Johann Georg I.

Kurfürst von Sachsen


« 1585 U 1656

In keiner Veröffentlichung über den 30jährigen Krieg ist eine historische Persönlichkeit so menschlich einfühlsam beschrieben worden wie Johann Georg von der englischen Historikerin C.V. Wedgwood. Dieser Beschreibung ist nichts hinzuzufügen, sie kann nur mit Genuß zitiert werden:

"Johann Georg, Kurfürst von Sachsen, ein junger Dreißiger, blond, breitschultrig, mit einem rötlichen offenen Gesicht, war in seinen Ansichten konservativ und patriotisch. Er trug einen Bart nach Landesart, hatte kurzgeschorene Haare und verstand kein Wort Französisch. Seine Kleidung war gediegen, einfach und von gutem Geschmack, wie sie einem Fürsten ziemte, der auch ein guter Christ und Familienvater war. Seine Tafel war reichlich mit heimischen Wild, Obst und Bier besetzt. Dreimal wöchentlich erschien er mit seinem gesamten Hofstaat, um eine Predigt zu hören und das Abendmahl nach lutherischem Brauch zu nehmen. Im Rahmen seiner Intelligenz lebte er seinen Grundsätzen gemäß ein makelloses Privatleben in einer bedrückend hausbackenen Atmosphäre. Obwohl er von der Jagdleidenschaft besessen war, mangelte es ihm nicht an Kultur, und er hatte Verständnis für Schmuck und Goldschmiedearbeit und vor allem für Musik. Unter seiner Förderung gelang Heinrich Schütz das Wunder der auf eine spätere Zeit vorausdeutenden Verschmelzung deutscher und italienischer Strömungen in der Musik.

Trotz dieser Kulturbedürfnisse war Johann Georg der guten alten deutschen Sitte des Zechens in einem Maße treu geblieben, das Männer von französischer oder spanischer Geisteshaltung und Lebensart, wie Friedrich von der Pfalz und Ferdinand von Steiermark, abstieß. Von Johann Georg, der ausländische Leckerbissen verschmähte, war bekannt, daß er durch sieben Stunden ohne Unterbrechung an der Tafel sitzen und heimische Gerichte in sich hineinstopfen und sie mit sächsischem Bier hinunterspülen konnte, wobei der witzige Anlauf, den er zu einer Konversation nahm, darin bestand, daß er seinem Hofzwerg ohrfeigte oder daß er die Neige aus seinem Krug einem Diener über den Kopf goß, womit er kund tat, daß er ihn frisch gefüllt haben wollte. Er war kein chronischer Säufer; in nüchternem Zustand war er völlig klaren Geistes, aber er trank zu viel und zu häufig.
(dazu Anmerkung 2) Später wurde es Mode, ihn immer, wenn er eine sinnlose politische Entscheidung getroffen hatte, nachzusagen, daß er nicht mehr nüchtern gewesen sei. In den Berichten, wenigstens eines Gesandten, sind Bemerkungen eingestreut wie: "Der Wein brachte ihn etwas in Hitze" und "Er schien mir sehr betrunken". Das erschwerte den diplomatischen Verkehr mit ihm.

(Beispielsweise beschwichtigte der Hofprediger Hoe den wieder einmal brüskierten außerordentlichen Botschafter des französischen Königs, Marquis Feuquiès, mit folgenden Argumenten:

In Dresden sei die Roheit nunmal zu Hause, es sei besser, sie einzugestehen als etwas Gewohntes, Unvermeidliches, als sie zu beschönigen.

Sogar die Söhne des Kurfürsten ließen dem Marquis ausrichten, daß sie sich ihres Vaters schämten.)

"Die Lage aber änderte es nicht, denn, ob betrunken oder nüchtern, Johann Georg war und blieb ein Rätsel. Niemand wußte, auf welche Seite er sich schlagen werde. Vielleicht war es harmlos, die beiden Parteien im unklaren zu lassen, wenn es ihm nur selber klar war, welche Partei er bevorzugte; leider war er sich darüber ebensowenig im klaren wie diejenigen, die ihn umwarben.

