Christian,   der "tolle Halberstädter"
Herzog von Braunschweig - Wolfenbüttel




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U 1626

                                             



Formal wurde der Ausbruch des 30jährigen Krieges mit unüberbrückbaren religiösen Gegensätzen und ungelösten Problemen der Reichsverfassung begründet. Inhaltlich wird er getragen vom Streben der Stände, ihre Macht und Souveränität im Reich auszuweiten.

Während der Kaiser bemüht war, die politische und religiöse Einheit des Reiches zu erhalten und nach Möglichkeit zu restaurieren, waren die ausländischen Staaten nach Kräften bemüht, die Macht des Hauses Habsburg zu schwächen.

Trotzdem gibt es bei der historischen Aufarbeitung dieses Themas immer wieder gedankliche Ansätze, die die theoretische Möglichkeit ins Kalkül ziehen, daß der Krieg bei entsprechenden Verhaltensweisen der verantwortlichen Entscheidungsträger nicht ausgebrochen wäre bzw. sich unter bestimmten Bedingungen z.B. in den Jahren 1620/1621 durch Friedensverhandlungen hätte beilegen lassen.

So wird z.B. behauptet, daß, wenn Friedrich V. , der Kurfürst von der Pfalz, 1621 den englisch-spanischen Plan einer politischen Lösung des Konfliktes zwischen dem Kaiser und ihm akzeptiert hätte, der 30jährige Krieg nicht weitergeführt worden wäre.

Friedrich von der Pfalz hatte allen strategischen und machtpolitischen Überlegungen zum Trotz die ihm angebotene böhmische Königskrone angenommen. In der Schlacht am Weißen Berg bei Prag verlor er sie wieder. Nach Meinung des Kaisers verstieß er mit der Parteinahme für die böhmischen Aufständischen und der Annahme der Königswürde gegen geltendes Recht. Friedrich sah dies anders. Daraufhin wurde er geächtet und der Kaiser entzog ihm die Kurfürstenwürde und übertrug sie Maximilian .

Damit verletzte Kaiser Ferdinand II. die Verfassung des Reiches und brach vorsätzlich den Eid, den er in Frankfurt bei seiner Krönung geschworen hatte.

Um dieser Entwicklung zuvorzukommen, hatte der spanische Hof einen Vorschlag unterbreitet, der vorsah, daß Friedrich zu Gunsten seines ältesten, siebenjährigen Sohnes zur Abdankung gezwungen werden sollte. Der Sohn sollte nach Wien gebracht und in der Familie des Kaisers erzogen werden, um später eine der Töchter des Kaisers zu heiraten.

Dieser Plan war verfassungskonform und fand die Unterstützung sowohl des Königs von England, des Schwiegervaters Friedrichs, als auch des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg .
Aber Friedrich, untüchtig, eigensinnig, starrköpfig und vertrauensselig, weigerte sich, abzudanken.
Unterstützt wurde er in seinem Verhalten von seiner jungen Frau.
Sie muß schön gewesen sein, diplomatisch geschickt, charmant und ohne jede Skrupel im Schachspiel um die Macht.
Ihr erster Verbündeter, der ihr offenbar verfallen war, hieß Christian von Braunschweig.

Herzog Christian von Braunschweig wurde am 10. September 1599 als jüngerer Sohn des Herzog Heinrich Julius geboren.
Sein Vater starb, bevor er ihm Erziehung angedeihen lassen konnte.
Zur Absicherung seiner materiellen Bedürfnisse wurde Christian mit achtzehn Jahren zum "Administrator" des säkularisierten Bistums Halberstadt gemacht.
Außer seiner neurotischen Abneigung gegen Katholiken konnte er für dieses Amt keine weiteren Fähigkeiten nachweisen.
Immerhin brachte ihm dieses Amt und sein Verhalten nicht nur den finanziellen Unterhalt, sondern auch den Namen "der tolle Halberstädter" ein.

Seine Jugend verbrachte er am dänischen Königshofe.
Ob er dort seine verworrenen Ideale von Ritterlichkeit und Treuedienste für die Dame des Herzens vermittelt bekam, bleibt im Dunkel der Geschichte.

