Ferdinand II.

Im Jahre 1618, dem durch die Geschichtsschreibung definierten Beginn des 30jährigen Krieges, war die Dynastie der Habsburger die stärkste Macht in Europa.

Den Habsburgern gehörte Österreich, Tirol, die Steiermark, Kärnten, Krain, Ungarn (soweit es nicht schon unter türkischer Herrschaft war), Schlesien, Mähren, die Lausitz und Böhmen.

Im westlichen Europa herrschten die Habsburger über Burgund, die Niederlande und Teile des Elsaß; in Italien über das Herzogtum Mailand ebenso wie über das Königreich Neapel, das sich über die ganze südliche Hälfte der Halbinsel einschließlich Siziliens und Sardiniens erstreckte.

Die Habsburger waren die Könige von Spanien und Portugal, und Habsburg regierte in der neuen Welt in Mexiko, Brasilien, Peru und Chile.

Diese gewaltige Machtanhäufung war nicht allein durch Eroberungen entstanden. Die Habsburger rühmten sich, weit mehr durch Heiratspolitik als durch Eroberungen mächtig geworden zu sein.
Wenn es an Thronerbinnen mangelte, verstärkten sie den dynastischen Zusammenhalt durch Heiraten untereinander. So kam es vor, daß ein Herrscher eines anderen Schwager, Schwiegersohn und Vetter zugleich war.

Das Problem der Habsburger zu Beginn der gesellschaftlichen Umbrüche, deren Ausdruck auch der 30jährige Krieg war, bestand darin, daß nach dem Tod Philipps II. in der Familie die strategische Fähigkeit der Machtausübung und Sicherung verloren gegangen war.

Sein Nachfolger als Oberhaupt des Hauses Habsburg, Philipp III. von Spanien war ein mittelmäßiger, im europäischen Rahmen gesehen unbedeutender Mann. Der alte Kaiser Matthias in Mitteleuropa war ohne Nachkommen und lediglich bemüht, die sich im Reich abzeichnende Krise solange hinauszuschieben, bis er im Grab in Sicherheit war.

Im Laufe ihrer Entwicklung hatte das Haus Habsburg eine so gewaltige Macht angehäuft, daß nicht nur der Neid der übrigen europäischen Mächte provoziert wurde, sondern auch durch die territoriale Endwicklung das aufstrebende Frankreich an allen Landesgrenzen bedroht war.

Darüber hinaus hatte sich das Haus Habsburg zum Träger zweier Ideen gemacht: es trat kompromißlos für den Absolutismus und die katholische Kirche ein.
Und das in einem Maße und so unnachgiebig, daß die Welt nicht mehr zwischen ihrem Namen und ihren Handlungen unterschied.

Das Haus Habsburg hatte Ferdinand als Nachfolger Kaiser Matthias auserkoren.
Allerdings war die Nachfolge durch Zugeständnisse an die spanische Krone erkauft worden: Ferdinand hatte sich bereit erklärt, bei seiner Wahl zum Kaiser die habsburgischen Lehen im Elsaß seinen spanischen Vettern zu übereignen.

Dies war eine wichtige strategische Entscheidung im Hinblick auf den erwarteten erneuten Ausbruch des Krieges zwischen den Niederlanden und Spanien.
1609 hatten beide Länder nach vierzigjährigem Kampf einen Waffenstillstand für zwölf Jahre unterzeichnet. Die Beendigung des Waffenstillstandes im Jahre 1621, soviel war klar, würde eine europäische Krise herbeiführen, die darüber entscheiden würde, ob die Niederlande und damit der Protestantismus oder die Habsburger und die katholische Kirche die Zukunft Europas bestimmen würden.

Ferdinand II. Ferdinand II.
Ferdinand war der Sohn Karls von Steiermark und Maria von Bayern, ein Enkel Kaiser Ferdinands I. und ein Patenkind Philipps II. von Spanien, und seine Pflicht gegenüber der katholischen Kirche war ihm schon als Kind im Jesuitenkolleg von Ingolstadt eingeimpft worden.

Es ist zwar ein Gerücht, aber es charakterisiert die Persönlichkeit im Spiegelbild seiner Zeit, wenn Ferdinand nachgesagt wurde, daß er auf einer Wallfahrt nach Rom und Loretto ein Gelübde zur Ausrottung des Irrglaubens in Deutschland abgelegt hätte.
Dazu bedurfte es keines Gelübdes; Ferdinand erklärte einmal, daß er eher alles verlieren als den Irrglauben dulden wolle.

Er war kaum großjährig, als er seine Überzeugung in der Steiermark mit Gewalt durchsetzte.
Sein Vater hatte es aufgrund des starken Anteils der Protestanten niemals gewagt, sie anzugreifen; Ferdinand war hingegen keine grüblerische Natur, und wenn er vom missionarischen Eifer erfaßt wurde (in der Regel von seinem Beichtvater Lamormain unterstützt), gab es für ihn kein Halten.

Als Ferdinand 17jährig die Regierungsgeschäfte seiner Erblande Steiermark, Kärnten und Krain übernahm, verweigerte er vor der Ablegung des Huldigungseides die religiösen Zugeständnisse seiner Vorgänger an die Protestanten mit der Erklärung, Religionsfreiheit und Huldigung haben nichts miteinander zu tun. Möglichen Bedenken gegen sein Vorgehen hatte ihm der Klerus mit der Auslegung genommen, die Bewilligung religiöser Zugeständnisse seien nur persönlich gewesen und sind mit dem Tode Maximilians erloschen.

Kam Ferdinand nicht mit Gewalt ans Ziel, grub er den Protestanten geschickt die staatsbürgerliche Qualifikation ab, verführte die junge Generation durch Propaganda und Erziehung und verstärkte nach und nach den politischen Druck solange, bis die Protestanten zu spät bemerkten, daß sie zu schwach für politischen Widerstand waren.
Dabei kam ihm zupasse, daß sich die Protestanten durch politische Interessen- und religiöse Flügelkämpfe selbst in einem Maße schwächten, der nach heutigen Maßstäben als politische Unreife bezeichnet werden kann.

Soweit zu der politischen Ausgangslage in Europa, zu einem Zeitpunkt, als Erzherzog Ferdinand zum Römisch-Deutschen Kaiser gewählt werden sollte.

Was für ein Mensch war der zukünftige Kaiser?

"... Ferdinand ... war ein heiterer, freundlicher kleiner Mann mit rotem Gesicht, der für jedermann ein beruhigendes Lächeln hatte. Freimut und Gutmütigkeit strahlten aus seinen wasserblauen Augen. Rothaarig, gedrungen und geschäftig, war er eine ganz und gar nicht eindrucksvolle Erscheinung, und die Vertraulichkeit seiner Umgangsformen ermutigte seine Höflinge und Diener, ihn auszunützen. Freunde und Feinde waren sich einig, daß er ein umgänglicher Mensch war.

Seine Herrschaft in der Steiermark war gewissenhaft und gütig; er plante öffentliche Wohlfahrtseinrichtungen für Kranke und Unbemittelte und die kostenlose Beistellung von Verteidigern bei Armenprozessen... Seine zwei Hauptleidenschaften waren die Kirche und die Hetzjagd; in der Ausübung seiner religiösen Pflichten war er peinlich genau, und drei- oder viermal in der Woche war er auf der Jagd. Mit seinen Kindern und seiner Gattin verbanden ihn außergewöhnlich glückliche Beziehungen. Nur die Ausübung gewisser morbider Kasteiungen wirft ein unerwartetes Licht auf sein sonst alltägliches Privatleben. Die Öffentlichkeit sowie Privatpersonen schmeichelten dem Erzherzog wegen seiner Tugenden, aber nicht wegen seiner Fähigkeiten... Ferdinand (
war) eine einfache Natur und mehr zur körperlichen Betätigung als zum Nachdenken neigend."

Im übrigen war Ferdinands Auftreten "...von geschwätzigem Selbstbewußtsein..." geprägt.[1]

Golo Mann beschreibt ihn als einen Menschen, der "...in glücklichstem Verhältnis zu Gott dem Herrn, welches die Hauptsache war, erfolgreicher Ehemann, guter Sohn, gewissenhafter Landesvater, gutmütig, wenn fromme Pflicht ihn nicht zur Grausamheit zwang, lebensvergnügt und kerngesund."[2]

Was wieder einmal beweist: auch ein Kaiser ist ein Mensch - wenn man die Leichen übersieht, die er zu verantworten hat. Ferdinand tat sich nur zu Beginn seiner kaiserlichen Laufbahn mit Leichen schwer.
So hat er z.B. vor der Hinrichtung der böhmischen "Aufständischen" 1621 in Prag angeblich Angstschweiß und schlaflose Nächte gehabt. Nach einem nächtlichen Gebet und der Abnahme der Beichte war er aber stets wie ausgewechselt, unterschrieb kaltblütig mehr als zwanzig Todesurteile und befahl ihre unverzügliche Vollstreckung.
Auch nach dem von ihm wahrscheinlich veranlaßten, zumindestens gebilligten Mord an Wallenstein ließ er 3.000 Seelenmessen lesen und schlief unbelastet weiter.

Es mangelte Ferdinand an der Vorstellungskraft, welche Folgen Mord, Hungersnot, Folter, Brand, Verwundungen und Verstümmelungen auf den Einzelnen oder die betroffene Region hatten; er hielt es für schrecklicher, wenn protestantische Soldaten einem Marienbildnis die Augen ausstachen, als wenn sie die Bauern in ihre brennenden Häuser zurückjagten.

Er hatte als junger Mann von den Jesuiten gelernt, die Last der Verantwortung für politische Entscheidungen auf andere abzuwälzen, um sein Gewissen nicht zu belasten.

Persönliche Gutmütigkeit und politische Rücksichtslosigkeit schließen einander nicht aus, und selbst diejenigen, die an Ferdinands Fähigkeiten zweifelten und ihn mit Geringschätzung als gutmütigen Trottel abtaten, der am Gängelband seines Ministers Eggenberg hing, fürchteten ihn als Werkzeug der Jesuiten.

Mit diesen Charaktereigenschaften und ideologischen Grundeinstellungen war Ferdinand selbst bei gutwilliger Zubilligung staatsmännischer Fähigkeiten die denkbar ungeeignete Person in der Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs.

Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß Ferdinand die gesellschaftspolitischen Probleme seines Reiches, die Notwendigkeit einer überfälligen Reichsreform und die konkurrierenden europäischen Interessenlagen in ihrer Brisanz nie begriffen hat.

Die Unterordnung seiner staatspolitischen Entscheidungen unter die der katholischen Kirche beraubten ihn der wichtigsten Eigenschaft: die der ausgleichenden Integrationsfigur, wie sie das Reich wie nie zuvor gerade jetzt brauchte.
Es war die Ironie der Geschichte, daß ausgerechnet Ferdinand II. aufgrund der machtpolitischen Entwicklungen in den Jahren um 1629 die bestimmende politische Gestalt des Absolutismus in seiner Epoche wurde und es unter seiner Regierung gelang, die monarchistische Zentralgewalt unter katholisch-konfessionellen Vorzeichen in den habsburgischen Ländern wiederherzustellen.

Daß es ihm nicht gelang, diese Situation zu stabilisieren, ist sein Versagen vor der Geschichte.