Er wollte vor allem Frieden, einen blühenden Handel und die Geschlossenheit Deutschlands. Im Gegensatz zu Friedrich oder Ferdinand fühlte er sich nicht zu einer Mission berufen und hatte nicht den Wunsch, das gegenwärtige bequeme Leben für zweifelhafte Zukunftswerte aufs Spiel zu setzen. Als er erkannte, daß das Heilige Römische Reich Deutscher Nation vor der Gefahr des Zusammenbruches stand, wußte er dem nur mit Stützungsversuchen zu begegnen. Zwischen den zwei Parteien, die das Reichsgefüge auseinanderrissen, zwischen der "deutschen Libertät" und dem habsburgischen Absolutismus, stand der Kurfürst von Sachsen als Hüter der überkommenen Gemeinschaftsideale. Alles in allem genommen, war er ein Anhänger der konstitutionellen Regierungsform.

Von den drei führenden Männern war er wahrscheinlich der Intelligenteste, aber er besaß weder Ferdinands Selbstvertrauen noch Friedrichs Vertrauen auf andere; er war einer von denen, die nicht den Mut zu dem Entschluß aufbringen, wenn sie das Für und Wider einer Sache kennen. Handelte er, dann geschah es aus klugen, ehrenhaften und konstruktiven Beweggründen, aber er handelte immer zu spät.

Zwei Personen beeinflußten ihn nachteilig, wenn auch nicht entscheidend: seine Gemahlin, Kurfürstin Magdalena Sibylla und sein Hofprediger Doktor Matthias Hoe von Hoenegg.

Die Nachwelt ist Johann Georg und seinen Ratgebern nicht freundlich gesinnt gewesen. Als Verteidiger einer nebelhaften Verfassung und eines uneinigen Volkes hatten diese Männer eine undankbare Aufgabe, die sie, wie die Ereignisse lehrten, schlecht ausführten. Dem Kurfürsten müssen jedoch einige Eigenschaften zugute gehalten werden, die in der Folgezeit ungewöhnlich genug waren. Er war immer ehrlich, hielt niemals mit seiner Meinung hinter dem Berg und war aufrichtig um den Frieden und das Gemeinwohl Deutschlands bemüht. Wenn er manchmal Sachsen voranstellte und mehr, als ihm gebührte, für sich erraffte, so lag das in der Zeit, und er hatte wenigstens niemals einen Fremdling zu Hilfe gerufen. Die Geschichte kennt ihn als einen Mann, der 1620 die Protestanten verriet, 1631 den Kaiser und 1635 die Schweden. Genau genommen, war er fast der einzige, der inmitten des Wirbels feindlicher und verbündeter Pläne eine stetige Politik verfolgte. Wäre es anders gewesen, so hätte er für sein Land ein Mittelweg finden können, um es vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

Es war eine der wirklichen Tragödien in der deutschen Geschichte, daß Johann Georg kein großer Mann war."
[1]

Nach dieser sehr menschlichen Charakteristik eines großen Kurfürsten seiner Zeit, sollen nunmehr ausgewählte Daten erwähnt und betroffene Personen benannt werden, die dieses Urteil abrunden, denn nicht in allen Punkten der Beurteilung des Kurfürsten kann man vorbehaltlos Frau Wedgwood folgen.

Wallenstein hatte zum Beispiel ein sehr distanziertes Verhältnis zu Johann Georg und äußerte über ihn:

"Was ist er für ein Vieh und was führt er für ein Leben." - Eine Meinung, mit der er nicht allein stand...

Die Geschichte kennt ihn nicht nur als vermeintlichen Verräter, sondern erinnert auch an die politischen, ökonomischen und religiösen Ursachen und Zwänge, denen der sächsische Kurfürst ausgesetzt war; - und an seine Verdienste.

Im Jahre 1611 tritt Johann Georg I. die Nachfolge seines verstorbenen Bruders, Kurfürst Christian II. an.

Die Geschichte seiner gesamten Regierungszeit ist geprägt von den Ereignissen des 30jährigen Krieges.

Dieser Krieg hat Sachsen besonders schwer getroffen. Aufgrund seiner geographischen Lage wurde Sachsen zum Durchmarschgebiet für alle Heere. Da sich die Verpflegung des Heeres und seines drei- bis fünfmal größeren Troß nach dem Motto "der Krieg ernährt den Krieg" regelte, waren die Schäden erheblich. Sachsen war vor Ausbruch des Krieges ein Land mit hochentwickeltem Handel, beachtlicher Industrie, produktiver Landwirtschaft und hoher Bevölkerungsdichte. Entsprechend hoch waren durch Raub, Plünderungen, Brandschatzungen und Seuchen die menschlichen und materiellen Verluste. Mit der Unterstützung Matthias bei der Wahl zum deutschen Kaiser 1612 bestätigt Johann Georg das enge Verhältnis zum Hause Habsburg.