Für seine begangenen Verbrechen würde er nach heutigem Rechtsverständnis zu lebenslanger Haft mit anschließender Einweisung in stationäre psychiatische Behandlung wegen unbewältigter Kindheitspsychosen verurteilt werden.
Erwachsen wurde er nie; er spielte den Erwachsenen. Christian war der Lieblingssohn seiner Mutter, schön, temperamentvoll, lebenslustig und verwöhnt.

Er gefiel sich sehr im soldatischen Gehabe, trat als Dragoner-Hauptmann in holländische Dienste, ohne je ins Feld zu ziehen und beförderte sich selbst zum Feldherrn.
Ohne Verantwortungsbewußtsein, von sich völlig eingenommen, verprellte er seine Verwandten und Bekannten mit Worten wie "alte Vettel", "Hosenscheißer", "Bettschiffer" oder ähnlichen umgangssprachlichen Feinheiten.
Später erschreckte er Europa mit rücksichtsloser Grausamkeit und Lasterhaftigkeit.

Einen romantischen Anstrich bekommt sein Tun durch sein offenes Bekenntnis einer reinen, ritterlichen Liebe zur schönen Königin von Böhmen .
Plötzlich wurde aus dem "Herrn von der Faust und nit von der Feder", wie ihn sein Nachbar, der Markgraf von Kassel charakterisierte, ein Fürst, der galante französische Briefe schrieb.

Als die Pfalzgräfin eines Tages ihren Handschuh fallen ließ, hob er ihn theatralisch auf und rief aus: "Madame, in der Pfalz werde ich ihn zurückgeben".

Seit dieser Zeit trug er nach Rittersitte ihren Handschuh ständig an seinem Hut mit dem Motto: "Tout pour Dieu et pour elle" (Alles für Gott und für Sie).

Diesen Wahlspruch ließ er später auch an seine Fahnen heften; - zum Entsetzen seines militärischen Gegners Tilly , der als gläubiger Katholik nicht begriff, wie man den Namen Gottes mit dem "Sack irdischer Verderbtheit" auf die gleiche Fahne schreiben konnte.
Eine etwas ungalante Anspielung Tilly´s auf die Königin von Böhmen.
Christian wollte aber, getreu seinem Schwur, "nicht eher die Waffen niederlegen, bis der Kaiser dem Friedrich V. von der Pfalz, als Kurfürsten, Recht und Gerechtigkeit habe widerfahren lassen".

Damit hatte er eine Aufgabe und die löste er mit organisatorischem Talent. Schon im Herbst 1621 brachte er ein Heer von 10.000 Mann zusammen. Es war bescheiden ausgerüstet und verfügte über drei Kanonen, von denen zwei nicht zu gebrauchen waren.

Für seine Räubereien waren er allerdings ausreichen gerüstet.
In der Folgezeit marodierten seine Truppen im Braunschweiger Raum und in Hessen, eine Brandspur säumte ihren Weg.

Im November wurde die Stadt Amöneburg durch List eingenommen und geplündert; im Dezember stand der Räuberbande das erste mal einem kaiserliches Heer gegenüber.
Der kaiserliche General Freiherr von Anhold sah sich veranlaßt, die wirren Ideen Christians durch einen Angriff zu korregieren.
Er zwang Christian sich bis ins Stift Paderborn zurückzuziehen.
Das entlastete zwar Hessen und Braunschweig, erschloß aber für den Halberstädter neue Beuteobjekte.

Als Christians Horden Anfang 1622 in Paderborn  einfielen, war im Dom noch eine 80 Pfund schwere goldene Statue des heiligen Liborius ausgestellt.

Christian umarmte diesen Heiligen und bedankte sich bei ihm dafür, daß er noch auf ihn gewartet habe; anschließend ließ er ihn einschmelzen und Dukaten aus ihm schlagen.
Auch die Städte Münster und Soest wurden heimgesucht. In Münster erging es den silbernen Aposteln der Kathedrale ähnlich wie ihrem Kollegen aus Paderborn: sie wurden zu Talern (den soganannten " Pfaffenfeindthalern ") mit der Prägung "Gottes Freund, des Pfaffen Feind" umgemünzt.
Als der Bischof von Münster diese Gottlosigkeit geißelte, verwies ihn Christian auf die eigentliche Sendung der Apostel, die ihnen von Christus aufgetragen wurde: "Gehet hin in alle Welt"; - genau das werden jetzt die silbernen Apostel in Form der Taler tun...