Die Widersprüchlichkeit der politischen Interessenlagen bei Machtantritt Ferdinands und die Unfähigkeit der politischen Gegner, Persönlichkeiten zu akzeptieren, die der bedrohlichen klerikalen Zentralgewalt entgegentreten konnten, läßt sich sehr gut am Beispiel der anstehenden Wahl Ferdinands im Jahre 1617 zum König von Böhmen dokumentieren.

Es ist schwer verständlich, warum die Böhmen die katholischen Habsburger überhaupt duldeten, denn die böhmische Krone war nicht erblich; Böhmen war ein Wahlkönigtum. Daß die Habsburger ihre Machtansprüche bisher ungehindert durchsetzen konnten, lag in der Zerstrittenheit der Ultraquisten, Lutheraner und Calvinisten begründet, die untereinander um Privilegien kämpften.

Die habsburgischen Könige setzten den Katholizismus wieder als Staatsreligion ein und gewährten den drei anderen Religionen lediglich Duldung.
Die bisherige, auf Landbesitz beruhende Werteordnung Böhmens wurde im Zuge der ökonomischen Entwicklung durch das aufstrebende Bürgertum in Frage gestellt. Die gesellschaftliche Sonderstellung der 14.000 Adelsfamilien war im Schwinden begriffen, und so unterstützte der böhmische Adel die habsburgische Regierung aus Furcht vor den militanten Calvinisten.

Diese Spaltung der Böhmen versuchte 1609 Kaiser Rudolf auszunutzen und entzog den Protestanten die religiöse Duldung. Das löste eine Krise im Reich aus und ein drohender nationaler Aufstand zwang den Kaiser in einem sogenannten Mäjestätsbrief den protestantischen Gottesdienst zu garantieren.

Kaiser Rudolf II.  machte Prag zu seiner kaiserlichen Residenz- und Hauptstadt. Der Kaiser, der mehr mit Astrologie und Astronomie beschäftigt war als mit Staatsgeschäften, wurde vom lutherischen Adel als König von Böhmen abgesetzt. Sein Bruder Matthias übernahm den Thron.

Matthias  in seiner katholischen Tradition verstieß zwar nicht gegen den Inhalt, jedoch gegen den Geist des Majestätsbriefes. Die Empörung verstärkte sich in Böhmen, als Matthias auch noch seinen Regierungssitz nach Wien verlegte. Die erneute Absetzung des Kaisers als böhmischer König scheiterte jedoch an den widerstrebenden Interessen und Bestrebungen der sich bekämpfenden nationalen Parteien.

Die Sorge der politisch einflußreichen Kreise um die Bewahrung der Privilegien sicherte dem Kaiser die Macht. Eine Wiederwahl eines Habsburgers war allerdings nach den Ereignissen der letzten Jahre mehr als fraglich.

Man sollte annehmen, daß die Wahl des böhmischen Königs eine Angelegenheit war, die auschließlich die Böhmen anging. Aber der Umstand, daß die Könige von Böhmen auch Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches waren, machte diese Wahl zu einem Ereignis von europäischer Bedeutung.

Die Tragik dieser Verknüpfung der machtpolitischen Interessen leitet sich an dem Zweifel ab, ob Böhmen, Schlesien, die Lausitz oder Mähren historisch gesehen überhaupt zum Gebiet des Heiligen Römischen Reiches gehörten.

Matthias war kinderlos, und von Jahr zu Jahr hinfälliger; eine Neuwahl machte sich notwendig.

Was fehlte, war ein geeigneter Kandidat. Es boten sich drei Kandidaten an: Erzherzog Ferdinand, Kurfürst Johann Georg von Sachsen und Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz.

Friedrich war nicht nur zu unerfahren und ohne Ansehen, er war Calvinist - eine Zumutung für die böhmischen Adligen und eine Gefahr für die Protestanten.

Johann Georg war als toleranter protestantischer Herrscher ein Wunschkandidat. Da er aber alle Angebote unbeantwortet ließ, war es unmöglich, ihn vorzuschlagen.

Mangels anderer, besserer Kandidaten, wurde schließlich am 17. Juni 1617 Erzherzog Ferdinand zum böhmischen König gewählt.

Das angestrebte Ergebnis der anstehenden Kaiserwahl nach dem erwarteten Tod des kränkelnden Kaisers Matthias schien somit für das Haus Habsburg gesichert. Allerdings bereitete dem neuen König der Gedanke, den böhmischen Ketzern durch Bestätigung des Majestätsbriefes wenn auch nur formale Zugeständnisse zu machen, religiöses Unbehagen.
Eine Befragung seines Beichtvaters überzeugte ihn jedoch, daß die politische Notwendigkeit ein (wenn auch nur zeitweiliges) Abweichen von vollkommener Aufrichtigkeit rechtfertige. Am folgenden Tage garantierte Ferdinand den Majestätsbrief in aller Form...

Ferdinand dachte nach seiner Wahl zum böhmischen König keinen Augenblick daran, auch weiterhin den Inhalt des Majestätsbriefes zu garantieren, aber er war klug genug, den Anlaß für die Beseitigung der Privilegien der hoffnungslos zerstrittenen Gegenpartei zu überlassen.

Und dieser Anlaß ließ nicht lange auf sich warten. Am 23. Mai 1618 warfen aufgebrachte Protestanten zwei kaiserliche Statthalter und einen Schreiber aus dem Fenster der Prager Burg.
Eine provisorische Regierung unter Graf von Thurn übernahm die Macht. Graf von Thurn wird zum militärischen Oberbefehlshaber ernannt und marschiert mit einem Heer im Juni bis vor die Tore Wiens, um nach kurzer Belagerung nach Böhmen zurückzukehren.

In Böhmen hatten die Protestanten den formellen Waffenstillstand mit den Katholiken gebrochen. Die Jesuiten wurden ausgewiesen und die katholische Stadt Krummau von Thurn angegriffen und eingenommen.
Böhmen hatte das gesamte katholische Europa gegen sich aufgebracht, und der Wiener Hof nutzte die Kreuzzugsstimmung konsequent aus.
Im August 1618 marschierten zwei kaiserliche Heere Richtung Prag.
Im Gegenzug nehmen die böhmischen Aufständischen hocherfreut ein Angebot Friedrichs von der Pfalz und des Herzogs von Savoyen zur militärischen Unterstützung an. Ein Heer von 20.000 Mann unter dem Feldherrn Ernst von Mansfeld überschritt die Grenze und belagerte Pilsen, den reichsten und bedeutensten Stützpunkt der Kaisertreuen.
Ganz Böhmen war begeistert, als nach fünfzehnstündigem erbitterten Kampf Pilsen am 21. November fiel.

Mansfeld und Thurn schlossen anschließend die kaiserlichen Truppen in Budweis ein und verwüsteten die österreichischen Grenzgebiete. Böhmen schien gerettet. Im Gegensatz dazu verschärfte sich für Ferdinand in Böhmen und in den Grenzlanden zu Böhmen die Lage von Monat zu Monat.

Obwohl Ferdinand den Aufständischen noch am 27. März 1619 Straflosigkeit und Bestätigung ihrer Sonderrechte anbot, wenn sie sich seiner Gnade überantworten, kam es in Mähren zum offenen Aufstand; die Protestanten in Ober- und Niederösterreich kritisierten Ferdinand ganz offen; Kärnten und die Steiermark standen vor einer Rebellion. Die Lausitz, Schlesien und Mähren unterzeichneten im Juli 1619 ein Abkommen für eine gemeinsame Konförderation mit Böhmen.

Die Nöte der böhmischen Glaubensbrüder lieferten für den Fürsten von Siebenbürgen, Bethlen Gabor einen willkommenen Anlaß zu einem Feldzug Richtung Ungarn. Ungarn war halb protestantisch und sofort bereit, sich gegen das Habsburger Joch zu erheben.

Und das alles in einer Zeit, in der Ferdinand auf dem Wege nach Frankfurt am Main zur Kaiserwahl war.

Im August 1619 erfolgte - auch mit der Stimme Friedrichs von der Pfalz - die Wahl Ferdinands zum Nachfolger des am 20. März 1619 verstorbenen deutschen Kaisers Matthias. Die Gerüchteküche kochte. Der Erzbischof von Köln, ein Bruder Maximilians von Bayern, äußerte in Kenntnis der Bedeutung Böhmens für die Habsburger: "Sollte es so sein, daß die Böhmen im Begriffe ständen, Ferdinand abzusetzen und einen Gegenkönig zu wählen, so möge man sich nur gleich auf einen zwanzig- dreißig- oder vierzigjährigen Krieg gefaßt machen."

Noch am Wahltag erreicht den neuen Kaiser die Nachricht von seiner Absetzung als König von Böhmen durch die böhmischen Stände. Der Kaiser urteilte in Kenntnis der tatsächlichen Machtverhältnisse: nur "närrische und aberwitzige Leute" könnten so etwas tun.

Trotz aller Warnungen traten am 26. August die böhmischen Stände zusammen und wählten mit 100 gegen 46 Stimmen Kurfürst Friedrich von der Pfalz zum neuen König von Böhmen.

Ferdinand reagierte sofort und kompromißlos: am 8. Oktober 1619 unterzeichnete der Kaiser ein Abkommen mit Maximilian , wonach der Kurfürst von Bayern das Oberkommando aller militärischen Unternehmungen in Böhmen übertragen bekam.

Als Pfand für seine militärischen Auslagen erhielt er alle eroberten Gebiete.

In einem Geheimabkommen wurde vereinbart, daß Maximilian bei einer Niederlage Friedrichs dessen Kurfürstentitel erhalten sollte.

Mit der Unterschrift des Kaisers unter diese Dokumente siegte verwandschaftliche Kumpanei über die von ihm bei der Kaiserwahl beschworene Achtung der Verfassung, denn die vertraglich zugesagte Übertragung der Kurfürstenwürde Friedrichs auf Maximilian verstieß gegen die in der "Goldenen Bulle" festgelegten Grundsätze der deutschen Verfassung.
Friedrich hatte zwar vorsätzlich den Reichsfrieden gebrochen und der Kaiser konnte über seine Länder zugunsten seiner Freunde verfügen, - aber nicht ohne Bewilligung durch den deutschen Reichstag!

Andererseits war diese Unterschrift auch eine militärische Konkurserklärung. Es gab kein kaiserliches Heer, daß als militärisches Druckmittel gegen die aufständischen Böhmen hätte eingesetzt werden können. Der erwartete Aufschrei der protestantischen deutschen Fürsten über die Verletzung der Verfassung war zwar zu vernehmen, aber der befürchtete Aktionismus im Rahmen der protestantischen Union zu Gunsten ihres Oberhauptes Friedrich von der Pfalz blieb aus.

Ein Ausspruch des Kurfürsten von Trier brachte die Stimmung auf den Punkt, wenn er sagte:

"Laßt sie in Böhmen kämpfen, soviel sie wollen, wir anderen wollen in unseren Ländern gute Freunde bleiben." Die protestantischen Fürsten hatten einfach Angst, und ihre einzige Sorge bestand nunmehr darin, zu beweisen, daß sie sich an Friedrichs "Aufstand" nicht schuldig gemacht hatten.

Währenddessen dokumentierte die katholische Gegenpartei in einer vom Kaiser im März 1620 nach Mühlhausen einberufenen Versammmlung Stärke und Einigkeit.
In Mühlhausen waren nicht nur die Vertreter der katholischen Liga, sondern auch die Abgesandten des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg anwesend.