1613 wird in Sachsen eine kriegsdienstähnliche Reorganisation des Heeres durchgesetzt. Unter der Führung vorwiegend adliger Berufsoffiziere wird ein wenig geschultes Bürger- und Bauernaufgebot verpflichtet.

Das sächsische Heer besteht aus 1.592 schweren Reitern, 9.360 Mann Infanterie, 1.500 Schanzgräbern und 17 Geschützen. Als dieses Heer, neu organisiert und unter Führung des Feldmarschalls Arnim, das erste Mal in der Schlacht bei Breitenfeld zum Einsatz kam, fiel es durch seinen hohen Ausrüstungsstandard auf.

Dem Schwedenkönig bot sich "ein erfreulicher und schöner Anblick".

Die Vorliebe des Kurfürsten für die Musik ist bekannt. 1617 beruft er den erst achtundzwanzigjährigen Heinrich Schütz zum Hofkapellmeister in Dresden. Schon im selben Jahr konnte Schütz beim Empfang Kaiser Matthias mit seinem neu organisierten Chor und Orchester beeindrucken.

1619 mußte Johann Georg strategische Entscheidungen treffen, die nicht nur ihn und Sachsen betreffen, sondern die Entwicklung des gesamten Kaiser-Reiches bestimmen sollten. Zwei Kronen waren zu vergeben: Zunächst bot ihm der protestantische böhmische Adel nach dem Prager Fenstersturz die böhmische Königskrone an. Johann Georg lehnte ab. Böhmischer König wird daraufhin der calvinistische Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz.

Im gleichen Jahr starb Kaiser Matthias. Die Wahl eines neuen Kaisers regelte seit 1356 das Reichsgrundgesetz, die nach dem goldenen Siegel benannte "Goldene Bulle". Wahlberechtigt waren die deutschen Kurfürsten. Die Zusammensetzung des Kurfürstenkollegiums im Jahre 1619 bot für Johann Georg berechtigte Aussichten auf den Kaiserthron. Die Stimmen der protestantischen und calvinistischen Kurfürsten waren ihm sicher. Aber Johann Georg entschied sich für die Wahl des Habsburgers Ferdinand II. zum deutschen Kaiser. Wenn auch nicht vorbehaltlos, denn als er seinen Vertreter - er persönlich war nicht anwesend - nach Frankfurt zur Kaiserwahl verabschiedete, äußerte er: "Ich weiß, daß nichts Gutes herauskommen wird; ich kenne Ferdinand" - aber er deutete auch nicht an, wer sonst die Stimme bekommen sollte.

Es wird erzählt, der Kurfürst war zu diesem Zeitpunkt betrunken; aber auch nüchtern betrachtet, gab es keine echte Alternative.

1620 besetzt Johann Georg im Auftrage des Kaisers Ferdinand II. die zu Böhmen gehörenden beiden Lausitzen. Sie sind zwar habsburgisch, hatten sich aber 1620 dem protestantischen Böhmenkönig Friedrich von der Pfalz angeschlossen. Unter Zusicherung der Glaubensfreiheit der Lutheraner okkupiert Sachsen diese Gebiete. Schon von der Logik her war es kein Schutz der Glaubensfreiheit, wie vorgegeben, denn diese war zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise gefährdet. Es war eine offensichtliche Südost-Erweiterung des Machtbereiches Johann Georgs unter dem Mantel der Glaubensfreiheit für die Protestanten auf Bitten eines katholischen Kaisers... Als Gegenleistung für die Übernahme der Kriegskosten verpfändet der Kaiser diese Gebiete an den Kurfürsten Johann Georg. Als nach der Schlacht am Weißen Berge am 2. Oktober 1620 die siegreiche katholische Partei unverhohlen und räuberisch an die Verfolgung des protestantischen böhmischen Adels geht, stellt sich im Nachhinein die Okkupation der Lausitz sogar als moralisch vertretbar dar, da jetzt tasächlich der evangelische Glaube in diesen Gebieten in einem Maße gesichert ist, daß sich auch Schlesien unter Zusicherung der Religionsfreiheit Johann Georg unterwirft. In der Folgezeit finden etwa 150.000 Exulanten, d.h. in Böhmen wegen ihres Glaubens verfolgte Evangelische in Sachsen eine neue Heimat. Die Aufnahme der Flüchtlinge ist für die Ansiedlung neuer Gewerbe von großer Bedeutung. Die Vertreibung der Prager Professoren und ihre Aufnahme in Sachsen begründet den Ruf der Leipziger Universität.