Ungefähr im Mai 1622 setzte Christian mit seiner Soldateska bei Höxter über die Weser, mit dem Ziel, sich im Elsaß mit dem Heeresteil Mansfeld zu vereinigen.
Auf dem Wege dahin wurde noch das Bistum Fulda ausgeraubt, die Stadt Ursel am 4. Juni geplündert und nach kurzer Belagerung Hoechst gestürmt.
Ein Haufen, der durch derart zügellose Raubzüge berüchtigt ist, braucht für sich keine Werbung. Entsprechend veranlagte Naturen finden sich wie Fliegen ein.
Kein Wunder also, daß Mitte 1622 sein Heer schon auf 15.000 Mann angewachsen war, als sich ihm Tilly und Cordova bei Hoechst entgegenstellten, um ihn am Mainübergang zu hindern.

Christians Aufgabe bestand nun darin, mit möglichst vielen Truppen und vor allen Dingen seiner ganzen Beute über den Main zu kommen, denn Mansfeld benötigte Verstärkung und Geld.
Die Schilderungen und Interpretationen dieser Schlacht sind in den historischen Quellen widersprüchlich. Fakt ist: Christian kam über den Main, konnte Teile seiner Reiterei und den Kriegsschatz retten und sich mit Mansfeld vereinigen.
Die berühmte drei Kanonen und der größte Teil des Trosses gingen verloren.

Obwohl Tilly und Cordova ihr Ziel nicht erreicht hatten, beanspruchten sie den Sieg für sich.
Auch die Berufsoffiziere im Heere Mansfeld´s verurteilten das taktische Vorgehen Christians. Dieser hatte im Anflug von Ritterlichkeit mit seinem unterlegenen Heer Tilly bei Hoechst angegriffen, um den Anschein von Furcht und Feigheit zu verwischen, und dadurch fast seine gesamten Fußtruppen verloren.

Die Stimmung unter den Führungsspitzen der nunmehr vereinten Heere war schlecht und alle Beteiligten streitsüchtig und gereizt.
Friedrich von der Pfalz nahm an der Tafel den vornehmsten Platz ein. Er hatte sich verkleidet aus den Haag geschlichen und sich als neuer Dienstherr zu Mansfeld in der Hoffnung geflüchtet, seinen Anspruch auf den Kurfürstentitel militärisch durchzusetzen.
Christian genoß als Fürstensohn Vorrang vor Mansfeld und beherrschte die Unterhaltung in einem Maße, daß Mansfeld die ganze Zeit über müde, übelgelaunt und eifersüchtig war. Ständig prahlte Christian mit seinen Heldentaten und eröffnete lärmend seinen peinlich berührten Zuhörern, daß er das Bistum Paderborn mit "jungen braunschweigischen Herzögen" bevölkert habe, die, wenn sie herangewachsen sind, die Pfaffen im Zaum halten werden.

Der Kriegsschatz Christians reichte für die Bezahlung der Mansfelder Truppen nicht aus und die Sorge um das Pferdefutter nahm zu.
Mansfelds einziger Besitz war sein Heer, und er hatte nicht die Absicht, es für einen unbekümmerten ritterlichen Angriff Christians aufs Spiel zu setzen. Christian allein konnte militärisch auch nichts unternehmen.
So einigte man sich darauf, südwärts Richtung Elsaß zu zu marschieren und das rechte Rheinufer dem Feind zu überlassen. Unterwegs wurden eine Stadt und dreißig Dörfer eingeäschert.

Das Land war so verwüstet, daß Mansfeld sein Heer nicht mehr verpflegen konnte und nach Lothringen ziehen mußte.
Friedrich von der Pfalz war entsetzt; dieses Vorgehen brachte ihn um den letzten Rest seines Ansehens bei der Bevölkerung.
Friederich beklagte sich in einem Brief an seine Gattin:

"... Es sollte ein Unterschied zwischen Freund und Feind gemacht werden, aber diese Menschen ruinieren beide in gleicher Weise... Ich glaube, sie sind vom Teufel besessen und machen sich ein Vergnügen daraus, alles in Brand zu stecken. Ich werde froh sein, wenn ich sie verlasse."

Es sollte sich bald ein Anlaß finden, seinem Wunsche zu entsprechen.