Um sich der Unterstützung der Protestanten zu versichern, erhielten sie von Ferdinand die Zusage, daß er sich nicht in die Religionsangelegenheiten der säkularisierten Bistümer der obersächsischen Kreise mischen werde.
Die in Mühlhausen anwesenden Fürsten bzw. deren Vertreter erklärten Böhmen daraufhin zum Reichsgebiet. Das war die Entscheidung gegen Friedrich, der damit nach der Auffassung der Fürsten den Reichsfrieden gebrochen hatte und bestraft werden konnte.

Der Kaiser erließ daraufhin am 30. April 1620 ein Mandat, wonach sich Friedrich bis zum 1. Juni 1620 aus Böhmen hätte zurückziehen müssen.

Daß Friedrich diesem Mandat nicht nachkam, war der eigentliche Anlaß zum Krieg.

Nun konnte der Kaiser alle ihm verfügbaren Truppen (Maximilians) gegen Friedrich schicken, zur Unterwerfung eines Rechtsbrechers in einem Territorium, das dem Kaiser von den deutschen Fürsten in aller Form und damit rechtmäßig bestätigt wurde.
Allerdings war die Entschluß, mit spanischen Truppen in die Pfalz einzumarschieren, bereits Ende 1619 in Brüssel gefaßt worden; die Marschorder an Spinola wurde am 23. Juni 1620 unterzeichnet.

Während in Prag wieder die alten Feindbilder ausgegraben wurden, sich die Spannungen zwischen Adel, Bürgertum und Bauernschaft verschärften, und die Stadt von einer Atmosphäre der Feindseligkeiten gekennzeichnet war, verbreitete sich im Juli 1620 in der Stadt die Meldung, Maximilian von Bayern habe mit dem Heer der katholischen Liga unter dem Oberbefehl des Grafen Tilly die österreichische Grenze überschritten. Nach Sicherung der Interessen Maximilians in Oberösterreich überschritt am 26. September das vereinigte Heer der Liga und der Kaiserlichen die böhmische Grenze.

Das kaiserliche Heer bestand aus Söldnern vieler Nationen, die durch Jesuitenprediger angefeuert wurden. Die größten Kanonen waren nach den Aposteln benannt, und der Kaiser hatte feierlich erklärt, den Oberbefehl hätte die Muttergottes selber. - Was wiederum zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Maximilian und dem Befehlshaber der kaiserlichen Truppen Bucquoy führte.

Am Abend des 7. Novembers 1620 bezogen die böhmischen Truppen das Plateau des Weißen Berges , der Prag um einiges überragte und eine taktisch gute Ausgangsstellung gegen einen angreifenden Feind bot. Das böhmische Oberkommando war sich so sicher, daß die kaiserlichen Truppen unter den gegebenen Umständen nicht angreifen werden, daß er noch nicht einmal Befehle für den folgenden Tag ausgab. Die gegebenen Umstände waren die, daß das katholische Heer hungrig, verseucht und völlig erschöpft war, die Pferde kein Futter hatten, weil die Umgebung verwüstet und durch Bethel Gabors Truppen ausgeplündert und der 8. November nebelig und kalt war. Außerdem trennte ein Fluß die Verteidiger von den Angreifern, die bei einem Angriff auch noch bergauf hätten stürmen müssen.

Die Kommandeure der Truppen Maximilians rieten von einem Angriff ab. Maximilian setzte hingegen auf einen sofortigen Angriff. Da Bucquoy erkrankt war, stimmten die Offiziere mißmutig Maximilians Plan einer Schlacht zu.

Die lange Verzögerung, die durch den Kriegsrat Maximilians entstand, bestärkte die Böhmen in der Annahme, daß es nicht zum Kampf kommen werde. Um so überraschter war man, als Tilly, durch starkes Artilleriefeuer unterstützt, plötzlich im Zentrum angriff.
Zunächst hielten die Böhmen dem Angriff stand. Aber als der rechte Flügel der Böhmen zurückwich und auch noch die Ungarn in heilloser Flucht über die Moldau setzten, brach die gesamte rechte Front zusammen. Auf der Linken versuchten die Offiziere mit vorgehaltenem Degen die Mannschaften zu disziplinieren, aber außer der mährischen Leibgarde, die sich nicht ergab, durchbrachen die Soldaten die Front Richtung Prag.

Friedrich saß mit englischen Gesandten in Prag beim Mittagsmahl. Er war guter Laune, denn man hatte ihm versichert, daß der Krieg heute und auch in nächster Zeit nicht stattfinden wird, der Feind sei zu schwach. Nach dem Mahl wollte er seine tapferen Krieger begrüßen und soll in Begleitung von 500 Reitern ausgeritten sein. Als er vor das Stadttor ritt, kamen ihm die ersten Flüchtlinge entgegen.

Friedrich brachte in Panik seine Frau mit den Kindern eiligst über die Moldau. Das Durcheinander war so groß, daß man den jüngsten Prinzen beinahe vergessen hätte und alle galanten Bücher der Königin zum Entsetzen der späteren heuchlerisch moralischen, katholischen Eroberer zurückgelassen wurden.

Glücklicherweise hatte man bei den Durcheinander an die Juwelen des Königs gedacht. Sie waren in den kommenden Jahren die einzige finanzielle Sicherheit der Familie.

Am frühen Morgen gelang ihm, begleitet von seiner Familie und nur wenigen Räten, die Flucht nach Breslau. Acht Wagenladungen mit Friedrichs Haushaltsgut blockierten die Tore des Hradschins und fielen den Plünderen in die Hände. Aus der Masse der kostbaren Stoffe, Degen und Juwelen brachte ein Wallone die Insignien des Hosenbandordens zu Maximilian. Er erhielt dafür vom Herzog von Bayern 1000 Taler...

Maximilian selbst kehrte mit den besten Pferden als Beuteanteil des geschlagenen Friedrich nach München zurück. Während sich Maximilian für seinen selbstfinanzierten, siegreichen Krieg vom Bischof von Freising segnen ließ, gab es keine Gnade für die besiegten Prager Bürger. Noch eine ganze Woche nach der Schlacht blieben die Tore der Stadt geschlossen, und die Soldateska konnte nach Herzenslust rauben und morden. Der Beichtvater Maximilians genoß dabei aus nächster Nähe den Triumph, wie die Worte des Siegers während des Unterwerfungszeremoniells auf der Prager Burg, dem Direktorium der böhmischen Stände "die Tränen in die Augen" trieben.

In Wien läuteten die Siegesglocken.

Ferdinand ritt entblößten Hauptes zu einem Dankgebet an die heilige Jungfrau und ließ eine Krone aus Silber für 10.000 Gulden anfertigen, die er im Wallfahrtsort Mariazell als Ofergabe darbrachte.

Eine zweite, noch prächtigere Krone sandte er nach Rom.

Obwohl Ferdinand nur mit Hilfe der Ressourcen Maximilians den Feldzug hatte durchführen können, besaß er die Gabe, den Ehrgeiz seines Geldgebers so zu lenken, daß er seinem eigenen diente.

Maximilian gab ihm die Gelegenheit, die kaiserliche Macht durch eingreifende Neuverteilung der Territorien auf eine neue Grundlage zu stellen.

Ferdinands Politik hatte auf Böhmen bezogen drei Ziele:

· die politische und wirtschaftliche Vernichtung aller am Aufstand beteiligten Führungspersönlichkeiten;

· die Aufhebung aller nationalen Privilegien und

· die Ausmerzung des Protestantismus.

Das Erreichen dieser Ziele bildeten eine wichtige Voraussetzung, um eine neue politische Strategie umzusetzen: die habsburgischen Länder zu einem religiös geeinigten, absolutistisch von Wien aus regierten Staat zusammenzuschweißen, der seinerseits als die Grundlage eines katholischen Europas gedacht war.

Ein erster Schritt in diese Richtung war die Abschaffung des Wahlkönigtum in Böhmen; die böhmische Krone war von nun an in der Dynastie der Habsburger erblich. Die Urkunde, die die Religionsfreiheit garantierte, der Majestätsbrief, soll gerüchteweise von Ferdinand eigenhändig in Stücke geschnitten worden sein.

Kaum fünf Wochen nach dem Fall Prags waren die Jesuiten wieder im Land, die vertriebenen katholischen Beamten wieder eingesetzt und das Volk entwaffnet.
Das von den Aufständischen geprägte Geld wurde beschlagnahmt und Karl von Liechtenstein als Statthalter in Prag eingesetzt.

Der Irrglaube war besiegt und die "Irregeleiteten", sofern sie nicht fliehen konnten, köpfte man am 21. Juni 1621 auf dem Prager Altstädter Ring. Zwölf Köpfe und die rechte Hand des Grafen Schlick wurden auf der Karlsbrücke aufgesteckt und blieben dort zehn Jahre als Warnung und Mahnung an den fehlgeschlagenen Aufstand. Ferdinands Macht wurde seinen Untertanen drastisch vor Augen geführt.

Der Krieg war vorüber, der böhmische Widerstand gebrochen, und es war an der Zeit, daß Ferdinand sein Versprechen bei Maximilian einlöste und ihm Friedrichs Kurfürstentitel übertrug.

Ferdinand stand jedoch vor einem verfassungsrechtlichen Problem:

Die beschlossene Aberkennung der Kurfürstenwürde Friedrichs verstieß gegen die in der "Goldenen Bulle" festgelegten Grundsätze. Die Fürsten hatten zwar in Mühlhausen bestätigt, daß Friedrich vorsätzlich den Reichsfrieden gebrochen hatte, der Kaiser konnte somit über dessen Länder zugunsten seiner Favoriten verfügen, - aber nicht ohne Bewilligung durch den deutschen Reichstag!

Das bedeutete, Ferdinand konnte nichts ohne die Zustimmung der deutschen Fürsten tun. Und die Fürsten hatten bereits im März 1620 in der Fürstenversammlung von Mühlhausen einer Ächtung Friedrichs widersprochen. Ferdinand konnte also seinen Versprechungen nicht nachkommen, ohne die in Mühlhausen gefaßten Beschlüsse zu verletzen. Wollte er seine Ziele erreichen, mußte es zu einer Kraftprobe zwischen ihm und den deutschen Fürsten kommen.

Ferdinand entschloß sich schrittweise vorzugehen: zuerst wollte er Friedrich in die Acht tun, und nachdem er die Wirkung dieser Maßnahme beobachten konnte, die Kurwürde auf Maximilian übertragen. Jede Entscheidung in dieser Richtung bedeutete jedoch auch einen Bruch mit der Verfassung.

Als Ferdinand am 29. Januar 1621 die Acht über Friedrich von der Pfalz verhängte, verstieß er vorsätzlich gegen den Eid, den er bei seiner Krönung in Frankfurt abgelegt hatte.

Das Ergebnis war ein Protest der Mitglieder der "Union", der politisch-militärischen Vereinigung protestantischer Fürsten zum Schutz ihrer Interessen und Privilegien. Ferdinands Antwort war die Weigerung, die Acht zurückzunehmen und - unter Berufung auf den Reichsfrieden - ein Befehl, die protestantischen Truppen der Union aufzulösen. Als militärisches Druckmittel zur Durchsetzung seiner Absichten wurden die Truppen Spinolas in den Niederlanden benutzt, die sich auf Weisung der spanischen Habsburger Verwandten in Richtung Rhein in Bewegung setzten.