Viele Exulanten siedeln sich in bestehende Dörfer des Erzgebirges an. Aber es gibt in späteren Jahren auch planmäßige Stadtgründungen. Johanngeorgenstadt (1654), Neusalza (1670), Ernstthal (1680) und Callnberg (1708) sind Beispiele für Neugründungen.

1621 wird die bis dahin geltende Münzordnung aufgehoben. Während bisher in Sachsen nur zwei Münzprägestätten existierten, werden in den Jahren 1621 bis 1623 zusätzliche Münzprägestätten u.a. in Annaberg, Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Delitzsch, Düben, Eilenburg und Wittenberg eingerichtet.

Damit reagierte Johann Georg auf die Bildung eines Münzkonsortiums in Wien unter Leitung des flämischen Calvinisten Hanns de Witte. Das Münzkonsortium hatte vom Kaiser für sechs Millionen Gulden das alleinige Recht erworben, in Böhmen, Mähren und Teilen Österreichs Geld zu prägen.

Mit dem sicheren Instinkt eines ausgefuchsten Landesfürsten erkannte Johann Georg sofort die Möglichkeiten, die sich durch eine Vergrößerung der planmäßig in Umlauf gebrachten Geldmengen ergeben.

Natürlich verteuerten sich dadurch im Laufe der Zeit die Güter, aber der Kurfürst, der den Silbergehalt der Münzen gezielt, und immer einige Monate früher als der Handel reagieren kann, verringert, macht ungeheure Gewinne. Er hat außerdem einen wesentlichen Vorteil vor den Spekulanten: sein Grundbesitz überdauert jede Inflation. Das Geld wurde vor allen Dingen für die Ausrüstung und Bezahlung der angeworbenen Kriegsmacht notwendig.

Talerprägung mit dem Bildnis Kurfürst Johann Georg von Sachsen (1627)
Am 23. Juni 1623 wird die Pfandherrschaft des sächsischen Kurfürsten über die beiden Lausitzen in aller Form bestätigt. Damit sind zwei wichtige Vorentscheidungen gefallen. Erstens: bis zur endgültigen Anerkennung der Lausitz als Bestandteil Sachsens bedarf es nur noch eines formellen Aktes und zweitens wird die Lausitz damit der katholischen Reaktion entzogen. Noch kann sich Johann Georg als Beschützer der protestantischen Bevölkerung sehen. Fünfzehn Jahre später wird er zum Verräter der protestantischen Sache. In der Zwischenzeit werden auch Expansionsbestrebungen in westliche Richtung sichtbar.

1628 wurde August, der zweite Sohn Johann Georgs, entgegen den Forderungen des Kaisers, die Wahl nicht anzunehmen, zum Administrator des Erzstiftes Magdeburg gewählt. Vielleicht hat gerade diese Forderung des Kaisers, der lieber einen seiner Söhne in diesem Amte gesehen hätte, eine Neubestimmung der Position Johann Georgs zur Folge gehabt. Die nun folgenden Jahre zeigen ihn sehr aktiv die Interessen der evangelischen Sache vertreten. Daß er damit den Zielen des kaiserlichen Hofes entgegensteht, macht ihn nicht automatisch zum Verräter am Kaiser. Ferdinand selbst hat alles getan, um einem Friedensschluß, der nach Ansicht aller Historiker damals möglich war, im Wege zu stehen.

Das vom Kaiser in völliger Verkennung der politischen Konsequenzen durchgesetzte Restitutionsedikt zwang Johann Georg nicht nur seine Politik zu ändern, sondern auch die Fronten zu wechseln. Das Restitutionsedikt beinhaltete, daß alle von den Protestanten seit 1552 eingezogenen kirchlichen Besitzungen der katholischen Kirche zurückzugeben sind. Für die protestantischen Fürsten eine unannehmbare Forderung. Eine Rückgabe der Kirchengüter hätte die ökonomische Basis dieser Landesherren und ihre im Passauer Vertrag verbrieften Rechte beseitigt.