Der Kaiser und seine Berater hatten erkannt, daß sie mit dem skrupellosen, aber militärisch begabten Mansfeld und dem unberechenbaren Halberstädter nicht ohne große Verluste fertig werden; aber sie kannten auch die Schwächen Friedrichs, des geächteten Kurfürsten von der Pfalz.
Taktisch geschickt und mit diplomatischer Unterstützung auch des Königs von England, dem Schwiegervater Friedrichs, und des Königs von Dänemark, wird Nachsicht und Wiedereinsetzung in die Erblande angedeutet.
Der Preis dafür: die Beendigung des Krieges und die Entlassung Mansfelds und Christian´s von Braunschweig.
In rührender Naivität geht Friedrich auf die Bedingungen ein und entläßt am 22. Juli 1622 die Beiden aus seinen Diensten.

Nunmehr stehen Christian und Mansfeld vor aller Welt, jeder moralischen Legitimation beraubt, als das da, was sie schon lange sind: nicht mehr nur Rebell und Freibeuter, sondern der Abschaum der Menschheit.

Aber in Europa (nicht nur dieser Zeit) ist man nicht zimperlich. Sie haben die Wahl, entweder unter die Fahnen des Herzogs von Bouillon bei Sedan zu treten oder ein Angebot der Statthalterin Isabella von Spanien aus Brüssel oder der Holländer anzunehmen.
Die Holländer werden in dieser Zeit militärisch vom spanischen Heer Spinolas bedrängt.

Mansfeld und Christian entscheiden sich für die Einladung der Holländer. Sofort machen sie sich mit 21.000 Mann über Lothringen auf den Weg.
Am 29. August 1622 stellt sich ihnen bei Fleury ein spanisches Heer unter Cordova in den Weg.
Es heißt, Christian und Mansfeld waren seit 10 Wochen unter kein Dach gekommen; viele ihrer Soldaten hätten seit 14 Tagen kein Brot mehr gegessen und ernährten sich nur noch von Obst. Entsprechend muß der Eindruck der Truppe gewesen sein, der die Spanier auf einen leichten Sieg hoffen ließ.
Diese Überheblichkeit kam die Spanier teuer zu stehen:
Cordova verlor am 29. August 1622 nicht nur die Schlacht, sondern auch 4.000 Mann und sein ganzes Gepäck.

Der Zustand der siegreichen Truppe war tatsächlich erbarmungswürdig und es war schon ein Wunder daß die Soldaten der beiden Freibeuter die Schlacht überhaupt eröffneten.
Den ersten Angriff befahl Mansfeld seinen Fußtruppen. Nach der ersten Feindberührung wichen sie zurück; die Kavallerie verweigerte den Angriff unter dem Vorwandt, ihren Sold nicht erhalten zu haben.
Da warf sich Christian mit seiner Reiterei auf die spanische Artillerie, eroberte diese strategisch wichtige Stellung und hieb danach zwei in spanischen Diensten stehende Regimenter nieder.
Nach 11 Stunden war die Schlacht gewonnen und kostete den Herzog einen Arm.
Es war wohl sein glänzenster Sieg, den er je erkämpft hatte.

Entsprechend ritterlich-pompös war auch die Schau aufgezogen, die die Amputation der Armes umrahmte und seinen körperlichen Mut demonstrieren sollte:

Die Amputation wurde öffentlich und unter Fanfarenklängen durchgeführt. Zur Erinnerung wurde eine Gedenkmünze mit der Inschrift "Altera restat" geprägt. An seinen Gegner Spinola schickte Christian die Botschaft, der tolle Herzog habe zwar einen Arm verloren, aber den anderen behalten, um sich an seinen Feinden zu rächen.

Nach dem Vorbilde Götz von Berlichingen ließ er sich einen kunstvollen eisernen Arm anfertigen.

Im September 1622 kamen er und Mansfeld bei der Stadt Bergen op Zoom an, die vorher Spinola erfolglos belagert hatte und sich beim Eintreffen der beiden Heere zurückziehen mußte.
Im Heer Mansfelds wütete die Ruhr so heftig, daß von den von ursprünglich angetretenen 21.000 Mann, in Breda, wo sich Christian von seiner Amputation kurieren ließ, nur noch 12.000 ankamen.
Nur mit Mühe kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie unter diesen Bedingungen die Bevölkerung gelitten haben mag.

Da in einer befreiten Stadt nicht viel zu rauben ist, und den Holländern die Gäste mit der Zeit zu beschwerlich wurden und sie nicht mehr bereit waren, die Truppen weiter zu unterhalten, zieht Mansfeld durch das Stift Münster nach Ostfriesland, wo er sich 1623 einnistet und zur Landplage wird.