Der Widerstand der protestantischen Fürsten brach daraufhin zusammen, und am 1. April 1621 erklärten sich die Fürsten im sogenannten Mainzer Akkord mit der Auflösung ihres Heeres einverstanden, wenn ihnen Spinola ihre Neutralität garantiere. Ohne auch nur den Versuch eines militärischen Widerstandes hatten die Verteidiger der Verfassung Friedrich, ihren Führer, und ihre Grundsätze im Stich gelassen. Ferdinand war nun klar, daß er nicht länger warten brauchte, um sein Versprechen gegenüber Maximilian einzulösen.

Die Plattform für diese Demonstration absoluter kaiserlicher Macht sollte der Reichstag zu Regensburg im Jahre 1623 sein.
In der Verfassung war vorgesehen, daß der Kaiser keinen Reichstag eigenmächtig einberufen konnte. Insofern war die Veranstaltung, die Ferdinand am 10. Januar 1623 eröffnete, kein Reichstag, sondern nur eine allgemeine Kurfürstenversammlung.
Obwohl Ferdinand in der Zwischenzeit alle maßgeblichen Fürsten bearbeitet hatte, sich mit der Übertragung der Kurfürstenwürde an Maximilian abzufinden, waren fast alle bedeutenden Fürsten gegen diesen Schritt.
Die Regensburger Tagung dauerte sechs Wochen, und von den Fürsten und dem spanischen Gesandten wurde jedes Argument zur Sprache gebracht, um die Übertragung der Kurfürstenwürde zu verhindern.

Trotz aller Proteste - selbst des kranken Vaters Maximilians - ließ sich Ferdinand nicht daran hindern, seinen verfassungswidrigen Plan umzusetzen. Ferdinand machte lediglich das Zugeständnis, daß die Kurwürde Maximilian nur auf Lebzeiten zuerkannt werden würde.

Am 23. Februar 1623 wurde Friedrich abgesetzt, und zwei Tage später Maximilian mit der Kurwürde belehnt.
Bei dem feierlichen Zeremoniell war der große Saal peinlich leer: weder der sächsische noch der brandenburgische noch der spanische Gesandte waren erschienen.
Maximilian, der sich sonst so eifersüchtig einer Zunahme kaiserlicher Macht entgegenstellte, hatte sich jetzt dazu hergegeben, die Verfassung zu brechen. Durch seinen dynastischen Ehrgeiz hatte er ungehemmter Gewaltherrschaft den Weg geebnet.

Die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg weigerten sich, ihren neuen Kollegen anzuerkennen, der spanische Gesandte entbot keine Glückwünsche, und der Regensburger Fürstentag nahm ein vorzeitiges Ende, weil die Protestanten nicht mit dem sogenannten Kurfürsten von Bayern zusammensitzen wollten.

Die protestantischen Fürsten und Abgesandten auf dem Regensburger Fürstentag bekundeten ihre Mißbilligung unter anderem damit, daß sie weitere finanzielle Unterstützungen für Kriegszüge des Kaisers verweigerten.

Der geächtete und abgesetzte Kurfürst von der Pfalz hatte zwar keine ausreichend starke Partei unter den protestantischen Fürsten gehabt, aber der Macht Ferdinands wurden ihre Grenzen aufgezeigt: sie reichte nur soweit, wie sie des Kaisers Heere durchsetzen konnten.

Das kaiserliche Heer war zu diesem Zeitpunkt allerdings die Schwachstelle des kaiserlichen Machtapparats. Die bisherigen militärischen Erfolge waren nicht durch das kaiserliche Heer errungen worden, sondern im wesentlichen durch das Heer Maximilians von Bayern, dem Heer der Liga, dem die Reste des kaiserlichen Heeres angegliedert wurden.

Eine Reform des Heeres war ebenso überfällig wie seine Bezahlung.

Durch ausbleibende Soldzahlungen war die Disziplin im Heer so stark untergraben, daß sich die Soldaten zügellos an den unglücklichen Bewohnern der Oberpfalz schadlos gehalten hatten. In den Städten waren sie auf der Suche nach Beute sogar plündernd in die Spitäler und Pesthäuser eingebrochen und hatten die Pest eingeschleppt und über das ganze Land verbreitet.

In diesem historischen Moment der Zeitgeschichte betrat eine Persönlichkeit die politische Bühne, die die Geschichte des 30jährigen Krieges entscheidend beeinflußt hat: Wallenstein .

Ferdinand und Wallenstein kannten sich seit 1607, also aus der Zeit, in der Wallenstein Kämmerer des jungen Erzherzogs Ferdinand am Wiener Hof war.

Zehn Jahre später hatte Ferdinand Wallenstein gebeten, ihm in Friauler Krieg zu unterstützen und der junge Baron kam mit einem Reiterregiment zu Hilfe.
Als mit der sogenannten böhmischen Rebellion sehr viel mehr auf dem Spiel stand, traf sich Wallenstein auf dem mährischen Landtag mit Ferdinand zu einem Geheimgespräch. Wallenstein bot Ferdinand an, aus eigener Tasche 40.000 Gulden vorzuschießen, um ein Kürassierregiment gegen die Böhmen anzuwerben. Ferdinand akzeptiert, und am 24. März 1619 wurde Wallenstein zum kaiserlichen Obristen befördert.

Im April des gleichen Jahres marschiert Graf Thurn mit seinem Heer in Mähren ein, um die schwankende Bevölkerung zur Parteinahme für die böhmische Sache zu zwingen.
Wallenstein, der sich zwischen Landesverrat und Kaisertreue zu entscheiden hatte, stürmte mit 40 Musketieren das Rentamt, raubte die mährische Ständekasse und lieferte 96.000 Gulden und konfisziertes Kriegsmaterial nach einem Gewaltmarsch am 5. Mai 1619 in Wien ab.
Ferdinand sah sich plötzlich einem Problem gegenüber: auf der einen Seite hatten die Habsburger noch nie soviel Geld flüssig, auf der anderen Seite hatte er Skrupel...Gesetz sollte Gesetz bleiben, - zumal er ja seit Juni 1617 böhmischer König war.
Tatsächlich werden die Geldtruhen heimlich nach Olmütz zurückgebracht! Die Tat war Ferdinand peinlich; auch in keiner späteren Urkunde, die Wallensteins Verdienste aufzählte, wird dieser Vorfall erwähnt.

Aber der spätere Kaiser war sich jetzt sicher: auf Wallenstein kann er sich bei zukünftigen kritischen Ereignissen verlassen! Und diese Ereignisse lassen nicht lange auf sich warten.

Die mährischen Stände verwiesen Wallenstein auf ewig des Landes und konfiszierten seinen gesamten Besitz.

Nach der Niederlage des böhmischen Heeres in der Schlacht am Weißen Berg holte sich Wallenstein seine Besitzungen zurück und wird darüber hinaus von Ferdinand zum "Gubernator des Königreiches Böhmen" ernannt. Er erhält den Auftrag, Böhmen mit unnachgiebiger Härte zu befrieden.

Entscheidend für seinen weiteren sozialen Aufstieg sind nicht so sehr seine wiedererlangten Güter und seine Funktion als Gubernator, sondern der glückliche Umstand, daß er einem neugegründeten Münzkonsortium beitritt.
Die Gründung des Münzkonsortiums hatte ihre Ursache in den knappen Staatsfinanzen. Das weitgehend ungeregelte Münzwesen Deutschlands war zusammengebrochen. Der Gulden, die damals gültige Währungseinheit schwankte 1622 im Vergleich zum Taler zwischen vier Gulden pro Taler in Österreich und fünfzehn in Nürnberg.

Zunächst ging der von Ferdinand mit der Konsolidierung der Finanzen beauftragte Fürst Liechtenstein die Lösung des Problems in "konventioneller" Weise an.

Golo Mann [2] beschreibt diese konventionelle Methode folgendermaßen:

"Aus einer Mark - das ist etwa ein halbes Pfund - Silber werden anstatt 19 Gulden 27 geprägt, dann 39, dann 47. Silber oder gute alte Münzen ins Ausland zu schaffen, wird streng verboten - Devisenkontrolle. Natürlich steigt der Preis des Silbers, das man mit der neuen, der "langen" oder "kleinen" Münze einkaufen muß. Der Witz ist aber, daß er nicht entsprechend schnell steigt, der Diskrepanz nicht alsbald nachkommt, die kaiserlichen Falschmünzer einen Vorsprung haben. Da liegt für den Fiskus die Möglichkeit des Gewinns."

In Sachsen kam die Regierung durch Inflation um die Hälfte ihrer Einnahmen und im Reich stiegen die Preise für Nahrungsmittel auf das Zwölffache des Normalen.

Der Kaiser war zwar (wie immer) knapp bei Kasse, aber er hatte ein Privileg: das Münzmonopol.
Und dieses Münzmonopol ließ sich gegen entsprechende Summen zeitweise auf private Konsortien übertragen.
Da Ferdinand für die notwendige Aufstellung eines schlagkräftigen Heeres dringend und sofort größere Geldmengen benötigte, entschloß er sich, das Münzmonopol zu verpachten.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis eine Clique um Liechtenstein, Wallenstein und andere unter Leitung des flämischen Calvinisten Hanns de Witte ein Münzkonsortium bildeten. Das Konsortium erhielt für 6 Millionen Gulden vom Kaiser das Recht, ab 1. Februar 1622 für den Zeitraum eines Jahres für die Länder Böhmen, Mähren und Niederösterreich Geld zu prägen.
Die Folge der privaten Münzprägung waren nicht nur riesige Münzmengen, die die Inflation anheizten, sondern enorme Gewinne für die Mitglieder des Konsortiums. Interessant sind folgende Wertangaben, die nicht nur Angaben über die erzielten Gewinnspannen, sondern auch Einblicke in die damaligen Machtstrukturen innerhalb des Münzkonsortiums zulassen: Deutlicher können Macht und Einfluß nicht in Zahlen gefaßt werden.

Um sein Vermögen zu sichern, verfährt Wallenstein nach dem in Zeiten der Inflation bewährten Grundsatz, demzufolge nur Landbesitz unsichere Zeiten überdauert.
In den Jahren 1622 bis 1624 erwirbt Wallenstein Ländereien im Umfang von 120.000 Hektar und im Wert von 3 Millionen Gulden aus königlicher Hand und für 1,7 Millionen Gulden aus Privatbesitz.
Den Besitz läßt er sich verbriefen, und da ihm der Kaiser drei Millionen Gulden schuldet, werden Wallenstein die Besitzungen Friedland und Reichenberg "zum ewigen Erblehn" überschrieben und er selbst erhält den Titel eines Pfalz- und Reichsgrafen verliehen. Wallenstein war der Favorit des Kaisers und reicher als der alte deutsche Adel.

Während der Aufstieg Wallensteins alle Neider mobilisierte, zogen sich im europäischen Rahmen für das Haus Habsburg Gewitterwolken am militärischen Himmel zusammen.
Die Anhänger des abgesetzten und geächteten Friedrich von der Pfalz, Mansfeld , Christian von Braunschweig und der Markgraf von Baden-Durlach machten mit ihren Kriegszügen dem alten Tilly das Leben schwer und laugten die Kriegskasse Maximilians aus.

In dieser Situation bot Wallenstein dem Kaiser an, ein Heer von 50.000 Mann auf eigene Kosten aufzustellen. Quartiere und Verpflegung sollten nach dem Motto geregelt werden: "Der Krieg ernährt den Krieg". Wallenstein verlangte vom Kaiser nur die Bezahlung des Soldes.

