Rudolf II.

In der Literatur wird der Ausbruch des 30jährigen Krieges formell mit dem Prager Fenstersturz begründet und auf das Jahr 1618 datiert.

Mit der gleichen Berechtigung könnte der Beginn des Krieges aber auch mit der Absetzung des rechtmäßig zum König von Böhmen gewählten, späteren deutschen Kaisers Ferdinand II. , im Jahre 1619 durch die protestantischen böhmischen Adligen begründet werden. Denn die Weigerung des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz , seinen ihm im gleichen Jahr vom böhmischen Adel angetragenen Titel des Königs von Böhmens wieder abzugeben, führte schließlich zur offenen militärischen Konfrontation mit dem Kaiser, die 1620 mit der Schlacht am Weißen Berg die Niederlage der sogenannten "Böhmischen Aufständischen" besiegelte.

Tatsächlich aber sind die Ursachen dieses Krieges in den gesellschaftlichen Widersprüchen der Jahre vor und während der Regierungszeit Kaiser Rudolf II. zu suchen, die durch seine Amtsführung und die seiner Nachfolger weiter verschärft wurden. Die militärischen Auseinandersetzungen der folgenden 30 Jahre waren nur der letzte Akt des deutschen Dramas, in dem die Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation eine wenig überzeugende Rolle spielten.

Rudolf II. aus dem Hause Habsburg wurde am 18. Juli 1552 geboren und von seinem zwölften bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr am Hofe seines Onkels, König Philipp II., in Spanien erzogen.

Sein Vater war Kaiser Maximilian II., seine Mutter Anna war die Tochter Karls V. Demnach war Rudolf Urenkel Johanna der Wahnsinnigen... Rudolfs geistige Auffälligkeit, die während seiner gesamten Regierungszeit für Unruhe sorgte, hatte ihren Ursprung - darin sind sich jedenfalls viele Historiker einig - im habsburgischen Erbgut. Geistige Überspanntheit, Melancholie oder auch Fälle von Wahnsinn waren in Fürstenhäusern seiner Zeit nichts Ungewöhnliches; sie waren oft eine Folge des Versuchs, die Thronfolge durch Heirat zu sichern. Das Haus Habsburg praktizierte diese Strategie geradezu beispielhaft.

Zu Beginn des 30jährigen Krieges, war die Dynastie der Habsburger die stärkste Macht in Europa.

Den Habsburgern gehörte Österreich, Tirol, die Steiermark, Kärnten, Krain, Ungarn (soweit es nicht schon unter türkischer Herrschaft war), Schlesien, Mähren, die Lausitz und Böhmen.

Im westlichen Europa herrschten die Habsburger über Burgund, die Niederlande und Teile des Elsaß; in Italien über das Herzogtum Mailand ebenso wie über das Königreich Neapel, das sich über die ganze südliche Hälfte der Halbinsel einschließlich Siziliens und Sardiniens erstreckte.

Die Habsburger waren die Könige von Spanien und Portugal, und Habsburg regierte in der neuen Welt in Mexiko, Brasilien, Peru und Chile. Diese gewaltige Machtanhäufung war nicht allein durch Eroberungen entstanden. Die Habsburger rühmten sich, weit mehr durch Heiratspolitik als durch Eroberungen mächtig geworden zu sein. Wenn es an Thronerbinnen mangelte, verstärkten sie den dynastischen Zusammenhalt durch Heiraten untereinander. So kam es vor, daß ein Herrscher eines anderen Schwager, Schwiegersohn und Vetter zugleich war.

Das Problem der Habsburger zu Beginn der gesellschaftlichen Umbrüche, deren Ausdruck auch der 30jährige Krieg war, bestand darin, daß in der Familie die strategische Fähigkeit der Machtausübung und Sicherung verloren gegangen war. Dieser Verlust staatsmännischer Qualifikation stellte sich in abweichenden Verhaltensformen der Herrscher dar, die im Fall Rudolf dazu führten, daß er in der Geschichtsschreibung mit dem Klischee des wahnsinnigen Kaisers, mindestens mit dem eines verrückten Eigenbrödlers versehen wurde.

