000 Kürassiere zu verlieren.

Am 17. September 1631 kam es zur Schlacht bei Breitenfeld (6 km nördlich von Leipzig).

Tilly traf auf einen Feind, dessen Überlegenheit nicht nur in der Mannschaftsstärke bestand, sondern auf seiner besseren Ausrüstung und der geschickteren Gliederung des Heeres beruhte.

Es war das Verdienst Gustav Adolfs, technische Verbesserungen und taktische Reformen in seinem Heer eingeführt zu haben. So befreite er sowohl seine Reiterei wie auch seine Fußtruppen von den schweren und schwerfälligen Panzerungen, die damals üblich waren. Statt der sonst gebräuchlichen schweren Geschütze, zu deren Fortbewegung 16, 20 ja oft 30 Pferde notwendig waren, setzte er eine leichte Artillerie ein, die außer sonstigen Vorzügen auch den der größeren Feuergeschwindigkeit besaß. Während es Tilly nie auf mehr als dreißig Geschütze brachte, hatte Gustav Adolf bei Breitenfeld rund einhundert, später sogar bedeutend mehr.

Diese leichten Geschütze waren sowohl der Kavallerie als auch der Infanterie beigegeben und verstärkten ganz erheblich die Kampfkraft dieser Truppenteile. Entscheidend war jedoch, daß Gustav Adolf seinen Truppen größere Beweglichkeit dadurch verliehen hatte, daß er sie nicht nach der als Standard geltenden spanischen Taktik antreten ließ. Die bisher praktizierte Taktik sah die Reiterei in sechs Reihen, Knie an Knie massiert antreten und angreifen. Gustav Adolf ordnete sie in kleinen viereckigen Abteilungen in vier Reihen an, zwischen denen jeder Reiter nach allen Seiten seinen Bewegungsraum hatte. Zwischen diesen Reiterabteilungen standen kleine Musketierabteilungen. Diese Musketierabteilungen waren in sechs Reihen gestaffelt, und so trainiert, daß die vorderste Reihe kniend und die folgende stehend schießen konnte. Nach dem Feuer begaben sich die Schützen in die hintersten Reihen, konnten nachladen, während die nächsten beiden Reihen schossen.

Durch die Schachbrettaufstellung war es unerheblich, woher der Angriff vorgetragen wurde: das Fußvolk und auch die Reiterei konnten in kürzester Zeit ihre Verteidigungsrichtung ändern.

Der Drill der schwedischen Truppen war so vollendet, daß sie nicht nur dreimal schneller schossen, sondern auch dreimal wirksamer waren.

Diese neue Formation des schwedischen Heeres führte nicht nur dazu, daß die Front größer wurde, sondern hatte zugleich den Vorteil, daß die feindlichen Geschütze in den nun dünneren Kolonnen keine allzu großen Verluste anrichten konnten.

Als es am 18. September 1631 bei Breitenfeld zur ersten militärischen Auseinandersetzung zwischen dem kaiserlichen Heer unter Tilly und den vereinten Heeren der Schweden und Sachsen kam, war das kaiserliche Heer nach herkömmlicher Anordnung aufgestellt und war damit der noch unbekannten Taktik des schwedischen Königs von vornherein unterlegen. Die Kaiserlichen begann mit einer Kanonade, - allerdings mit mäßigem Erfolg. Auf dem linken Flügel der protestantischen Front nahm die sächsische Reiterei mit ihrem Kurfürsten Aufstellung. Mit ihren blankgeputzten Waffen, ihren neuen Uniformen und den hellen Halstüchern und Mänteln ihrer adligen Offiziere boten sie nach dem Urteil Gustav Adolfs "einen erfreulichen und schönen Anblick".

Erst gegen drei Uhr nachmittags griff Pappenheim die Schweden durch eine Flankenbewegung im Rücken an. Bei üblicher Schlachtordnung hätte dies bereits verhängnisvoll für die Schweden enden können. Aber durch die neue Schlachtordnung geriet Pappenheim mit seinen Reitern in eine Falle und mußte sich so gut es ging zurückziehen. Um ihn in seinem Rückzugsgefecht zu entlasten, griffen die Kaiserlichen die sächsischen Fußtruppen und die sächsischen Geschütze an. Der konzentrierte Angriff richtete unter den unerprobten Truppen ein Blutbad an und ließ die sächsische Front wanken. Als auch noch die kroatische Reiterei in ihren roten Mänteln und blitzenden Säbeln und unter barbarischem Geschrei auf die Sachsen einstürmte, flohen die Kanoniere zuerst und die Kanonen fielen dem Feind in die Hand. Die Kaiserlichen wendeten die Geschütze und begannen auf die sächsische Reiterei zu feuern. Johann Georg, der zwar auf der Sauhatz Mut bewiesen hatte, konnte sich bis dahin einen so gewaltigen militärischen Angriff nicht vorstellen. Er wendete in Panik, gab seinem Streitroß die Sporen und floh vom Schlachtfeld. Er hielt nicht eher an, bis er im 24 Kilometer entfernten Eilenburg ankam.