Am 1. Juli 1625 wurde ihm der Oberbefehl über das zu bildende kaiserliche Heer übertragen. Ende 1625 stehen bereits 62.000 Mann unter Waffen; ein Jahr später sind es bereits 110.000 Mann.

Das war auch notwendig, denn die kaiserlichen Pläne waren durch eine neue antihabsburgische Allianz gefährdet. Die bisher unbeteiligten norddeutschen Fürsten befürchteten nicht ohne Grund eine verstärkte Rekatholisierung ihrer Besitzungen. Die bisherigen Klöster und Stifte wurden, entgegen dem geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens von 1555 durchweg von protestantischen "Administratoren" verwaltet.

Der Dänenkönig Christian IV. versuchte mit Unterstützung der protestantischen norddeutschen Fürsten und dem Geld der Niederlande die vermeintliche Schwäche des Kaisers zur Grenzkorrektur seines Reiches zu nutzen.
Unter dem Vorwand der "Rettung der Teutschen Freiheit" marschierte sein Heer nach Süden; unterstützt von Mansfeld, Christian von Braunschweig und dem geächteten böhmischen Grafen Thurn.

Daß Christian bei seinem Feldzug überhaupt militärische Erfolge erzielen konnte, war den Eifersüchteleien zwischen Wallenstein und Tilly zuzuschreiben. Erst durch die koordinierten Aktionen in den Jahren 1626/1627 wurde Christian aus Holstein, Mecklenburg und Pommern vertrieben, nachdem Wallenstein am 25. April 1626 den Grafen Mansfeld an der Dessauer Elbbrücke vernichtend schlagen konnte.
Bei einem vergeblichen Versuch, ins Eichsfeld vorzustoßen, wird Christian in der Schlacht bei Lutter (in der Nähe von Goslar) von Tilly geschlagen und muß mit dem Kaiser den Frieden von Lübeck schließen.
In Wien und München läuteten die Siegesglocken.

Der günstige Ausgang der Feldzüge und die Zufriedenheit mit den Fortschritten seiner religiösen Gegenoffensive veranlaßten Ferdinand im Sommer 1627 eine Wallfahrt nach Mariazell zu unternehmen, um seiner Schutzpatronin für den doch glücklichen Verlauf seines 50jährigen Lebens zu danken. Im Anschluß daran beschloß er, die Prager Bevölkerung zu beglücken.
Anlaß für seinen Prager Besuch war die geplante Krönung seiner Gattin Eleonore zur Königin von Böhmen und die in der gleichen Woche stattfindende Krönung seines Sohnes Ferdinand III. zum Erbkönig von Böhmen unter der neuen Verfassung.

Eleonore war die zweite Frau Ferdinands und Tochter des Herzogs von Mantua. In erster Ehe war er mit Maria Anna, Tochter Wilhelms von Bayern und Schwester Maximilians von Bayern verheiratet. Eleonora war Vollwaise und wurde im Kloster der Ursulinerinnen in Mantua erzogen.
Sie war einundzwanzig Jahre alt, fromm und jungfräulich, als Ferdinand nach dem Tode seiner ersten Frau durch seinen Oberhofmeister Fürst von Eggenberg um sie werben läßt. Von wem er den Tip bekommen hat ist nicht überliefert, aber da Ferdinand Jesuitenzögling und bekanntermaßen eifriger Katholik war, kann davon ausgegangen werden, daß - ähnlich wie bei Wallenstein - irgend ein Beichtvater gekuppelt hat.

Nach ihrer Zusage überreicht ihr Fürst Eggenberg im Auftrage Ferdinands den Verlobungsring, einen Diamanten im Wert von 15.000 Gulden und Schmuck im geschätzten Wert von 80.000 Kronen.

Ende 1621 trat Eleonore in Begleitung des Grafen Bruno von Mansfeld die Reise nach Österreich an.

In Insbruck empfing sie der Kaiser "...hob die Knieende auf, um sie am 4. Februar 1622 zum Altar zu geleiten." Im gleichen Jahre wird sie zur Königin von Ungarn gekrönt.

Die Ehe scheint, gemessen an den Standesehen deutscher Fürstenhäuser, glücklich gewesen zu sein.Ferdinand hatte nicht die beste Kondition und Eleonore bekam dadurch ausreichend Gelegenheit, ihre klösterlichen Kenntnisse der Krankenpflege an ihrem Gatten zu praktizieren.

Ferdinand äußerte des öfteren, daß er die Erhaltung seines Lebens nach Gott vor allem Eleonore schulde.

Die Krönung seiner noch nicht dreißigjährigen Frau zur Königin von Böhmen fand in Prag mit einem Prunk sondersgleichen statt. Der Krönung folgten Feuerwerke, Bankette, Schauspiele und Tänze statt; - wie in alten Zeiten, als Friedrich "der Winterkönig" noch König von Böhmen war...Das Volk jubelte; Prag war schon seit langem als die lasterhafteste Stadt Europas verschrien.

Ein Kaiserbesuch ließ stets die Wirts- und Schankleute ein Vermögen verdienen und jeder, der es wollte, konnte sich kostenlos betrinken, denn aus den Brunnen floß anläßlich solcher Besuche in der Regel weißer und roter Wein. Der Kaiser verließ sich aus Erfahrung darauf, daß unter dieses Umständen die niedrigen Neigungen seine Prager Untertanen ihre edlen Bestrebungen ersticken werden.
Abgesehen davon war von den Ideen des böhmischen Aufstandes nicht viel geblieben.

Bis zu seinem Einzug in Prag hatten ungefähr 30.000 Untertanen, die ihren protestantischen Glauben nicht aufgeben wollten, das Land verlassen - müssen. Weitere Tausende sollten ihnen folgen.

Einen Monat nach der Doppelkrönung trafen sich Ferdinand und Wallenstein in Brandeis.
Von den Ergebnissen dieser Besprechungen war Europa vor den Kopf geschlagen:

Am 21. Marz 1628 unterschrieb Ferdinand ein Patent, mit dem die mecklenburgischen Herzogtümer mit allen ihren damit verbundenen Titeln und Privilegien auf Wallenstein übertragen wurden.
Der Fehler der mecklenburgischen Herzöge, sich bedingungslos dem Dänenkönig angeschlossen zu haben, kostete sie das Land und ihre Adelstitel. Der spanische Botschafter schrieb:"Der Herzog (Wallenstein) ist so mächtig, daß man ihm fast dankbar sein muß, wenn er sich mit einem Land wie Mecklenburg begnügt."

Wallensteins Heer hatte inzwischen eine Stärke von 130.000 Mann erreicht. Der Kaiser und sein oberster Heerführer standen auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Beide hatten ihre festen Vorstellungen, wie die Macht zu festigen sei.

Ferdinand, als selbsternanntes Haupt der Gegenreformation in Deutschland, wollte seine Macht nutzen, um endlich den Einfluß des protestantischen Glaubens nicht nur zu beschränken, sondern zurückzudrängen. Bestärkt wurde er dabei in seinem Eifer durch Maximilian von Bayern und seinem Beichtvater Lamormain .

Am 6. März 1629 unterschrieb Ferdinand einen Erlaß, der als Restitutionsedikt in die Geschichte einging. Das Restitutionsedikt verlangte die Rückgabe sowohl aller kirchlichen Güter, die seit 1552 durch den Passauer Vertrag, als auch aller reichsunmittelbaren geistlichen Güter, die seit 1555, dem Jahr des Augsburger Religionsfriedens, in protestantischen Besitz gekommen waren. Das bedeutete praktisch eine Rekatholisierung aller nordeutschen und zahlreicher süddeutscher Bistümer, Abteien und Klöster.

Obwohl das Edikt keinen wesentlichen verfassungsrechtlichen Fehler enthielt, war es eine offene Herausforderung an die protestantischen Fürsten, die dadurch in ihrer Existenz gefährdet waren.
Immerhin hätten sie 2 beschlagnahmte Erzbistümer, 12 Bistümer und 500 Abteien wieder dem katholischen Klerus übereignen müssen.

Als die anerkannten Führer der religiösen Parteien hatten sich bisher Johann Georg von Sachsen als Verteidiger der Verfassung und des Protestantismus und Maximilian von Bayern als Verteidiger des katholischen Glaubens profiliert. Johann Georg konnte keine Einwände machen, da das Restitutionsedikt verfassungskonform war; für einen Streit mit Ferdinand war er allein zu schwach.

Maximilian konnte keinen Einspruch erheben, ohne seine Stellung als Führer der Katholiken zu gefährden.

Ferdinand zwang mit dem Edikt seine Widersacher, entweder ihren politischen Widerstand oder ihre diplomatische Verstellung aufzugeben.

Die machtpolitischen Veränderungen, die Ferdinand mit dem Restitutionsedikt erreichen wollte, waren elementar:
sie hätten Grenzveränderungen in ganz Nord- und Mitteldeutschland nach sich gezogen. Fürsten, die erst durch säkularisierten Besitz reich geworden waren, wären mit einem Schlag auf die Stufe des niederen Adels herabgesunken.

Der Herzog von Wolfenbüttel z.B. besaß allein Ländereien von 13 Klöstern und den größeren Teil des früheren Bistums Hildesheim. Ebenso ernst war die Lage in Hessen, Württemberg und Baden.

Dieser scheinbare Höhepunkt der kaiserlichen und katholischen Macht und das selbstherrliche Verhalten Wallensteins mußten ein geschlossenes Auftreten der Fürsten im Kampf um ihre Privilegien provozieren.

Die Fürsten verlangten einen Reichstag, auf dem die anstehenden Fragen geklärt werden sollten.

Ferdinand seinerseits wollte den Reichstag u.a. dazu benutzen, den Machtanspruch des Hauses Habsburg durch die endgültige Regelung der Nachfolge zu sichern. Nach ihm sollte sein Sohn als Ferdinand III. den Kaiserthron besteigen. Um diesen Plan durchzusetzen, benötigte der Kaiser jedoch die Zustimmung der Kurfürsten.
Das eigentliche Problem entstand für Ferdinand dadurch, daß er durch seine spanischen Verwandten genötigt wurde, weitere Forderungen an den Reichtag zu stellen: die Kurfürsten sollten bereit sein, Truppen gegen die Holländer aufzustellen.

Eines seiner beiden Forderungen konnte Ferdinand vielleicht durchsetzen, - aber nicht die Nachfolge regeln und die Truppenaufstellung.

Der Reichstag wurde für den Monat Mai 1630 nach Regensburg einberufen. Die Stimmung auf dem Reichstag war durch Gerüchte, Befürchtungen, Ängste und offene Konfrontation gekennzeichnet.

In der Zeit vor und während des Reichstages machte Maximilian von Bayern seinen gesamten Einfluß geltend, um den weiteren Aufstieg Wallensteins und die zunehmende Macht Ferdinands zu stoppen. Bereits siebzehn Tage nach der Erhebung Wallensteins zum Herzog von Mecklenburg beschwerte sich der Kurfürst von Mainz im Namen des Fürstenkollegiums und erklärte nachdrücklich, daß er die Wahl des Erzherzogs zum Thronfolger Ferdinands nicht garantieren kann, solange Wallenstein Oberbefehlshaber des gesamten kaiserlichen Heeres bleibt.

