GRIMMELSHAUSEN, Johann Jacob Christoph von

Grimmelshausen enstammte einer mäßig begüterten adligen Familie aus dem Thüringischen. Der Stammbaum der Familie läßt sich bis ins Jahr 1177 zurückverfolgen. Das Stammschloß lag an der oberen Werra nahe dem Dorfe Grimmelshausen. Die Vorfahren Johanns zogen aber um 1571 in die Reichsstadt Gelnhausen an der Kitzig, betrieben eine Bäckerei und legten aus unbekannten Gründen den Adelstitel ab.

Offenbar in Anlehnung an diesen Ortsnamen nannte sich Grimmelshausen in seinen ersten Werken noch Gelnhusanus.

Grimmelshausen geriet bereits als Kind in die Wirren des 30jährigen Krieges.

Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr erlebte er vieles von dem, was er in phantastischer Überhöhung seinem Romanhelden andichtete. Der Roman ist jedoch keine Autobiografie, sondern stellt mit abgründigem Humor, närrischer Dialektik und den damals sehr beliebten Wortspielen Moralbegriffe in Frage und stellt durch seine Schilderungen ein (Un-)Sittenbild des 30jährigen Krieges dar.

In sehr drastischer, oft scheinbar mitleidsloser Weise werden von Grimmelshausen die Widersprüche von Luxus der Gouverneure und Armut der Bevölkerung, Kriegszucht und Verwilderung der Truppe und der Verfall der moralischen Grundsätze beschrieben. Mit der Naivität und Arglosigkeit eines ungebildeten Kindes wird beobachtet, wie Soldaten zu Räubern werden, Offiziere zu Lebemännern und Frauen mit oder gegen ihren Willen zu Huren.

Die Chronologie des Romans ist nicht mit der des tatsächlichen Ablaufs des 30jährigen Krieges zu vergleichen, ebensowenig reflektiert der Roman die tatsächlichen Ursachen und gesellschaflichen Hintergründe, die zum Ausbruch des Krieges führten. Die im Simplicissimus dargestellte Gesellschaft lebt im immerwährenden Krieg und in ihm geht es nur um Macht, Beute und Besitz.

Die Mechanismen der Macht waren von Grimmelshausen mit seinen schulischen Voraussetzungen auch gar nicht zu durchschauen.

In Gelnhausen war er knapp fünf Jahre in die Lateinschule gegangen und beherrschte auch später kaum die Grammatik.

Seine eigentliche Allgemeinbildung erhielt er ab 1645 als Schreiber in der Kanzlei seines Kommandanten und durch den Umgang mit einem akademisch gebildeten Regimentssekretär.

Dieser Sekretär Witsch, Magister der Universität Freiburg, vermittelte dem verwilderten Soldaten Grimmelshausen moralische und geistige Bildung. Er besorgte ihm religiöse und wissenschaftliche Bücher und machte ihm mit der damals modernen spanischen und französischen Literatur bekannt.

Grimmelshausen wurde zum Büchernarr und wird alles gelesen haben, was ihm in die Hände fiel.

Daneben mußten Aufgaben des Regiments erledigt werden: Dienstpläne aufstellen, Verpflegung organisieren, Verwaltungsaufgaben erledigen.

Diese Tätigkeiten erleichterten ihm den Start in sein privates Leben.

1648 beendet der Westfälische Frieden formell den 30jährigen Krieg. Grimmelshausen heiratet am 30. August 1649 die Tochter eines älteren Kameraden aus dem Regimentsstab und wird durch Beziehungen als Schaffner in Gaisbach
eingesetzt.

Schaffner war im damaligen Sprachgebrauch ein Verwalter eines Gutes oder einer Liegenschaft. Grimmelshausen baute zwei Häuser und betrieb eine Gastwirtschaft "Zum silbernen Stern". Da Gaisbach damals kaum mehr als fünfzig Einwohner hatte, dürfte das Gasthaus keine Goldgrube gewesen sein, zumal es in der Nachbarschaft ein zweites Gasthaus gab.

Die materielle Basis war schmal. In dieser schweren Zeit wuchs die Familie rasch: seine Frau gebar ihm sechs Töchter und vier Söhne; die meisten Kinder sind allerdings früh gestorben.