Seine treuen sächsischen Untertanen folgten dem Vorbild ihres Herrschers und selbsterwählten Feldherrn. Zwei vollständige Regimenter Reiterei warfen ihre Waffen weg und brachten sich zu Pferd oder zu Fuß in Sicherheit. Arnims Bemühungen, die zusammenbrechende Front der Sachsen zu schließen, waren erfolglos. Erfolgreicher waren die sächsischen Soldaten. Als sie merkten, daß sie nicht mehr verfolgt wurden, fielen sie über die schwedischen Troßwagen her und raubten sie aus. Unter diesen Umständen hätte der König von Schweden kein erneutes Bündnis mit Sachsen abgeschlossen...

Sein Genie, seine Tapferkeit, die neue Militärtaktik und die damals noch sehr hohe Disziplin der schwedischen Truppen brachten den kaiserlichen Truppen eine vernichtende Niederlage bei.

Während in der Schlacht ein Regiment nach dem anderen durch schwedische Angriffe aufgerieben wurde, kommandiert Tilly hoch zu Roß die zurückweichenden kaiserlichen Truppen; - verteidigt von 600 ihm treu ergebene Wallonen, die ihren "Vater Jan" mit einem Verteidigungsring umgeben. Plötzlich tauchte "der lange Fritz" auf; ein wegen seiner Körpergröße im schwedischen Heer bekannter Rittmeister. Er hatte Tilly erkannt und drosch mit den Worten: "Hierher! Ich habe den Tilly! Ergieb dich, alte Kanaille" mit dem Kolben seiner Reiterpistole auf Kopf, Arm und Schulter seines zweiundsiebzigjährigen aber offenbar sehr zähen Opfers ein. Er wollte ihn lebend vor seinen König schleppen und hätte es vielleicht sogar geschafft, Tilly gefangen zu nehmen, wenn es nicht dem Herzog Rudolf Maximilian von Sachsen-Lauenburg gelungen währe, den langen Schweden durch einen Kopfschuß "zum einen Ohr hinein, zum anderen wieder hinaus", daran zu hindern. Tilly, mit Hals- und Brustwunden und zerschmettertem Arm floh nach Halle. Dort trieb man eiligst eine Kutsche auf, die ihn weiter nach Halberstadt brachte; dort kam er "gänzlich verblüht, zerblewet und zermürbet" an [20].

Es war die erste große und für die Kaiserlichen entscheidende Schlacht, die Tilly als Feldherr verloren hatte. Von seinem Heer lagen 8.000 bis 12.000 Tote und ungefähr 6.000 Verwundete auf dem Schlachtfeld; 7.000 Mann waren gefangen; die gesamte Artillerie fiel den Schweden in die Hände. Von dem geschlagenen Heer sammelten sich im Laufe der Tage ungefähr 6.000 Mann in Halberstadt, darunter 1.500 Reiter, die Pappenheim von versprengten Regimentern auf dem Schlachtfeld und vor Leipzig gesammelt hatte. Pappenheim soll sich - entgegen seiner Gewohnheit - recht kleinlaut bei seinem Oberkommandierenden zurückgemeldet haben. Immerhin gelang es ihm, die gutgefüllte Kriegskasse und die wichtigsten Dokumente zu retten. (dazu Anmerkung 17 )

Breitenfeld wurde der erste protestantische Sieg und ein Fanal für das gesamte protestantische Europa.

Oktober 1631: Tilly wich nach Nördlingen aus. Auf dem Rückzug kam die Liga um ihre Kriegskasse, und zur Bezahlung des Heeres blieben nur die unzulänglichen kaiserlichen Barmittel übrig.

Der Vormarsch des Schwedenkönigs in die Kernlande des Deutschen Reiches war nunmehr nicht mehr aufzuhalten.

Anfang März 1632 verließ Gustav Adolf sein Mainzer Winterlager, ließ Bernhard von Sachsen Weimar zur Sicherung des Rheins zurück und marschierte zunächst nach Schweinfurt, um sich mit Marschall Horn zu vereinigen. Von dort zog das vereinigte Heer nach Nürnberg. Zwischen Nürnberg und Fürth sammelten sich alle Truppen, die sich bisher verstreut in den Winterquartieren befanden. Die Nürnberger Bürger sollen ihn jubelnd empfangen und die Stadtväter mit Geschenken überhäuft haben. - Sie wußten nicht, was Monate später an Leiden auf sie zukommen sollte...

Mit 40.000 Mann marschierte Gustav Adolf gegen Augsburg; damit war das Ziel seiner Aggression klar: Bayern! Der Kurfürst Maximilian von Bayern, der noch auf dem Reichstag von Regensburg 1630 so vehement die Absetzung Wallensteins gefordert hatte, flehte jetzt aus Angst, seine Länder zu verlieren, den Kaiser an, Wallenstein zurückzuberufen.