Gegenüber den um ihre Privilegien kämpfenden Fürsten hatte Ferdinand zwei Trümpfe, um seinen Forderungen und Wünschen Nachdruck zu verleihen: Wallenstein und das Restitutionsedikt.

Mit der Entlassung Wallensteins konnte er die katholischen Fürsten, allen voran den Kurfürsten von Bayern, zufriedenstellen; mit dem Zurückziehen des Restitutionsedikts hätte er die protestantischen Fürsten gewinnen können.

Im Juli 1630 konnten die deutschen Fürsten auf dem Reichstag zu Regensburg gegenüber dem Kaiser durchsetzen, Wallenstein als Oberbefehlshaber zu entlassen und das kaiserliche Heer auf 40.000 Mann zu begrenzen.
Im Sommer 1630 war kein Krieg in Deutschland; Ferdinand entschloß sich deshalb zunächst Wallenstein zu opfern. Zweifellos bedeutete die Entlassung aus den kaiserlichen Diensten für Wallenstein subjektiv eine schwere Enttäuschung. Aber er wußte, daß ihn der Kaiser bald wieder brauchen wird, denn der König von Schweden war am 6. Juli 1630 in Pommern gelandet!

Es wäre zwar sinnvoller gewesen, den schwedischen König Gustav Adolf an der Landung in Mecklenburg zu hindern, aber in Wien wurde den Aktivitäten des "Schneekönigs" zunächst wenig Bedeutung beigemessen. Ferdinand II. äußerte in völliger Verkennung der Gefahr und der Stimmung der norddeutschen Fürsten: "Ein Feinderl mehr!".

Der Reichstag wurde im November 1630 geschlossen, aber weder Ferdinand noch die deutschen Fürsten konnten ihre ursprünglichen Ziele durchsetzen: Ferdinand gelang es trotz der Entlassung Wallensteins nicht, die Nachfolgefrage zu lösen; - auch die Rückzahlung der Reisekosten an Wallenstein wurde von ihm übersehen.

Den Fürsten, die den Reichstag zur Verteidigung ihrer Interessen einberufen hatten, gelang es nicht, den Kaiser zur Rücknahme des Restitutionsedikts zu bewegen.

Lediglich Maximilian von Bayern hatte sein Ziel erreicht: Wallenstein, der "böhmische Bauer", war scheinbar mattgesetzt.

Währenddessen war der schwedische König Gustav Adolf in seinem protestantischen Sendungsbewußtsein bestärkt worden und fest entschlossen, neben der Stärkung und Verteidigung des Protestantismus in Deutschland auch die Vorherrschaft über die Ostsee durch zusätzliche Okkupation norddeutscher Länder zu sichern.
Mit der Besetzung Pommerns, wie sie Gustav Adolf plante, sollte der Schlußstein seines Reiches gesetzt werden. Sein Ziel war zunächst ein schwedisches Ostseereich mit der sich daraus ableitenden wirtschaftlichen Überlegenheit durch die Beherrschung der Flußmündungen der Düna, Memel und Oder.

Gustav Adolf war ein überzeugter Lutheraner und im Bündnis mit Frankreich, das die zunehmende kaiserliche Macht mit äußerstem Mißtrauen beobachtete. Aber trotz starker religiöser Überzeugungen verlor der schwedische König nie die Machtinteressen seines Staates aus den Augen.
Die Protestanten Norddeutschlands hatten nach seiner Meinung nur die Wahl zwischen dem schwedischen und dem kaiserlichen "Dominat". Allein waren sie, und da hatte Gustav Adolf recht, nicht in der Lage, ihre religiösen (und Macht-) Interessen zu verteidigen.

Zunächst entschieden sich die protestantischen Fürsten - außer dem Kurfürsten von Brandenburg - für die Unterstützung des Schwedenkönigs, obwohl sie von der Idee, Ferdinand durch Gustav Adolf zu ersetzen, nicht begeistert waren.
Bereits 1632 stand Gustav Adolf, dieses "Feinderl", vor den Toren Münchens und die mit ihm verbündeten Sachsen vor Prag!
Tilly, die einzige militärische Hoffnung des Reiches war in der Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631 von Gustav Adolf geschlagen und in der Schlacht am Lech (15. April 1632) tödlich verwundet worden.
Bayern und Österreich standen offen für die Schweden; Maximilian mußte aus München fliehen und Ferdinand geriet in Bedrängnis.

Mit der von ihnen erzwungenen Entlassung Wallensteins auf dem Regensburger Reichstag hatten die deutschen Fürsten zwar ihre "Libertät" gegenüber dem Kaiser gesichert, waren aber vom Regen in die Traufe gekommen. In dieser für ihn verzweifelten Lage vergaß der Kurfürst von Bayern (und nunmehr auch der Pfalz) alle Vorurteile gegen Wallenstein und drängte den Kaiser, Wallenstein als neuen Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres - oder was davon übrig war - zu berufen.

Im April 1632 einigten sich Ferdinand II. und Wallenstein über die Bedingungen zur erneuten Übernahme des Oberbefehls über das Heer.
Die Bedingungen werden jetzt aber von Wallenstein diktiert.
Der genaue Umfang der Zugeständnisse, die Ferdinand machen mußte, werden wahrscheinlich nie genau bekannt werden. Fakt ist nur, daß Wallenstein mit fast unbeschränkten Vollmachten zurückkehrt: der Sohn des Kaisers und Spanien hatten zukünftig keinen Einfluß mehr auf die Entscheidungen Wallensteins, und der Oberbefehlshaber hat ebenfalls Vollmachten für Friedensverhandlungen und das Recht, Verträge abzuschließen.
Als Belohnung soll Wallenstein Teile der habsburgischen Länder und die (brandenburgische oder Pfälzer) Kurfürstenwürde erhalten; - zumindestens lauteten so die durchgesickerten Gerüchte.
Außerdem wurde ihm bestätigt, daß bei Friedensschluß Mecklenburg wieder an ihn fallen wird. Bis dahin erhielt er das Fürstentum Groß Glogau als Pfand.

Bei objektiver Betrachtung dieses Kataloges der Erpressungen stellt sich die Frage, welche Rechte Ferdinand denn noch verblieben. Es war völlig unmöglich, daß sich ein deutscher Kaiser auf Dauer durch ein Diktat so sehr demütigen lassen würde. Folglich bedurfte es nur eines Fehlers Wallensteins, einer militärischen Niederlage von ihm oder einer unvorsichtig eingeleiteten diplomatischen Aktivität, und seine Person war zum politischen Abschuß freigegeben.

Das Diktat Wallensteins wurde somit ein Programm des politischen Selbstmordes.

Vorerst mußte Wallenstein handeln. Schon am 14. Mai 1632 ließ er Prag stürmen. Ende des Monats war Böhmen von allen Feinden befreit. Ende Juni umarmten sich Wallenstein und Maximilian scheinheilig beim Zusammentreffen ihrer Heere vor Nürnberg, um gemeinsam den Schwedenkönig auszuhungern.

Zum Erstaunen Maximilians griff Wallenstein die Verstärkung der Schweden nicht an, sondern verschanzte sich bei der alten Festung Zörndorf. Er wußte, daß die Lebensmittel knapp wurden; aber im Gegensatz zum König von Schweden konnte er sich den Verlust eines Heeres leisten.
Gustav Adolf versuchte vergeblich das Lager Wallensteins zu stürmen. Der Hunger zwang ihn, in Richtung Süden abzuziehen. Zum Entsetzen Maximilians hinderte Wallenstein den Schweden nicht daran, sondern zog nach Norden, um die Schweden endgültig von ihren Nachschublinien abzuschneiden und sie somit am Einfall nach Österreich zu hindern. Die Verteidigung Bayerns überließ er Maximilian...

Diese Strategie Wallensteins zwang den Schweden, seinen ursprünglichen Plan, nach Österreich vorzustoßen, aufzugeben. Die unzuverlässigen Sachsen und Wallenstein im Rücken stellten ein zu großes Risiko dar.
Das schwedische Heer kehrte um und marschierte Wallensteins Truppen hinterher. Dieser Marsch nach Norden führte die Schweden durch Gebiete, die bereits von den Kaiserlichen heimgesucht wurden. Entsprechend niedrig war auch die Kampfkraft und Moral der schwedischen Truppen, als beide Heere in der Ebene bei Lützen, unweit von Leipzig am 16. November 1632 in einer offenen Feldschlacht aufeinander trafen.

Im Stab des kaiserlichen Heeres war man sich darüber einig, daß Gustav Adolf so stark geschwächt ist, daß er es nicht wagen wird, in dieser rauhen Jahreszeit anzugreifen. Das Ergebnis dieser Folgerung waren Befehle zur Aufsplitterung und Dezentralisierung der kaiserlichen Heeresteile, die militärisch in keiner Weise zu rechtfertigen waren.

Als die Schweden einige von Collaltos Kroaten gefangengenommen hatten und durch sie erfuhren, daß Pappenheim in Richtung Halle abkommandiert war, erkannte Gustav Adolf die Chance, seine militärische Unterlegenheit durch einen sofortigen Angriff auszugleichen. Er rückte unverzüglich vor.

Wallenstein, der den Schweden vorsätzlich nach Norden gelockt hatte, war nun seinerseits überrascht, daß Gustav Adolf eine Schlacht erzwingen will.

Am Morgen des 16. Novembers gegen zehn Uhr begann die Schlacht bei dichtem Nebel auf der Ebene bei Lützen. Obwohl der Kampf bis in die Abendstunden dauerte, gelang es keiner Seite, eine endgültige Entscheidung zu erzwingen.

Trotzdem kam es bei Lützen zu einer dramatischen Wende: Gustav Adolf wurde tödlich verwundet!

In Wien läuteten wieder einmal die Siegesglocken, und man feierte Wallenstein als den Bezwinger des Schwedenkönigs. Kaiserliche Gesandte reisten nach Prag, wohin Wallenstein zurückgekehrt war, um ihm die Glückwünsche Ferdinands zu überbringen. Wallenstein schien auf dem Höhepunkt seiner Macht zu sein. Aber selbst ein Mann wie Wallenstein ließ sich von den Umständen täuschen.

Denn Lützen war - unmerklich für ihn - zu einem Wendepunkt seines Lebens geworden.

Nach dem Tod des schwedischen Königs wurde Ferdinand von seinem Hofkriegsrat dahingehend beeinflußt, Wallenstein zu einer militärischen Entscheidung zu drängen. Wallenstein hingegen sah den Zeitpunkt für Verhandlungen gekommen. Er war in der Schlacht bei Lützen nur knapp einer Niederlage entkommen und erkannte, daß es in dem nun schon seit 14 Jahren dauernden Krieg keinen Sieger geben konnte. Nun wollte er den Krieg nach seinen Plänen zu Ende bringen. Wallenstein schlug sein Lager in Böhmen auf und begann von dort aus verstärkt die Realisierung seiner Friedenspläne zu betreiben.

Mit ausdrücklicher Billigung des Kaisers suchte er einen Ausgleich mit Sachsen; ohne Wissen Ferdinands verhandelte er mit Schweden und Frankreich und wurde so zu einem internationalen Machtfaktor, der bei seinen Gegnern mehr Beachtung fand als die Diplomaten des Wiener Hofes.