Rudolf II. in einem damals in Mode gekommenen Zerrbild von Guiseppe Arcimboldos um 1590 In vielen historischen Quellen, Biografien und in der Belletristik werden immer wieder Geschichten vom wahnsinnigen Kaiser Rudolf erzählt, der außer Alchimisten und Astrologen niemanden um sich haben wollte. Einige beschreiben ihn als wollüstig, politisch passiv; andere als übertrieben fromm oder als bigott, mal als aufgeklärt, mal als ein Mensch, der von seiner Verhexung überzeugt war.

Doch diesem Bild ist mit Vorsicht zu begegnen. Rudolf "...besaß hohe Intelligenz, wenn der Drang des Augenblicks sie nicht trübte..."[2]. In der Regierungszeit Rudolfs erlebte Prag eine kulturelle Blüte, wie sie später nicht wieder erreicht wurde.

Seine Scheu vor der Ehe und die Standhaftigkeit, mit der er sich weigerte, eine Ehe einzugehen, beflügelten zudem den Hofklatsch an den europäischen Fürstenhöfen, die Spekulationen um seine Nachfolge aber auch die Intrigen seines Bruders Matthias und führten fast zu einer Krise der österreichischen Linie des Hauses Habsburg.

Von 1563 bis 1571, in den wichtigsten Jahren seiner Kindheit und Jugend, lebte Rudolf zusammen mit seinem Bruder Ernst am Hofe seiner spanischen Verwandten in Madrid. Der Lebensstil am Hofe Philipps II. zeichnete sich durch steife Zurückhaltung, relativ schlichte schwarze Kleidung und eine Überbetonung von persönlicher Würde und Vornehmheit aus. Die Erziehung am spanischen Hofe scheint Rudolf in mehrfacher Hinsicht geschadet zu haben. So brachte Rudolf nicht nur die Abneigung gegen die Ehe mit nach Wien, sondern auch die gegen den Protestantismus und gegen die Beichte. Er entwickelte seit dieser Zeit eine mißtrauische Abneigung gegen jeden Versuch seiner spanischen Verwandten, ihn mit Isabella, der Tochter König Philipps, zu verheiraten.

Trotzdem war er tief enttäuscht und gekränkt, als Isabella im Jahre 1597 seinen Bruder Albrecht heiratete. Als ihn seine österreichischen Verwandten drängten, endlich für einen legitimen Nachkommen zu sorgen, war er schließlich davon überzeugt, daß man sich gegen ihn verschworen hätte. Die übertriebene Angst vor verbindlichen Beziehungen und vor Einmischungsversuchen seiner Verwandten wurde Rudolf sein Leben lang nicht los.

Die Erziehung bei Hofe war mit Sicherheit eine pädagogische Fehlleistung, wenn man bedenkt, daß von den fünf Söhnen Kaiser Maximilians II., die das Erwachsenenalter erreichten, keiner eheliche Kinder hatte.

Mit seelischen Fehlentwicklungen und mit nachweislich körperlichen Schwächen vorbelastet, trat Rudolf II. die Nachfolge der Habsburger auf dem Thron der deutscher Kaiser und als König von Böhmen an. Es ist schwer verständlich, warum die Böhmen die katholischen Habsburger überhaupt duldeten, denn die böhmische Krone war nicht erblich; Böhmen war ein Wahlkönigtum.

Daß die Habsburger ihre Machtansprüche bisher ungehindert durchsetzen konnten, lag in der Zerstrittenheit der Ultraquisten, Lutheraner und Calvinisten begründet, die untereinander um Privilegien kämpften. Die bisherige, auf Landbesitz beruhende Werteordnung Böhmens wurde im Zuge der ökonomischen Entwicklung durch das aufstrebende Bürgertum in Frage gestellt.

Die gesellschaftliche Sonderstellung der 14.000 Adelsfamilien war im Schwinden begriffen, und so unterstützte der böhmische Adel die habsburgische Regierung aus Furcht vor den militanten Calvinisten. Die habsburgischen Könige setzten den Katholizismus wieder als Staatsreligion ein und gewährten den drei anderen Religionen lediglich Duldung.