Als sich im April 1632 Maximilian von Bayern Tillys Heer bei Ingolstadt anschließt, verletzt er damit seine Neutralitätspolitik und liefert dem Schwedenkönig eine Handhabe, in Bayern einzufallen. Tilly erhält nach langer Weigerung von Wallenstein eine Verstärkung von 5.000 Mann und zieht sich vor den herannahenden Schweden nach Osten zurück, um die Lechlinie zu halten. Im April überschritt Gustav Adolf die Donau bei Donauwörth und marschierte ebenfalls ostwärts; - direkt auf Tillys Lager.

14. April 1632: Gustav Adolf erreicht den Lech. Einen Tag später greifen die Schweden das kaiserliche Heer an. Tilly hat sich auch als Befehlshaber nie geschont und war ein Dutzend Mal verwundet gewesen. Auch am 14. April kommandiert er den Abwehrkampf wie gewohnt hoch zu Roß in vorderster Linie, als ihm schon zu Beginn des Kampfes eine Kanonenkugel den rechten Oberschenkel zerschmettert. Als Tilly zurückgetragen wird, bricht sein Stellvertreter mit einer Schädelwunde bewußtlos zusammen. Maximilian zieht sich daraufhin mit den Resten des Heeres überstürzt nach Ingolstadt zurück. Der größte Teil des Trosses und die Geschütze fielen in die Hände der Schweden.

Die Situation verschlechterte sich für Maximilian dramatisch, als Gustav Adolf Mitte Mai 1632 vor München stand. Die offensichtliche Führungsschwäche im Oberkommando des kaiserlichen Heeres zwang den Kaiser, seinen 1630 entlassenen Feldherrn Wallenstein am 14. April 1632 erneut zum Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres zu berufen - diesmal mit unbeschränkten Vollmachten.

In Ingolstadt lag in dieser Zeit der verwundete Tilly inmitten einer kleinen, aber treuen Besatzung im Sterben. Er duldet nur den Arzt und seinen Beichtvater um sich und soll seine Offiziere mit den Worten zurückgeschickt haben: "Dort, meine Herren, tut Eure Pflicht jetzt, - ich habe die meinige getan!"

Als er die Nachricht von Wallensteins Ernennung hörte, brachte er noch genug körperliche und moralische Kraft auf, um dem Mann, der ihn zugrundegerichtet hatte, ein Glückwunschschreiben zu senden.

Seine Gedanken verweilten - wie es heißt - bei seiner Schutzpatronin. Die besondere Schutzheilige Tillys war die Jungfrau Maria. Die Kriegsfahne Tillys mit dem Marienbilde. Die Fahne wird im Rathaus von Breitenbrunn/Oberpfalz aufbewahrt. Dort findet auch alljährlich das Tilly-Fest statt. Näheres unter www.tillyfest.de Mit einem Mausklick können Sie das Bild vergrößern. Ihr hatte er als Jesuitenzögling sein Leben gewidmet. Nach ihr hatte er auch Kanonen benannt...

Tilly erlag am 30. April 1632 an der in dem Gefecht bei Rain am Lech erhaltenen Wunde in Ingolstadt. Es heißt, sein letztes Wort soll "Regensburg" gewesen sein, aus Sorge um die Schlüsselstellung dieser Stadt an der Donau. Im Sterben gedachte er auch seinen alten Wallonischen Leib-Regimentern und vererbte ihnen 60.000 Taler.

Tilly wurde in Altötting beigesetzt. 200 Jahre nach seinem Tode ließ sich Napoleon den Sarg öffnen. Unter seinen Augen ist der bis dahin noch wohlerhaltene Körper Tillys zu Staub zerfallen.
Sein Herz allerdings ist - wie das seines fürstlichen Herrn Maximilian von Bayern - in einer Wandnische der Altöttinger Gnadenkapelle in einer kleinen Silberurne beigesetzt.

Tillys Schädel im Grab von Altöttingen. Golo Mann schreibt über Tillys Tod:
"Die Leiden Tillys, sagen die Berichte, sind unsagbar und wir glauben es; müssen uns aber Mitleid verbieten, denn er stirbt den Tod, in den er Jahr für Jahr seine Leute führte, schlechter belohnt als er, und er immerhin unter besserer, wenngleich ratloser Pflege. Daß er auf seinem Schmerzenslager noch fortfährt, sich um seine Pflichten zu kümmern, und viele Briefe an Wallenstein diktiert, darum ihn zu bewundern werden wir uns trotzdem von niemanden verbieten lassen. Den 30. April geht er aus der Unruhe in die Ruhe, betend, solange er kann - In te Domine speravi, non confundar in aeternum-, mit dem letzten Blick auf das Cruzifix; "unser frommer, braver alter Tilly ", wie Maximilian ihn beklagt.

Ein wenig ergriffen soll auch Wallenstein von der Nachricht gewesen sein, ergriffen oder doch deprimiert und angerührt von der Todeszunge.

Nun sei sein alter Kamerad vom König von Schweden aufgerieben worden, soll er gesagt haben, er selber werde wohl der Nächste sein..."



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