Im Laufe der Zeit kam es zu Streitigkeiten mit seiner Herrschaft. Man warf ihm vor, nicht energisch genug die Forderungen nach Naturalien und Geld umgesetzt zu haben. Dabei wurde von der Herrschaft offenbar der tatsächliche Zustand der Höfe, Bauernhäuser, Äcker und Weinberge geflissentlich übersehen. Es muß außerordentlich schwer gewesen sein, die Wirtschaft soweit in Gang zu bringen, daß sie Erträge abwarf.

Irgendwann in den folgenden Jahren gab Grimmelshausen entweder seine Stellung auf oder wurde entlassen.

Nur mit Hilfe einer vom Schwiegervater gezahlten Kaution von 500 Gulden gelang es ihm, 1667 eine Stelle als bischöflicher Beamter auf Lebenszeit in Renchen zu erhalten.

Zu seinen Verpflichtungen gehörte die Aufsicht über Kauf-, Tausch- und Pferdekontrakte, Eheverträge und die Ausfertigung von Kauf- und Schuldbriefen; Bischöfliche Gelder mußten eingezogen und verwaltet werden, die Waisenpflege organisiert, und das Asylrecht über Flüchtlinge und Zigeuner war zu kontrollieren.

Dafür standen ihm zwei Polizeidiener zur Verfügung.

Sehr viel attraktiver wird die "Schätzung" für Wein, Bier, Fleisch und Brot gewesen sein.

Dieses Amt ließ ihm jedoch genügend Zeit, sich als Autor zu betätigen.

Mit dem Simplicissimus wurde Grimmelshausen über Nacht berühmt. Von 1668 bis 1672 erschienen sechs Auflagen, darunter eine als Raubdruck.

Ebenso erfolgreich und bekannt wurde er mit dem Roman über das weibliche Gegenstück des Simplicissimus, der Courasche (Landstreicherin).

Zu den ersten Leserinnen der Courasche gehörte die Herzogin Sophie von Hannover.

Die Gestalt der Courasche Grimmelshausens ist uns bis in die heutige Zeit lebendig geblieben durch Bertolt Brechts Drama "Mutter Courage und ihre Kinder".

Am Ende seines Lebens wurde Grimmelshausen erneut von der Kriegsfurie eingeholt. Die aufkommende Kriegsfurcht spiegelt sich im zweiten Teil seines Werks, des wunderbarlichen Vogelnests, wider.

Bereits 1672 rüstete der "Allerchristlichste König" Ludwig XIV. zum Krieg um Flander, Braband und die Rheingebiete bis zum Elsaß.

Um 1675 muß Grimmelshausen noch einmal Soldat gewesen sein, wahrscheinlich in einer Art Landsturm.

Vielleicht war dies der Grund, warum Grimmelshausen an den Folgen einer Krankheit 1676 starb.

Eine Eintragung vom 17. August 1676 im Kirchenbuch des katholischen Pfarramtes in Renchen spiegelt die Achtung und den Stolz der Einwohner dieses Ortes wider, wenn der Pfarrer schreibt:

"Es starb im Herrn der Ehrenwerte, groß an Geist und Bildung, Johann Christoph von Grimmelshausen, Schultheiß dieses Ortes, und obgleich er wegen der Wirren Kriegsdienst leistete und seine Kinder deswegen in alle Welt zerstreut waren, kamen sie dennoch aus diesem Anlaß ... alle hier zusammen. Der Vater starb, nachdem er durch das Sakrament der Eucharistie fromm gestärkt war, und wurde begraben. Seine Seele möge in heiligem Frieden ruhen."

Zum Schluß ein Hinweis für jene Leser und Genießer, die sich eventuell beim oder nach dem Lesen der Schriften Grimmelshausen an einem guten Tropfen erfreuen möchten:

Das Gasthaus zum "Silbernen Stern" in Gaisbach gibt es noch heute und dort erhält man den Gaisbacher Müller-Thurgau "Spring ins Feld" (in Original-Abfüllung!) zu Badener Speisen.

Für den Fall, daß Sie die Rechnung (bar) bezahlen möchten, sollten Sie sich daran erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1976 anläßlich des 300. Todestages des Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen eine 5,-DM Silber-Gedenkmünze herausgab!



             ergänzende Hinweise zu dieser Biographie unter:
                   http://www.oberkirch.de/inhalt/oberkirch/pages/grimmelshausen.html und
                   weiteren Internet-Quellen der FU Berlin zu Grimmelshausen



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