Als junger Mann wurde Rudolf am Hofe Philipp II. in Spanien die Abneigung gegen den Protestantismus anerzogen; durch den Einfluß der Jesuiten in Wien ist diese Einstellung noch gesteigert worden. Rudolf bestätigte zwar bei Amtsantritt im Jahre 1576 die von seinem Vater den evangelischen Ständen zugesicherte Religionsfreiheit, ließ aber im Gegenzug alle evangelischen Geistlichen aus den von ihm beherrschten Städten vertreiben. In Wien und in den übrigen Landesstädten wurden die Schulen der Protestanten geschlossen und Einwohner, die nicht katholisch werden wollten, wurden des Landes verwiesen. In Donauwörth, um nur ein Beispiel zu nennen, wurden alle Einwohner gewaltsam zum Katholizismus "bekehrt". Als zum Beispiel der Kölner Erzbischof und Kurfürst Gebhard Truchseß von Waldburg versuchte, sein Kurfürstentum evangelisch zu machen, löst das Vorgehen den sogenannten Kölner Krieg aus, in dessen Ergebnis der Kurfürst vom Kaiser (mit Unterstützung des Papstes) abgesetzt wurde. Wenn sich der Kurfürst durchgesetzt hätte, würde das erhebliche verfassungsrechtliche Konsequenzen insbesondere bei einer späteren Kaiserwahl zur Folge gehabt haben. Um das Übergewicht der katholischen Kurstimmen zu erhalten, wurde ein Nachfolger aus dem Hause Wittelsbach gewählt und durchgesetzt.

Um das Jahr 1600 zeigten sich bei Rudolf verstärkt geistige, emotionale und körperliche Veränderungen, die sich auch nach außen hin nicht mehr verbergen ließen.

Es fing damit an, daß Rudolf II. Prag zu seiner kaiserlichen Residenz- und Hauptstadt machte. Bei der Verlegung der Residenz und der Regierung von Wien nach Prag war es ihm unter anderem darum gegangen, der Hektik und den Menschenmassen der österreichischen Metropole zu entkommen. In Prag verbrachte er nach Meinung der Hofbeamten zu viel Zeit inmitten seiner Astrolabien und Himmelskarten umgeben von den berühmtesten Atrologen seiner Zeit: Tycho Brahe, Johannes Kepler und anderen. Wenn sich Rudolf mit ihnen über astrologische Probleme unterhielt, ruhten Staatsgeschäfte. Depeschen und Verordnungen blieben unbehandelt; Diplomaten ausländischer Staaten mußten oft monatelang auf ihren Empfang warten. Seine Stimmung schwankte zwischen tiefer Traurigkeit, Unnahbarkeit, Unzugänglichkeit bis zum körperlichen Zusammenbruch. Bekannt waren sein Vergnügen an der Jagd, die Lust an Spielen und an festlichen Gesellschaften. In seinem Marstall fanden sich die besten Pferde, - die er niemals ritt.

Doch oft unerwartet brach dann seine Krankheit aus:

"Er hatte Halluzinationen, geriet in Raserei und führte erhitzte Reden gegen eingebildete Komplotte. Er behauptete, vergiftet oder verzaubert worden zu sein, und unternahm offenbar mehrmals den Versuch, sich das Leben zu nehmen... (Er) beklagte sich nun bitter über die Umtriebe der Kapuziner, die unter der Leitung des - später heilig gesprochenen - Lorenz von Brindisi eigens nach Prag geholt worden waren, um die Gegenreform in Böhmen zum Sieg zu verhelfen. Rudolf verbot ihnen, nachts ihre Glocken zu läuten und ordnete sogar ihre Verbannung aus Prag an. Genauso plötzlich revidierte er diese Entscheidung wieder und erlaubte dem Orden, in der Stadt zu bleiben. Dieselbe Unschlüssigkeit zeigte Rudolf auch bei seinen Ärzten: Er entließ Guarinoni aus Verona, um ihn kurz darauf seine Stellung wieder anzutragen.