Mit seinen Friedensplänen geriet Wallenstein aber in unlösbare Widersprüche nicht nur mit dem kaiserlichen Hof und den Interessen Spaniens, sondern auch und vor allen Dingen mit seinen Generälen und Offizieren. Sie, die vom Krieg lebten, mußten seinen Friedensplänen mit Mißtrauen begegnen. Da ihr Oberbefehlshaber selbst kein unabhängiger Fürst war, bedeutete es für die Generäle, daß sie die Bindung zum Kaiser intensivieren mußten, wollten sie nicht ihre Existenzgrundlage verlieren.

Wallenstein mußte also mit seinen Friedensplänen in Konflikt geraten mit den Interessen seiner Befehlshaber und dadurch Gefahr laufen, seine Armee, sein einziges Machtinstrument, zu verlieren.

Im Dezember 1633 spitzte sich die Situation zwischen Ferdinand und Wallenstein dramatisch zu.

Regensburg hatte sich den schwedischen Truppen unter Bernhard von Sachsen-Weimar ergeben und Wallenstein meldete im Dezember nach Wien, daß er seinen Feldzug gegen das besetzte Regensburg abgebrochen hatte und sich nach Böhmen ins Winterquartier zurückgezogen hatte.

Der erfahrene Feldherr hatte Recht, denn er wußte, daß das von Maximilian von Bayern ungeliebte Regensburg auch noch im Frühjahr des nächsten Jahres stehen wird. Dann konnte man angreifen; im Winter mit der Reiterei vorzurücken, bedeutete ein unkalkulierbares Risiko.

Maximilian, der Vetter des Kaisers, sah die Lage naturgemäß anders: er unterstellte Wallenstein, daß er mit kaiserlichen Truppen statt Regensburg zu befreien, seine eigenen Besitzungen vor dem Angriff der Schweden und Sachsen absichern wollte.

Am 14. Dezember erhält Wallenstein vom Wiener Hofkriegsrat den Befehl, unverzüglich wieder gegen Regensburg zu marschieren. In einer Lagerbesprechnung mit seinen Generälen und Regimentskommandeuren wird der kaiserliche Befehl verweigert. Ein Winterfeldzug würde die Soldaten "crepieren und desperieren" lassen heißt es in einem Gutachten. Ferdinand beugt sich zwar den Argumenten der Offiziere, wird jedoch durch ein Gegengutachten des Feldmarschalls Piccolomini mißtrauisch.

Piccolomini, einer der engsten Vertrauten Wallensteins, hatte im Auftrag Ferdinands das Gegengutachten erstellt, in dem er Wallenstein unterstellt, die militärische Entscheidung zu verschleppen, um Zeit für seine Friedensverhandlungen zu gewinnen.

Durch seine Agenten hatte Wallenstein schon seit längerer Zeit Kenntnis davon, daß ehrgeizige Offiziere aus seinem nächsten Umfeld ein doppeltes Spiel trieben. Zu auffällig verkehrten die Geheimkuriere zwischen den Garnisonsstädten und dem Hof in Wien. Wallenstein sah sich daher zum schellen Handeln gezwungen. Er entschloß sich zu einer Doppelstrategie und machte trotzdem einen Fehler.

Am 10. und 11. Januar 1634 diktierte der Schwerkranke seinen letzten Entwurf eines Friedensvertrages. Der Entwurf sah die Verantwortung für die Ordnung im Reich bei den deutschen Fürsten vor; eine Einmischung ausländischer Mächte wird ausdrücklich abgelehnt.

Wenn dieser Entwurf das tatsächliche Anliegen Wallensteins reflektiert und nicht wieder eine seiner vielen taktischen Finten der vergangenen Zeiten war, wären damit sämtliche Anschuldigungen der Gegner vom Tisch, er hätte mit dem Gegner, sprich mit den Schweden, paktiert.

Am 12. Januar berief Wallenstein seine Obristen zum Kriegsrat nach Pilsen. Ohne große Umschweife eröffnete er ihnen, daß er nach Lage der Dinge die Absicht habe, als Oberbefehlshaber der Armee zurückzutreten. Seine entgültige Entscheidung machte er davon abhängig, ob die Generäle in einer offenen Abstimmung mehrheitlich und namentlich für oder gegen seinen Verbleib stimmen werden.

Der Schock hatte Erfolg. Natürlich wußten die Obristen, daß sie nur mit einem erfolgreichen Oberfehlshaber Karriere und Beute machen und eventuell auch zu ihrem Sold kommen konnten.

Seine Generäle bestürmten ihn, im Amt zu bleiben, doch Wallenstein akzeptierte nur, wenn alle Anwesenden eine schriftliche Erklärung unterschrieben. Alle anwesenden Offiziere unterschrieben und beteuerten, für ihn ihr Leben "... bis zum letzten aufgesparten Blutstropfen aufzusetzen...".

Auch Octavio Piccolomini, der Verfasser des Gegengutachtens zum vom Kaiser geforderten Winterfeldzug zur Befreiung Regensburgs, unterzeichnete die Urkunden.

Über die Geheimhaltung dieses Revers machte sich Wallenstein keine Illusionen. Schon einige Tage später hält der Kaiser eine Abschrift dieses Dokuments in den Händen.

Die Tatsache, daß Ferdinand den Inhalt als eine Rebellion gegen sich selbst, gegen das Haus Habsburg gerichtet betrachtete, läßt den oft geäußerten Verdacht zu, daß ihm wahrscheinlich eine leicht "überarbeitete" Fassung unterschoben wurde.

Oft wird in der Literatur behauptet, daß das erste Pilsener Revers eine Klausel enthielt, die die Offiziere verpflichtete, nur solange unter dem Kommando Wallensteins zu bleiben, "... als er in des Kaisers Dienst verbleiben oder der Kaiser ihn zur Beförderung seines Dienstes gebrauchen werde...".

Selbst die Tatsache, daß die unterschriebenen Revers diese Klausel nicht enthielten, wird Wallenstein als hinterhältig ausgelegt: angeblich hätte er seinen Offizieren am Vortage diese Klausel vorgelesen, um sie in ihrer Treue zum Kaiser nicht zu irritieren. Am nächsten Morgen, nach dem Zechgelage soll dann bei Unterschriftslegung diese Passage gestrichen worden sein.
Wahrscheinlicher ist, daß diese Klausel im Entwurf des Revers enthalten war und von Wallenstein ausgestrichen wurde. Dem Kaiser wurde offenbar die Abschrift des Entwurfs vorgelegt, denn der Gegenplan Ferdinands baute exakt auf dieser Formulierung auf.
Aber auch ohne diese Klausel hatte das erste Pilsener Revers nicht die Bedeutung, die man ihr gemeinhin zuschreibt. Es war zu vieldeutig, schwach formuliert und ungenau in den zaghaft angedeuteten Absichten.
Außer, daß die Geldforderungen der Offiziere befriedigt werden, die Not der Soldaten gelindert und daß Frieden erreicht werden soll, fehlt jede Genauigkeit einer Zielsetzung.

Es enthielt auch nicht den Ansatz einer Verschwörung, denn erstens läßt ein Mann wie Wallenstein nicht willkürlich fast fünfzig "Verschwörer" zusammenrufen und die Verschwörung auch noch durch Unterschrift bestätigen, und es fehlte zweitens dem Treueschwur die klar definierte Aussage: welche Konsequenzen entstehen für den einzelnen Unterzeichner dieses Revers, wenn sich Wallenstein gegen den Kaiser wendet oder der Kaiser gegen Wallenstein.

Die Gegner Wallensteins bei Hofe interpretierten den Inhalt der Urkunde in der Form, daß der Feldherr seine Offiziere nicht auf den Kaiser, sondern auf seine Person schwören ließ.

Ein Kaiser ohne Befehlsgewalt über die Armee käme einer Entmachtung gleich.

Ferdinand II. war nie ein ausgesprochener Tatmensch, aber er hatte genügend Berater, die ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt hatten, zu dem eine Aktivität notwendig wurde. So veranlaßte er unter strengster Geheimhaltung eine Untersuchung gegen Wallenstein. Die Untersuchungskommission aus "unabhängigen Richtern" sollte die Frage beantworten, ob sich Wallenstein des Verrats und der Rebellion schuldig gemacht hatte. Mitglieder der Kommissionen waren der kaiserliche Berater Fürst von Eggenberg , Graf von Trautmannsdorff und der Wiener Bischof Anton Wolfrath. Getagt wurde im Hause Eggenbergs. Die Kommission fand natürlich die Befürchtungen des Kaisers bestätigt, wobei sie dabei von der spanischen Partei bei Hofe bestärkt wurde und sprach Wallenstein schuldig.

Ferdinand unterzeichnete daraufhin am 24. Januar 1634 ein geheimes Ächtungsdekret gegen Wallenstein und dessen Gefolgsleute Ilow und Trczka .

In diesem Dekret wird zum vorläufigen Befehlshaber der Armee Wallensteins Stellvertreter, Graf Gallas, ernannt. Ihm wird die Aufgabe übertragen, den Herzog und seine beiden Mitverschworenen gefangenzunehmen und nach Wien zu bringen oder als überführte Schuldige zu töten.

Wörtlich heißt es dort "e numero mortalium exturbare", - aus der Zahl der Sterblichen zu eleminieren.

Eine am 18. Februar von Ferdinand ausgestellte öffentliche Absetzungsurkunde führte zum allgemeinen Abfall der Truppen. Wallenstein versuchte sich in Eger in Sicherheit zu bringen und hoffte auf die Vereinigung mit dem schwedischen Heer unter Bernhard von Sachsen-Weimar .

Das Ziel, Wallenstein zu ermorden, war damals den Drahtziehern des Komplotts schon klar, nur der Weg, die Mittel und Methoden waren unklar. Nachdem der Versuch Piccolominis, Wallenstein in Pilsen gefangenzunehmen, durch die Flucht der Herzogs fehlgeschlagen war, bot sich Eger als die letzte Chance für die Attentäter an. Denn wenn, wie befürchtet, der sächsische Feldherr Arnim mit seinem Heer Richtung Eger marschieren würde, um sich mit Wallenstein wie geplant zu vereinigen, war die letzte Möglichkeit, Wallenstein zu ermorden, vertan.

In der Nacht vom 25. zum 26. Februar 1634 werden die Vertrauten Wallensteins, Ilow, Trcka und Kinsky auf einem Bankett auf der Burg in Eger überfallen und ermordet.

Wallenstein selbst wird in seinem Quartier durch Deveroux , einen Hauptmann des Butlerschen Regiments, ermordet.

Die Meldung vom Tode Wallensteins erreichte Ferdinand am 2. März 1634. Der Kaiser ließ daraufhin für die Ermordeten 3.000 Seelenmessen lesen...

Gallas , einer der Drahtzieher des Mordkomplotts, begab sich sofort zum Kaiser, um die Belohnung für sich und für Butler einzufordern. Gallas bekam Illows Silber, welches in Prag lagerte, die Wallensteinschen Besitzungen Friedland und Reichenberg. Der Gesamtwert dieser beiden Ländereien betrug 500.000 Gulden. 1636 folgten als Schenkung die Trczkaschen Güter Smircziz und Horczeniowez. Nach Golo Mann [2] darüber hinaus noch 178.000 Gulden. Außerdem bekam Gallas Kinskys Haus in Prag. Die Organisation eines Mordes hatte sich bezahlt gemacht.
Nachdem die Verschwörerclique nun sicher sein konnte, daß ihre Tat nicht nur die Gnade des Kaisers gefunden hatte, sondern auch die erhoffte Belohnung verteilt wurde, fand ein förmlicher Wettlauf der Mörder nach Wien statt.
Butler zum Beispiel bestand darauf, daß er an der Tötung aller aktiv dabei war. In einem Schreiben an den Kaiser betonte er, wie sehr er bisher im Dienst seiner Majestät unter Wallenstein zu leiden gehabt hatte und daß die Exekution "hoffentlich ersprießlich" gewesen sein.

