de WITTE, Hans

 

Der kometenhafte soziale Aufstieg einzelner Persönlichkeiten des 30jährigen Krieges ist nicht nur mit dem Aufkauf konfiszierter Güter der sogenannten böhmischen Aufständischen zu erklären, die damals zu einem Spottpreis unter den Hammer des Auktionators kamen.

Der entscheidende Schachzug dieser Personen war ihr Beitritt in das neugegründete sogenannte Münzkonsortium.
Die Gründung des Münzkonsortiums hatte ihre Ursache in den knappen Staatsfinanzen.
Der mit der Konsolidierung der Finanzen beauftragte Fürst Liechtenstein ging zunächst die Lösung des Problems in "konventioneller" Weise an. Golo Mann [2] beschreibt diese konventionelle Methode folgendermaßen:

"Aus einer Mark - das ist etwa ein halbes Pfund - Silber werden anstatt 19 Gulden 27 geprägt, dann 39, dann 47. Silber oder gute alte Münzen ins Ausland zu schaffen, wird streng verboten - Devisenkontrolle. Natürlich steigt der Preis des Silbers, das man mit der neuen, der "langen" oder "kleinen" Münze einkaufen muß. Der Witz ist aber, daß er nicht entsprechend schnell steigt, der Diskrepanz nicht alsbald nachkommt, die kaiserlichen Falschmünzer einen Vorsprung haben. Da liegt für den Fiskus die Möglichkeit des Gewinns."

Der Kaiser war (wie immer) knapp bei Kasse, aber er besaß das Münzmonopol. Wie wir aus anderen Quellen wissen, war Fürst Lichtenstein "ziemlich schlau", und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die neuen Männer der Macht um Lichtenstein und Wallenstein alternative Lösungen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen unter Ausnutzung des kaiserlichen Münzmonopols entwickelten. Unter Leitung des flämischen Calvinisten Hans de Witte bildeten sie ein sogenanntes Münzkonsortium. Das Konsortium erhielt für 6 Millionen Gulden vom Kaiser das Recht, ab 1. Februar 1622 für den Zeitraum eines Jahres für die Länder Böhmen, Mähren und Niederösterreich Geld zu prägen.

Die Folge der privaten Münzprägung waren nicht nur riesige Münzmengen, die die Inflation anheizten, sondern auch und vor allen Dingen enorme Gewinne für die Mitglieder des Konsortiums.

Interessant sind dabei folgende Wertangaben, die auch einen Einblick in die damaligen Machtverhältnisse innerhalb des Münzkonsortiums zulassen: insgesamt wurden aus 561.582 Mark Silber 42 Millionen Gulden geprägt.

In diese Gesamtmenge Silber brachten die einzelnen Personen folgende Teilmengen ein:

Wallenstein 5.000 Mark, Lichtenstein 797 Mark und de Witte 402.652 Mark Silber.

Aber entsprechend der tasächlichen Machtverhältnisse war eine Mark eingeliefertes Silber nicht 78 geprägte Gulden wert, wie sie z.B. de Witte ausgezahlt bekam. Wallenstein bekam für eine eingelieferte Mark Silber 123 Gulden, Lichtenstein 569 Gulden!

Deutlicher können Macht und Einfluß nicht in Zahlen gefaßt werden.

Hans de Witte blieb auch in der Folgezeit Finanzier Wallensteins und Kreditgeber des Kaisers. Aber die von de Witte vorfinanzierten Gelder für die Hofhaltung in Gitschin, Prag und Wien und die Finanzierung neuer Heere konnten nicht oder nicht fristgerecht zurückgezahlt werden. Deutsche Kaiser zahlten ihre Schulden selten oder nur sehr zögerlich; Wallenstein zahlte seine Verbindlichkeiten durch die Einnahmen aus den Steuereintreibungen seiner ihm übereigneten Ländereien. Als Wallensteins Herzogtum Mecklenburg von den Schweden okkupiert wurde, fehlten diese Einnahmen zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten an de Witte.

Es zeigte sich nun, daß das von Wallenstein entwickelte System der optimalen Ausnutzung der Resourcen in seinem Herzogtum zwar außerordentlich effektiv und die Eintreibung der Kontributionszahlungen der besetzten Länder rational war, aber mit zunehmender Dauer des Krieges nicht rational genug, um die ungeheuren Aufwendungen für das Heer und die Hofhaltung zu finanzieren.

Die notwendige weitere Finanzierung des Krieges durch Kreditaufnahme war demzufolge zwingend notwendig, aber die Rückzahlung der Kredite war nur gedeckt durch Vorgriffe auf immer geringer werdende Kapitalmengen der Folgejahre.

Schon 1628 erreichten Wallenstein erste Hilferufe de Wittes. Aus diesen Hilferufen wurden im Laufe der Jahre Verzweiflungsschreie. Zum Schluß mußte de Witte sogar Wechsel zu 12 Prozent auf Kontributionen aufnehmen, die erst in ein bis zwei Jahren fällig waren und wenn sie fällig wurden, nur teilweise an ihn weiterflossen. So mußte de Witte Schulden machen, um Schulden und deren Zinsen zu begleichen. Er, der bisher mit Millionen hantierte, die nach heutigem Verständnis Milliarden waren, mußte seinen eigenen Grund und Boden zu Geld machen, um seine Geschäfte, seine Existenz und seinen Ruf zu retten.

Im September 1630 sah de Witte keinen Ausweg aus dem finanziellen Chaos von Kreditaufnahme, fälligen Zinszahlungen und Gegenfinanzierung, und nahm sich das Leben. Es wird berichtet [2], er sei in den Brunnen seines Prager Gartens gesprungen... Von Wallenstein, der sich sein Freund nannte und Taufpate seines Sohnes war, kam kein Wort der Trauer. Er schrieb sofort an Taxis, der sich in dieser Zeit in Prag aufhielt: "... dahero seht, was von meinen Sachen bei ihm ist, dieselben aufs förderlichste abzuholen, insbesonderheit die Tapezierereien, vergoldete Leder und andere Sachen. So ist er auch meinem Weib 10.000 Dukaten schuldig gewest; die steht auch, daß unverzüglich bezahlt werden." Der Herzog ließ sofort Ansprüche auf den de Witteschen Nachlaß anmelden, noch bevor die übrigen Gläubiger Nachricht vom Tode ihres Schuldners bekamen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Herzogin zum Gläubiger de Wittes geworden sein soll, wo sie doch darauf angewiesen war, daß monatlich von de Witte 20.000 Thaler für die Hofhaltung überwiesen wurden. Trotzdem behauptete Wallenstein in der Folgezeit unverdrossen "...weil der Hans de Witte tot und wir demselben nicht weiters, sondern uns er schuldig verblieben..."

Der Kaiser soll vom Tode de Wittes tief erschüttert gewesen sein; - jedoch mit Sicherheit nicht aus Menschlichkeit, sondern eher "im finanziellen Rahmen"...



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