Der Kaiser hörte nicht auf den Rat der Ärzte, und zunehmende katholische Frömmigkeit stürtzte ihn in Gewissenskonflikte".
[18] Seine Gewissenskonflikte eskalierten besonders vor der Beichte: seine Angst vor der Beichte führte stets zu "heftigen Gefühlsschwankungen", und seine Umgebung stellte fest, daß Rudolf dann stets einen "aufgewühlten und verstörten Eindruck" machte.

Wenn er sich seines Zustands bewußt wurde, klagte Rudolf, von den Kapuzinerinnen verzaubert worden zu sein. Der Beichtvater und Leibarzt des Kaisers, Johannes Pistorius, schrieb in einem Brief an den Kardinal San Giorgio:

"Er ist nicht besessen, wie einige glauben, sondern leidet an einer Schwermut, die mit der Zeit nur allzu tiefe Wurzeln geschlagen hat. Freilich leugne ich nicht, daß böse Geister sich sein Leiden freudig zu Nutze machen, um den Kaiser bisweilen durch allerhand Vorstellungen zu täuschen".

Pistorius gab sich alle Mühe mit dem Kaiser, aber Rudolf war wenig kooperativ: er wehrte sich zur Ader gelassen zu werden, verweigerte die Einnahme der Arzeneien und aß unregelmäßig.

Allmählich verstärkte sich am Hof der Eindruck, der Kaiser sei von Dämonen besessen, - aber keiner der kaiserlichen Ratgeber wagte es, Exorzitien am Kaiser zu veranlassen. Gegen Ende des Jahres verbreitete sich allmählich im ganzen Heiligen Römischen Reich der Verdacht, daß der Kaiser wahnsinnig sei. Auch venezianische und päpstliche Gesandte redeten unumwunden von der "Hauptblödigkeit" des Kaisers. Es fällt aber auf, daß das Gerücht von der Geistesschwäche des Kaisers zu der Zeit verstärkt aufkam, als Matthias , der Bruder Rudolfs, den Kampf um die Macht im Reich begann. Möglicherweise versuchte er seinen regierenden Bruder Rudolf dadurch auszuschalten, daß er ihn als einen regierungsunfähigen Psychopathen abqualifizierte, um so seine eigene Position innerhalb der Familie und der politischen Führungsschicht jener Zeit aufzuwerten.

Natürlich durften Matthias und seine Brüder, die Erzherzöge Maximilian und Ferdinand den Rufmord an ihrem Bruder nicht überziehen, sonst liefen sie Gefahr, daß das Haus Habsburg seine Ansprüche auf die Kaiserkrone verlieren könnte. Denn in der Goldenen Bulle von 1356 war festgeschrieben, daß die Kurfürsten den Kaiser für regierungsunfähig erklären können. Der sächsische und der Pfälzer Kurfürst wären in diesem Fall zum Reichsvikar ernannt worden und hätten bis zur Wahl eines Nachfolgers die Regierung des Heiligen Römischen Reiches übernommen. Und es war durchaus nicht sicher, daß der Nachfolger auch ein Habsburger sein würde. Aber es war Handlungsbedarf da, denn das Macht- und Entscheidungszentrum des Reiches war durch die Amtsführung Rudolfs praktisch lahmgelegt. Der Widerwillen Rudolfs gegen die Ausübung kaiserlicher Pflichten führte bereits zu einem "Regiment der Kammerdiener". Wenn Rudolf von seinen Launen überwältigt wurde, verstieß er seine besten Ratgeber und überließ politische Entscheidungen habgierigen Emporkömmlingen, die Termine für Audienzen oder kaiserliche Willenserklärungen von der Höhe der Bestechungssummen abhängig machten.

Wichtige, zum Teil überfällige politische Entscheidungen wurden nicht oder zu spät gefällt.