Er wird später durch die Reste der bei Stadtlohn geschlagenen Truppen Christian von Braunschweig´s und Hilfstruppen des Königs von Frankreich verstärkt.

Verstärkt wird auch das Leid der ausgebeuteten Bevölkerung und zwar in einem Maße, daß nach überschlägigen Schätzungen der Gesamtschaden auf zehn Millionen Taler angesetzt wird.
Vier Fünftel der Bevölkerung fliehen oder werden getötet. Nur jedes sechste Haus entgeht der Zerstörung.
Die Bevölkerung versucht sich zu wehren: die Männer lauern den plündernden Soldaten auf; die Frauen bringen sich selbst um. Die Plünderungen eskalierten vor allen Dingen durch den unverhältnismäßig großen Troß, der das Heer begleitete.
Er war vier- bis sechsmal größer als das offizielle Heer.
Nach Quellenangaben wurden z.B. in Mansfeld´s Troß täglich drei Kinder geboren.
Dieser Troß aus Huren, Händlern und Halunken mußte auch ernährt werden und er ernährte sich in der Regel selbst.
Die Bevölkerung des Umlandes wurde ohne moralische Bedenken oder sonstigen Skrupel traktiert und ausgeraubt.

Christian marschierte im Januar 1623 getrennt von Mansfeld über Osnabrück nach Rinteln (damals noch zu Hessen-Kassel gehörig).

Er befestigte den Ort und intensivierte den Briefwechsel mit dem König von Dänemark .

Auf die Empfehlung des Dänenkönig, sich der Gnade des Kaisers zu unterwerfen, konnte er sich aus verschiedenen Gründen nicht einlassen; der wichtigste Grund war immer noch der Handschuh der schönen Elisabeth an seinem Hute.

Ebenso unsicher war der Ausgang eines möglichen militärischen Konfliktes mit dem herannahenden Tilly. Der hatte vom Kaiser die Order, gegen den aufrüstenden Landgrafen von Hessen zu ziehen und ihn zur Niederlegung der Waffen zu zwingen, um dann gegen Mansfeld und Christian zu marschieren, gegen die General Anholt allein macht- und erfolglos war.

In dieser Situation half ihm die Angst der niedersächsischen Stände vor einem möglichen Einfall Mansfeld in ihre angestammten Länder aus seiner verfahrenen Lage. Die Stände hatten beschlossen zu ihrem Schutz ein Heer aufzustellen und Christian anzubieten, für 3 Monate in ihre Dienste zu treten.

Er sollte versprechen, in dieser Zeit keine Feindseligkeiten gegen den Kaiser zu unternehmen.

Sicher waren sich die Vertreter der Stände darüber im klaren, daß sie mit der Berufung Christians den Teufel mit dem Belzebub austrieben; andererseits gab es für das Geld, das sie bereit waren zu zahlen keine besseren Offiziere.

Obwohl: Offiziere mit besseren Umgangsformen gab es sicher; es war nicht jedermanns Sache, mit "deutscher Cujone" statt mit seinem Adelstitel angeredet zu werden, wie Christian verachtend die Fürsten ansprach....

Während sie noch unschlüssig berieten, machte der regierende Herzog Friedrich Ullrich von Braunschweig, der Bruder Christian´s, ihm ein Angebot, und noch bevor ein offizieller Vertrag ausgehandelt werden konnte, war Christian schon ins kalbergische Land einmarschiert und hatte das rechte Weserufer von Rinteln aufwärts bis Höxter, Hameln einbegriffen, besetzt.

Ein Heer von 20.000 Mann im eigenen Land war ein überzeugendes Argument, mit dem Christian die Stände "überreden" konnte, ihn wohl oder übel als niedersächsischen General anzunehmen.

Die Herrscher der niedersächsischen Kreise kamen dadurch in eine zwiespältige Lage: auf der einen Seite wurden sie ständig von Christian bedrängt, sich zur Verteidigung der "deutschen Libertät" zu erheben, andererseits marschierte ein starkes kaiserliches Heer unter Tilly auf Niedersachsen. Tilly forderte von den Fürsten eine strikte Neutralitätserklärung für den Kaiser und die Ausweisung Christians.