Von Februar bis April 1631 versucht Johann Georg auf dem sogenannten Leipziger Konvent eine Interessenvertretung der evangelischen Reichsfürsten und fast aller evangelischen Reichsstände unter seiner Führung zustandezubringen.

Mit diesem diplomatischen Schachzug hatte der sächsische Kurfürst die politische Initiative an sich gerissen und sich eine starke Position sowohl gegenüber dem Kaiser als auch gegenüber Gustav Adolf aufgebaut.

Der Schwedenkönig hatte bereits in Brandenburg seine aggresiven protestantischen Ziele in einem Ausmaß deutlich gemacht, daß die große Mehrheit der Protestanten und Calvinisten sich nun in Leipzig zusammenfand, in der Absicht, die Übel des Krieges ohne ausländische Einmischung zu überwinden.

Seine diplomatische Offensive hatte Johann Georg mit der Ankündigung begonnen, daß er zur Verteidigung seiner Länder und der Verteidigung der Rechte deutscher Protestanten aufrüsten wird.

Der Inhalt der von allen Teilnehmern des Konvents unterschriebenen Erklärung hatte fast schon den Charakter eines Ultimatums an den Kaiser. Sie verwiesen auf das Restitutionsedikt als die Ursache aller Unruhen im Reich, beklagten den Verfall der fürstlichen Rechte, die Mißachtung der Verfassung und das Elend, das der Krieg angerichtet hatte. Sollte sich der Kaiser ihnen nicht umgehend zur Beseitigung dieser Übel anschließen, könnten sie für die Folgen keine Verantwortung übernehmen.

So deutlich hatten sich die Kurfürsten außerhalb der Kurfürstentage lange nicht geäußert. Diese gewollte und notwendige Konfrontation mit dem Kaiser war ein machtpolitisches Risiko für Johann Georg, aber er wußte die große Mehrheit der protestantischen Meinung hinter sich. Selbst die Herzöge von Mecklenburg und der Landgraf von Hessen hatten die Leipziger Erklärung unterzeichnet, obwohl sie Verbündete des Königs von Schweden waren. Damit beurkundeten sie, daß sie auf ein Zeichen des Kaisers warteten, um ohne fremde Einmischung Ordnung im Reich zu schaffen. Die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg boten dem Kaiser militärische Hilfe für den Fall an, daß er nicht auf der Durchführung des Restitutionsediktes bestehe. Für die Führung des sächsischen Heeres hatte sich Johann Georg Wallensteins besten Feldherrn, Arnim, verpflichtet. Arnim war dem Schwedenkönig persönlich gut bekannt, hatte schon unter ihm gedient und war auch mit einem noch wenig ausgebildeten sächsischen Heer nicht zu unterschätzen.

Hätte der Kaiser Kompromißbereitschaft gegenüber den protestantischen Fürsten signalisiert, wäre Gustav Adolf damit, ohne eine Schlacht, geschlagen gewesen. Ohne Soldatennachschub blieb ihm nur die Rückkehr nach Schweden übrig. Weigerte sich aber der Kaiser, den Forderungen der deutschen Protestanten nachzugeben, war deren weitere Neutralität unmöglich.

Aber "der deutsche Kaiser war kein Politiker, sondern der Führer eines Kreuzzuges, und er hätte ebenso gut Christus verleugnen wie das Restitutionsedikt aufgeben können"[1].

Nach anfänglichen unverbindlichen Botschaften an Sachsen, wechselte er am 14. Mai vom verbindlichen Ton zum Befehlston und erließ eine Verordnung, die seinen Untertanen verbot, die Rekrutierung für Heere protestantischer Fürsten zu unterstützen. Damit waren alle Brücken zwischen dem Kaiser und den protestantischen Fürsten abgebrochen. Es war die letzte Chance des Kaisers, den Krieg in Deutschland ohne ausländischen Einfluß zu beenden.

Als Tilly mit seinem 36.000 Mann starken, demoralisierten und ausgehungerten Heer nach der Zerstörung Magdeburgs nun in Sachsen einfiel, Merseburg eroberte und sich in Richtung Leipzig bewegte, kam es am 11. September 1631 zu einem Bündnis zwischen Johann Georg und Gustav Adolf. Der Kurfürst von Sachsen stellte dem Schwedenkönig sein Land als Operationsbasis und auch sein Heer unter Arnim zur Verfügung.

Am 18. September 1631 kam es bei Breitenfeld zur ersten militärischen Auseinandersetzung zwischen dem kaiserlichen Heer unter Tilly und den vereinten Heeren der Schweden und Sachsen.