Im Nordwesten des Reiches okkupierten verfeindete Niederländer und Spanier deutsche Städte, der Rhein wurde durch die Niederländer kontrolliert und blockierte den Handel deutscher Kaufleute; in Ungarn erhoben sich die Stände unter Führung des Fürsten Stefan Bocskay, geschützt durch den türkischen Großsultan. Der ungarisch-siebenbürger Aufstand war zu einer alle Schichten umfassenden Bewegung geworden, die sich unter der Losung religiöser Freiheit gegen die Habsburger Rekatholisierung wandte. Als dann auch noch die feindselige Hofdiplomatie des Pfälzer Kurfürsten Pläne schmiedete, andere europäische Fürsten für den Kaiserthron zu gewinnen, und Frankreich und Dänemark starkes Interesse zeigten, sich in die inneren Angelegenheiten Deutschlands einzumischen, entschied im Jahre 1606 der habsburgische Familienrat, den Bruder Rudolfs, Erzherzog Matthias als Nachfolger des Kaisers zu lanzieren.

Um militärische Bewegungsfreiheit zu bekommen, nahm Matthias zunächst mit den sich im Aufstand befindlichen ungarischen Ständen Kontakte auf. Er schloß dem Fürsten Bocskay im Namen des Kaisers Frieden und mit den Türken einen dreijährigen Waffenstillstand.

Von nun an konzentrierten sich die verfeindeten Brüder auf den Kampf um die Macht, oder wie es in damaligen Quellen hieß: sie kümmerten sich um die Lösung des Bruderzwistes. Beide Seiten stellten neue Armeen auf und bedrohten sich gegenseitig.

Die Erscheinung des Halleyschen Kometen im Jahre 1607 deutete Rudolf als Vorzeichen für einen blutigen Anschlag seines Bruders auf ihn. Rudolf war sich durchaus seiner eigenen Schwäche bewußt und er haßte seinen Bruder Matthias für dessen Ehrgeiz und Entschlossenheit.

Er versuchte alles, um die Ziele Matthias zu durchkreuzen: so wollte er ursprünglich nicht den Friedensvertrag mit Bocskay und den Waffenstillstandsvertrag mit den Türken unterzeichnen.

Rudolf weigerte sich auch deshalb den Vertrag mit Bocskay zu unterzeichnen, weil er aus dem Vertrag einen Sieg des Protestantismus herauslas, eine Rebellion der ungarischen Stände erblickte und damit einen Verrat seines Bruders unterstellte. 1608 schickte der Kaiser den Erzherzog Ferdinand (den späteren Kaiser Ferdinand II.) als seinen Vertreter auf den Reichstag nach Regensburg. Die Absicht war unverkennbar: Ferdinand und nicht Matthias sollte seine Nachfolge im Reich antreten. Kurzentschlossen marschierte daraufhin Matthias mit 20.000 Mann in Böhmen ein, um durch Vertreter der böhmischen Stände erklären zu lassen, daß Rudolf als König von Böhmen abgesetzt sei. Rudolf mußte unter dem Eindruck der militärischen Bedrohung einen Vergleich eingehen und Matthias die Verwaltung Ungarns und Mährens überlassen und ihn als designierten König von Böhmen akzeptiern. Inzwischen hatte Rudolf auf einem in Prag einberufenen Landtag den böhmischen Ständen Religionsfreiheit versprochen. Im Gegenzug stellten die Böhmen ein Heer zum Schutze Rudolfs auf. In der Folgezeit machte Rudolf jedoch zwei verhängnisvolle Fehler:

Im Jahre 1609 versuchte er die Spaltung der Böhmen auszunutzen und entzog den Protestanten die religiöse Duldung. Das löste eine Krise im Reich aus, und ein drohender nationaler Aufstand zwang den Kaiser im Juli 1609 in einem sogenannten "Majestätsbrief" den protestantischen Gottesdienst zu garantieren.