Auch Deveroux erhält von Ferdinand eine eigenhändig aufgesetzte Würdigung seiner "kühnen Tat". Außerdem eine goldene Gnadenkette, ein Geldgeschenk in Höhe von 40.000 Gulden, mehrere ansehnliche Güter, und er wird zum Kammerherrn ernannt.

Bei den riesigen Summen, die die Mörder Wallensteins als Belohnung erhielten, stellt sich die Frage, woher Ferdinand diese Mittel nahm; er, der sich noch 1630 das Reisegeld zum Kurfürstentag nach Regensburg von Wallenstein hatte leihen müssen.

Natürlich nahm er sie nicht aus der Staatskasse, denn die war wie immer leer. Aber Ferdinand hatte, noch bevor die "Verräter" ermordet waren, bereits Kommissare nach Böhmen auf die Güter und Schlösser der Geächteten geschickt, zur Inventarisierung ihres Vermögens. Kaiserliche Beauftragte tauchten in Hamburg und Venedig auf, um Wallensteins Konten zu durchforsten.

Die kaiserlichen Kommissare, die sich eifrig an die Arbeit machten, kalkulierten eine Gesamtsumme von 8.661.000 Gulden.
Aber offenbar hatte der Kaiser das Vermögen Wallensteins völlig überschätzt; Ferdinand war die Summe zu gering. Er glaubte, daß Goldschätze vergraben oder große Summen fortgeschafft waren und setzte Prämien von einem Zehntel des Wertes aus, den Mitwisser verborgener Schätze melden würden.

Wahrscheinlich aber lag dieser Zweifel am tatsächlichen Wert des Wallensteinschen Vermögens in der Unfähigkeit Ferdinands begründet, ökonomische Zusammenhänge zu begreifen oder Vorhandenes zumindestens zu sichern.
Hätte Ferdinand auch nur ansatzweise den wirtschaftspolitischen Weitblick Wallensteins besessen, hätte er den gesamten Wirtschaftskomplex Friedland einschließlich der befähigten und eingespielten Wirtschaftsbürokratie übernommen und sich damit jährliche Einnahmen gesichert, wie sie die derzeit besten Provinzen nicht mehr aufbrachten. Er tat dies aus mangelndem Sachverstand nicht.
Ferdinand begriff noch nicht mal, daß diese ökonomische Infrastruktur der Güter und Manufakturen die einzige Wohltat war, die Wallenstein seinem Vaterland Böhmen und damit dem Reich hinterließ.

Das ökonomische Wunderwerk wurde zerstört, zerstückelt, verschenkt.

Zählt man Wallensteins Fürstentümer, Trczkas Güter, den Rießenbesitz des Grafen Schaffgotsch und die (relativ) bescheidenen Vermögen Ilows und Kinskys zusammen, so hatte der Kaiser stattliche 14 Millionen Gulden zu verschenken! [2]

Eine Summe, die Ferdinand alle Bezüge zur Wirklichkeit geraubt haben muß, wenn man weiß, daß er vordem oft keine 50 Gulden flüssig hatte, um einen Kurier zu bezahlen!
In dieser Summe sind nicht enthalten: die Grundflächen und Ressourcen Mecklenburgs, die Forderungen Wallensteins an den Kaiser, die bei dieser Gelegenheit einfach "vergessen" wurden, Vieh und Getreidevorräte in den Speichern Friedlands, die edlen Pferde in den Gestüten sowie die Werte der Waffenarsenale.

Andererseits wird bei diesen Summen erst deutlich, welche Riesenvermögen Wallenstein und die skrupellosen Sieger sich nach der Schlacht am Weißen Berg von den enthaupteten oder geflohenen böhmischen Adligen rücksichtslos angeeignet hatten. Ebenso rücksichtslos bedienten sich nun die neuen Sieger.

Es war schon immer der Herzenswunsch des Thronfolgers, Ferdinand III., gewesen, Generalissimus des kaiserlichen Heeres zu werden. Nur konnte er sich gegen Wallenstein nie durchsetzen. Jetzt, nach dessen Tod zog er, gestützt auf die militärischen Talente von Piccolomini und Gallas als Oberbefehlshaber gegen Regensburg.

Es war der ganze Stolz des Vaters, zu erfahren, daß das Heer unter dem Kommando seines Sohnes im Frühjahr 1632 Regensburg befreit hatte.
Als Ferdinand II. im September 1634 von einem Jagdausflug zurückkehrte und von einem Boten erfuhr, daß sein Sohn im gemeinsamen Kommando mit dem spanischen Kardinalinfanten einen glänzenden Sieg über die vereinten schwedischen Heere bei Nördlingen errungen hatte, brach er sogar vor Rührung in Tränen aus.

Immerhin sah sich nach diesem Sieg der Kurfürst von Sachsen im Jahre 1635 zu einem Separatfrieden mit dem Kaiser veranlaßt.

Die meisten der mit den Schweden verbündeten protestantischen Fürsten schlossen sich in der Folgezeit diesem Frieden von Prag an.

Dieser Frieden von Prag war "...das beste Stück Friedensarbeit, das bisher auf einer der beiden Seiten, wenigstens dem Anschein nach, geleistet worden war. Die Richtigkeit dieser Gedankengänge bewies die schließliche Annahme eines großen Teiles der Materie beim westfälischen Frieden..."[1].

In Stichworten nur soviel zum Inhalt:

· Amnestie für jedermann, ausgenommen die Böhmen im Exil und die Familie Friedrichs von der Pfalz.

· Der Calvinismus blieb von der religiösen Toleranz ausgeschlossen.

· Die Besitzstände der protestantischen und katholischen Vertragspartner bleiben auf dem Stand des Jahres 1627 auf 40 Jahre festgeschrieben. In dieser Zeit verzichtet der Kaiser auf die Durchsetzung des Restitutionsediktes, was praktisch einer Aufhebung gleich kommt.

· Das Reichskammergericht wird von Protestanten und Katholiken paritätisch besetzt.

· Bayern behält die Pfälzer Eroberungen, und die Kurwürde bleibt bei Bayern.

· Die Lausitz und Magdeburg fallen an Sachsen.

· Der Kurfürst von Sachsen, Johann Georg, behielt weiterhin ein halb unabhängiges Heer als Verbündeter des Kaisers.

· Der Kaiser erhält den Oberbefehl über eine Reichsarmee zum gemeinsamen Kampf gegen fremde Armeen im Reichsgebiet.

· Sonderbündnisse unter deutschen Fürsten wurden zukünftig für ungesetzlich erklärt.

Dieser kluge Opportunismus der das Vertragswerk auszeichnet, ist jedoch vor allem das Werk Ferdinands III. der für die Verhandlungen verantwortlich war. Der Kaiser, sein Vater, hatte nicht die diplomatische Weitsicht.
Bis zur letzten Minute hatte Ferdinand II. Skrupel wegen der Rücknahme des Restitutionsediktes. In einem Anfall jesuitischen Sendungsbewußtsein dachte er in seiner Gewissensnot sogar daran, den König von Frankreich durch die Schenkung des Elsasses dazu zu bewegen, sich militärisch neutral zu verhalten. Dadurch sollte die finanzielle Unterstützung der Feinde Ferdinands unterbrochen werden.
Sein Sohn, der nunmehrige König von Ungarn, war mehr Pragmatiker als Katholik und konnte dieses Vorhaben verhindern. Er war eher bereit, Kirchenbesitz an protestantische deutsche Fürsten abzutreten als Habsburger Besitzungen am Rhein zu verschenken.

Wäre Ferdinand zu diesen Zugeständnissen schon 1630 auf dem Reichstag in Regensburg bereit gewesen, er hätte Deutschland im Kampf gegen Gustav Adolf einigen können.

Nie war Ferdinand II. mächtiger gewesen.

Aus dieser starken Position heraus gelingt es ihm auch, am 22. Dezember 1636 die Nachfolgefrage zu regeln, an deren Durchsetzung er in ähnlich starker Position im Jahre 1630 gescheitert war.

Ferdinand III. wird auf dem Reichstag zu Regensburg zum Römischen König gewählt. Es war der letzte politische Akt Ferdinands. Kurz nach seiner Rückkehr vom Reichstag nach Wien stirbt er am 15. Februar 1637.

Die Tragik Ferdinands war, daß seine politischen und religiösen Überzeugungen unentwirrbar miteinander verstrickt waren und sich damit einer objektiven historischen oder moralischen Wertung weitestgehend entziehen. Erschwerend für das Verständnis und die Beurteilung seiner religiösen Parteinahme ist die Tatsache, daß der Papst ihn in seinem Kampf im Stich ließ.

Abgesehen davon waren die konkurrierenden machtpolitischen Interessen der europäischen Mächte und die gesellschaftlichen Umbrüche im deutschen Reich so vielschichtig, daß eine Fixierung der Entwicklung auf eine Person völlig unmöglich ja absurd ist. Die politischen Umwälzungen hatten ganz Europa ergriffen und eine Eigendynamik entwickelt, die von einer Person eventuell nur verzögert oder beschleunigt, aber nicht aufgehalten oder rückgängig gemacht werden konnte.

Es gibt über Ferdinand keine unverzerrten Zeugnisse, aber es bleibt festzustellen, daß er der letzte Kaiser war, der die Einigung Zentraleuropas wenigstens versuchte. Daß es ihm mißlang, wird von Nationalisten aller europäischen Nationen zum Ansatz unterschiedlicher ideologischer Kritik gewählt.

Die deutschen Nationalisten werfen ihm vor, die Spaltung zwischen Österreich und den nördlichen Teilen des Reiches nicht verhindert zu haben und vergessen dabei, daß die separatistischen Bestrebungen gerade der protestantischen Fürsten des Nordens seinen Traum eines geeinten Reiches verhindert haben.

Für die tschechischen, ungarischen und südslavischen Nationalisten gilt Ferdinand als der Tyrann und Unterdrücker schlechthin. Sie übersehen dabei geflissentlich, daß er in ihren Ländern (zwar unerbittlich und despotisch) Einigkeit und staatliche Ordnung in einem Maße schuf, die vorher nicht zu erkennen war.

Das selbstgefällige Gefühl der gebildeten Nationalisten und Moralisten, mit ihrem historischen Urteil im Recht zu sein, wird sowohl der Person Ferdinands als auch den Mitteln und Ergebnissen seiner Politik wahrscheinlich niemals gerecht werden.  

"Man beurteilt die Handlungen aller Menschen, besonders aber die Handlungen der Fürsten, welche keine Richter über sich haben, bloß nach dem Erfolg.

Es muß also des Fürsten einziger Zweck sein, sein Leben und seine Herrschaft zu erhalten.

Man wird alle Mittel, deren er sich hierzu bedient, rechtfertigen und jeder wird ihn loben; denn der Pöbel hält sich nur an den äußeren Schein und beurteilt die Dinge nur nach ihrem Erfolge."

(Niccolo Machiavelli, 1469-1527)



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