Erst gegen drei Uhr nachmittags griff Pappenheim die Schweden durch eine Flankenbewegung im Rücken an. Bei üblicher Schlachtordnung hätte dies bereits verhängnisvoll für die Schweden enden können. Aber durch eine neue Schlachtordnung, die Gustav Adolf seinem Heer rastlos eingebläut hatte, geriet Pappenheim mit seinen Reitern in eine Falle und mußte sich so gut es ging zurückziehen. Um ihn in seinem Rückzugsgefecht zu entlasten, griffen die Kaiserlichen die sächsischen Fußtruppen und die sächsischen Geschütze an. Der konzentrierte Angriff richtete unter den unerprobten Truppen ein Blutbad an und ließ die sächsische Front wanken. Als auch noch die kroatische Reiterei in ihren roten Mänteln und blitzenden Säbeln und unter barbarischem Geschrei auf die Sachsen einstürmte, flohen die Kanoniere zuerst und die Kanonen fielen dem Feind in die Hand. Die Kaiserlichen wendeten die Geschütze und begannen auf die sächsische Reiterei zu feuern. Johann Georg, der zwar auf der Sauhatz Mut bewiesen hatte, konnte sich niemals einen so gewaltigen militärischen Angriff vorstellen.

Er wendete, gab seinem Streitroß die Sporen und floh vom Schlachtfeld. Er hielt nicht eher an, bis er im 24 Kilometer entfernten Eilenburg ankam. Seine treuen sächsischen Untertanen folgten ihrem Herrscher und selbsterwählten Feldherrn. Zwei vollständige Regimenter Reiterei warfen ihre Waffen weg und brachten sich zu Pferd oder zu Fuß in Sicherheit. Arnims Bemühungen, die zusammenbrechende Front der Sachsen zu schließen, waren erfolglos. Erfolgreicher waren die sächsischen Soldaten. Als sie merkten, daß sie nicht mehr verfolgt wurden, fielen sie über die schwedischen Troßwagen her und raubten sie aus.

Unter diesen Umständen hätte der König von Schweden kein erneutes Bündnis mit Sachsen abgeschlossen.

Sein Genie, seine Tapferkeit und die damals noch sehr hohe Disziplin der schwedischen Truppen brachten den kaiserlichen Truppen eine vernichtende Niederlage bei.

Dieser Sieg bei Breitenfeld übte auf das gesamte protestantische Lager eine ungeheure moralische Wirkung aus. Gustav Adolf erschien als Befreier vom habsburgischen Joch. Johann Georgs Flucht machte den von ihm angestrebten Führungsanspruch zunichte. Gustav Adolf war jetzt nicht mehr nur gleichberechtigter Vertragspartner, sondern Verteidiger der protestantischen Sache, der sich nunmehr zum Schiedsrichter über Deutschland berufen fühlte.

Die Situation war für Johann Georg entwürdigend, und er versuchte ihr damit zu begegnen, daß er drohte, alle Flüchtenden hängen zu lassen. Er ließ aber von seinem Vorhaben ab, als ihn ein englischer Freiwilliger darauf aufmerksam machte, daß er mit sich selbst beginnen müsse...

In Umkehrung der ursprünglichen Pläne des sächsischen Kurfürsten mußte Arnim auf Weisung des Schwedenkönigs Richtung Prag marschieren. Anfang Oktober 1631 überschritten die sächsischen Truppen unter Arnim die Grenze zu Schlesien, um ihren guten Ruf in den kaiserlichen Ländern wiederherzustellen.

Am 25. Oktober drangen sie in Böhmen ein und am 15. November 1631 besetzten sie Prag, das vorher von Wallenstein verlassen wurde. Von den Protestanten, die sich aus hundert Verstecken ans Tageslicht wagten, wurden die Sachsen begeistert gefeiert.

Als der Kaiser und auch der spanische Botschafter an Johann Georg mit Friedensangeboten herantraten, wagte dieser nicht, jetzt, da Gustav Adolf die militärische Macht fest in den Händen hielt, Frieden zu schließen. Als Vermittler zwischen dem Kaiser und dem Kurfürst von Sachsen war der Schwiegersohn Johann Georgs, der Landgraf von Hessen-Darmstadt tätig, der bei Gustav Adolf in Verdacht stand, für seine Vermittlungsbemühungen im Solde des Kaisers zu stehen. Bei einer spannungsgeladenen Auseinandersetzung warf ihm einst der Schwedenkönig vor: "Der noch etliche dreißigtausend Reichstaler zum Recompens bekombt, kan noch woll guett Kayserisch seyn".