Der zweite Fehler war der Auftrag des Kaisers an seinen etwa dreißigjährigen Neffen, Erzherzog Leopold , ein Heer anzuwerben. Leopold galt als ein ehrgeiziger Phantast und Abenteurer, der zu allem Überfluß auch noch Bischof von Passau war. Das sogenannte "Passauer Kriegsvolk" wurde zur Geisel der heimgesuchten Bevölkerung und entzog sich jeder militärischen Disziplin. Ursprünglich waren die 12.000 Mann für den Einsatz im Jülich-Kleveschen Erbstreit bestimmt. Aber zunächst saugte die Horde das Bistum an der Donau aus, suchte 1610 Oberösterreich heim und fiel anschließend, auf noch größere Beute hoffend, in Böhmen ein. Tatsächlich eroberte das "Passauer Volk" die Kleinseite Prags und konnte nur durch Truppen der böhmischen Stände daran gehindert werden, über die Moldau zu setzen und in die Neu- und Altstadt einzufallen, um wie sie vorgaben, den Kaiser zu schützen. Vorsorglich riefen die bewaffneten Böhmen Matthias um Hilfe. Unter dem Druck des österreichischer Heeres unter Matthias und durch Vermittlungen des päpstlichen Nuntius und des spanischen Hofes verzichtete schließlich Rudolf auf die Königswürde.

Matthias wurde Ende Mai 1611 im Hradschin zum neuen böhmischen König gewählt.

Im Reich begann die politische und militärische Entwicklung aus dem Ruder zu laufen, denn das Macht- und Entscheidungszentrum des Reiches war durch die Amtsführung Rudolfs praktisch lahmgelegt. Im Jahre 1611 fordern deshalb die Kurfürsten den Kaiser erstmals auf, angesichts seines Alters und seiner Krankheiten einen römischen König noch zu seinen Lebzeiten wählen zu lassen.

Und sie legten sogar kraft der ihnen verliehenen Autorität einen Wahltermin für Anfang Mai 1612 fest. Aber bevor der Wahltermin aktuell wurde, starb Rudolf am 20. Januar 1612. Damit war Matthias am Ziel seiner machtpolitischen Träume: er wurde noch im Januar 1612 in Frankfurt am Main zum Kaiser gekrönt.

Die lutherische Partei in Böhmen wollte den neuen Herrscher durch Bande der Dankbarkeit an sich binden, mußte jedoch bald erfahren, daß die katholische Tradition der Habsburger stärker war.

Es dauerte nicht lange, bis auch Matthias gegen den Geist des Majestätsbriefes verstieß.

Als Matthias auch noch seine Residenz von Prag nach Wien verlegen ließ, fühlten sich der böhmische Adel und das Bürgertum verraten. Sie befürchteten (wie die Geschichte zeigte nicht zu Unrecht), daß Böhmen zu einer bloßen Provinz Österreichs degradiert wird. Eine erneute Absetzung des Kaisers als böhmischer König scheiterte jedoch an den widerstrebenden Interessen und Bestrebungen der sich bekämpfenden nationalen Parteien. Die Sorge der politisch einflußreichen Kreise um die Bewahrung der Privilegien sicherte dem Kaiser auch weiterhin die Macht.

Erst im Jahre 1617 konnte schrittweise die dynastische Krise des Hauses Habsburg scheinbar überwunden werden: es wurde Übereinstimmung über die Nachfolge des kinderlosen Kaisers Matthias erzielt. Die Wahl fiel auf den unbeugsamen Verfechter der Gegenreformation, Erzherzog Ferdinand von Steiermark, den späteren Kaiser Ferdinand II.

Zum Zeitpunkt der Thronbesteigung Ferdinands II. waren inzwischen alle unlösbaren Widersprüche dieser geschichtlichen Epoche miteinander verknüpft. Diese Widersprüche zu entwirren bedurfte es entweder eines großen Kaisers oder eines großen Krieges.

Die Tragik Deutschlands bestand darin, daß in dieser Zeit kein großer Kaiser zur Wahl stand.

Es stand lediglich Erzherzog Ferdinand aus dem Hause Habsburg zur Wahl, über den Golo Mann urteilte, er sei "...fromm, gemütlich, faul und zähe..."[2] gewesen.

In einem alten Geschichtsbuch [19] wurde das Lebenswerk Rudolfs II., (immerhin das eines deutschen Kaisers !), in einem für die historische Wertung wenig schmeichelhaften Satz zusammengefaßt:

"Er starb unvermählt und unbedauert."



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