Gustav Adolf ging davon aus, daß das sächsische Heer Böhmen weiterhin besetzt halten würde. 1632 kehrte jedoch Wallenstein mit ungeheuren Vollmachten an die Spitze des kaiserlichen Heeres zurück. Diese Rückkehr bedeutete nicht, daß der Vormarsch des Schwedenkönigs sofort gestoppt werden konnte. Zunächst mußten die Sachsen aus Böhmen vertrieben werden.

Wallenstein war sich darüber im klaren, daß er die Autorität des König am besten dann untergraben konnte, wenn es ihm gelang, Johann Georg zu korrumpieren. Er griff deshalb die Sachsen nicht an, sondern ermöglichte es ihnen, sich über die Grenze zurückzuziehen und deutete gleichzeitig die Möglichkeit eines Bündnisses an. Gustav Adolf hatte allen Grund, an der Zuverlässigkeit seines Verbündeten zu zweifeln. Seinen ursprünglichen Plan, direkt auf Wien zu marschieren mußte er auch aus diesem Grund aufgeben, nachdem sein Versuch gescheitert war, den sächsischen Feldmarschall Arnim zu bestechen, - genauer gesagt zu kaufen.

Die Schweden zogen sich, verfolgt von Wallenstein, Richtung Sachsen zurück.

Am 16. November 1632 kam es bei Lützen zur Entscheidungsschlacht zwischen den Kaiserlichen und den Schweden, in deren Verlauf Gustav Adolf fiel.

Nach dem Tode des Schwedenkönigs strebt Johann Georg erneut die Führung der protestantischen Kriegsparteien an. Allerdings überschätzt er dabei seine politischen und militärischen Fähigkeiten. Die Schweden, militärisch durchaus noch Herr der Lage, verzichten nicht auf ihren Führungsanspruch.

Erneut wechselt der Kurfürst die Fronten und sucht Anschluß an das kaiserliche Lager.

1634 wird in Sachsen die erste Militärbehörde, die sogenannte Geheime Kriegskanzlei gebildet. Sie besteht aus den Sekretariaten für Einquartierung, Verpflegung, Besoldung und Musterung und der Generalkriegskasse.

Während des ganzen Jahres 1634 fanden Verhandlungen zwischen dem Kaiser und Kurfürst Johann Georg I. statt. Johann Georg war es ernst mit einem Frieden und der Vertreibung der ausländischen Eindringlinge. Auch der Kaiser war jetzt bereit, wovor er sich noch vor Jahren sträubte, nämlich zur Aufhebung des Restitutionsediktes. Wäre er schon 1630 über seinen Schatten gesprungen, hätte er zehntausende Menschenleben erhalten und ungeheure materielle Schäden vermeiden können.

Am 30. Mai 1635 kommt es zwischen dem Kaiser und Johann Georg zum Friedensschluß von Prag.

Das Bündnis des protestantischen Kurfürsten mit dem katholischen Kaiser wird fürstlich belohnt:

Die beiden Lausitzen kommen nun endgültig an Sachsen. Dies ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: erstens ist es der größte und letzte territoriale Zugewinn in der Geschichte Sachsens und zweitens ist es eine wichtige Brücke nach Polen für die spätere Ostpolitik unter Kurfürst Friedrich August I.(August den Starken).

Der sächsische Kurfürst verpflichtet sich zum Schutz der Katholiken, insbesondere der katholischen Sorben und der katholischen Klöster in der Lausitz.

Johann Georg erhält den erblichen Titel eines Reichsfeldherrn.

Das Restitutionsedikt als zentrales Problem der bisherigen Auseinandersetzungen wird 40 Jahre ausgesetzt.

Der ausgehandelte Religionsfrieden schließt die deutschen Calvinisten aus. Dieser Umstand und die Tatsache, daß die in den habsburgischen Ländern lebenden Lutheraner und die calvinistische Pfalz nunmehr dem Katholizismus preisgegeben sind, werden Johann Georg als Verrat an der protestantischen Sache vorgeworfen.

Tatsächlich war der Vertrag von Prag kein eigentlicher Friedensschluß,sondern ein neues Kriegbündnis - mit der Gegenseite.

Ab 1636 hatte der Krieg seine scheinheilige Maske eines Religionskrieges entgültig abgelegt. Nach dem Tode Gustav Adolfs verlor das schwedische Heer seine Disziplin und moralische Legitimation, für die protestantische deutsche Sache zu kämpfen. Sachsen wurde von zügellosen schwedischen Landsknechtshaufen heimgesucht, die 1637 Meißen einäscherten, 1639 Zwickau eroberten, vergeblich Freiberg belagerten, Pirna verwüsteten und 1642 zum wiederholten Male Zittau und Leipzig einnahmen.

Zwischenzeitlich trat bei Johann Georg der alte Schlendrian zu Tage, er trank zu viel, verlor erst seinen Feldherrn Arnim, dann allmählich sein Heer. Zuletzt auch seine Tochter; aber an den Sohn des Königs von Dänemark.

Am 6. September 1645 wird zwischen dem sächsischen Kurfürsten und dem schwedischen General Königsmark der Neutralitätsvertrag von Kötzschenbroda abgeschlossen. Formell ist damit für Sachsen der 30jährige Krieg beendet, obwohl noch schwedische Truppendurchmärsche das Land schwer belasten.

Die endgültigen Regelungen der Nachkriegszeit werden jedoch erst 1648 im Westfälischen Frieden fixiert.

Sachsen behält die Lausitz, verliert aber Magdeburg, das nach dem Tode des sächsischen Administrators August als Herzogtum an Brandenburg fällt. (Dadurch wurde eine weitere Expansion Sachsens elbabwärts für immer unterbunden.)

Die Lausitzer behalten nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens neben der evangelischen Kirchenverfassung das katholische Domkapitel in Bautzen.

In gewisser Weise tragisch entwickelte sich die Lage der sächsischen Bauern. In Kriegszeiten hatten die Leibeigenen die Dörfer verlassen und waren teilweise in die Städte gelangt, wo sie ein Gewerbe erlernten. Nun, nach dem Kriege kehrten sie zurück und verbesserten den Lebensunterhalt durch emsige Heimarbeit und steigerten das Einkommen der Familie. Solange der Krieg dauerte, konnte der Landadel, der diese Entwicklung scheel beobachtete, nichts unternehmen. Jetzt aber, als sich die Lage zu stabilisieren begann, nutzte der Ladadel, dem der Kurfürst teilweise Geld schuldete, die Situation aus und trotzte ihm einige für sie wichtige Gesetze ab. Die Bauern durften ihre Dörfer nicht mehr verlassen und Heimarbeit wurde verboten.

Entgegen der "Väterlichen Ordnung" von 1499, die eine Landesteilung verbietet, setzt Johann Georg 1652 in seinem Testament für die nicht nachfolgeberechtigten Söhne die Einrichtung von drei sog. Sekundogenituren fest, wobei allerdings die Oberhoheit des Kurfürsten erhalten bleibt.

Noch einmal strebt Johann Georg I. eine Führungsrolle unter den protestantischen Fürsten an. 1653 übernimmt er den Vorsitz im "Corpus evangelicorum", der Gruppe protestantischer Mitglieder im Reichstag. Sein Einfluß auf die Reichsbehörden wird dadurch offensichtlich gestärkt, aber dieses Amt trägt nicht zur Verbesserung seiner Autorität als Vertreter des politischen Protestantismus bei, da er nach Übereinkunft mit dem Kaiser dessen politische Ziele vertreten muß.

Sicher war er der Vorzugskandidat des Kaisers, denn um das gleiche Amt hatte sich bereits der brandenburgische Kurfürst bemüht und war gescheitert.

1654 gründet Johann Georg I. Johanngeorgenstadt.

1656 stirbt Kurfürst Johann Georg I. hochbetagt, im Kreise seiner Kinder und Enkel, auf seinem Schloß in Dresden. Er fand im Dom zu Freiberg seine letzte Ruhestätte.

Sein Nachfolger wird sein ältester Sohn Kurfürst Johann Georg II. (1656-1680).

In die Regierungszeit dieses Kurfürsten fällt die wirtschaftliche Konsolidierung Sachsens nach dem 30jährigen Krieg.

Die Weichen für das Zeitalter des Absolutismus in Sachsen waren gestellt.

sogenannter Gnadenpfennig mit dem Bildnis Kurfürst Johann Georg von Sachsen


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