Die Fürsten und die Bevölkerung waren neutral und hätten der Ausweisung Christian nur zu gern entsprochen; - wenn sie nur die Macht dazu gehabt hätten. Schon der Versuch der Stände, Christian zur Abdankung zu zwingen, veranlaßte ihn zu erklären, daß er nunmehr in die Dienste seines Bruders als "Protektor" getreten sei.

Der Kaiser hatte die Neutralität der Kreise, mit dem tollen Halberstädter als General, nur unter Vorbehalten akzeptiert, aber weder ihm noch Christian war es ernst damit.

Der Kaiser hatte die besseren Karten: Er besaß daß stärkere Heer und die Gegner des Reiches waren völlig zerstritten.
Das begann damit, daß Christian keine Befehle des älteren und vorgesetzten Generals Georg von Lüneburg annahm. Christian marschierte ungebeten und ungehindert durch die Lande und forderte Mansfeld auf, sich ihm anzuschließen, um gemeinsam gegen Tilly zu kämpfen.
Mansfeld reagierte nicht und so bestand die einzige Verstärkung in einem verwahrlosten Haufen des Herzogs von Altenburg und 5.000 Mann unter Wilhelm von Weimar. Die Verstärkung des dänischen Königs stand wiederum unter dem Befehl des Generals Georg von Lüneburgs...

Nun reagierte Christian hektisch: er bot dem Prinzen von Oranien seine Dienste an, verzichtete auf das Bistum Halberstadt zugunsten des Sohnes des Königs von Dänemark, und machte den niedersächsischen Fürsten klar, welchen Fehler sie mit der Entlassung seines Heeres begingen.
Schließlich ließ er seine versprengten Banden zusammentrommeln, verpackte seine Beute und machte sich mit 15.000 Mann Richtung Niederlande auf.

Mit dem Verzicht Christians auf das Bistum Halberstadt wurde dies nun zum Zankapfel zwischen dem dänischen König und dem deutschen Kaiser. Dieser hatte das Bistum für seinen zweiten Sohn Leopold bestimmt. Der kleine blonde Leopold war für die kirchliche Laufbahn auserwählt und seine Einsetzung als Bischof von Halberstadt würde, nach Meinung des Kaisers, die Gegenreformation in den Stammlanden der Protestanten einen gewaltigen Schritt weiter bringen.

Über Magdeburg und Halberstadt als Pfründe für des Kaisers jüngsten Sohn hatten schon Wallenstein   mit Lamormaini  , dem allerhöchsten Beichtvater des Kaisers gesprochen. Auch Aldringer buckelte bei Hofe:"...das wäre ein Bissen für den Sohn Ihrer Majestät...".

Der Rückzug Christians war durchaus nicht der eines geschlagenen Feldherren. Sein Plan war immer noch, sich mit Mansfeld zu vereinigen um gemeinsam eine Schlacht gegen Tilly zu versuchen.

In seinem übermäßigen Vertrauen schätzte er das Verhalten Mansfelds völlig falsch ein.

Dieser war von Christians Engagement für die Interessen der Kurfürstin von der Pfalz durchaus nicht überzeugt, und auch nicht bereit, seine relativ sichere Position im Bistum Münster gegen einen risikovollen Feldzug einzutauschen.

Am 27. Juli 1623 überschritt Christian, verfolgt von Tilly, die Weser und wartete drei Tage vergeblich auf Mansfeld.
Dadurch büßte er seinen Vorsprung vor Tilly ein und sein weiterer Vormarsch in Richtung holländische Grenze glich nun beinahe einer Flucht.
Am frühen Morgen des 6. August 1623 kam es, keine fünfzehn Kilometer vor der rettenden holländischen Grenze, beim Dörfchen Stadtlohn, zu ersten Gefechten mit der Vorhut Tilly´s.
Christian postierte sein Heer auf einem Hügel, der von beiden Seiten durch Sümpfe Schutz vor Flankenangriffen bot. Er hatte kaum Zeit, die Truppen richtig aufzustellen, als der Feind schon über ihn herfiel.
Christian hatte zwar die bessere Stellung, aber Tilly´s Truppen waren ihm an Stärke überlegen. Zudem war Tilly geschickter und wendiger. Als die Reiterei Christians durch die stark vorgetragenen Angriffe Tilly´s zurückweichen mußte, hatte sie auf dem Hügel zu wenig Platz um zu manövrieren; die Offiziere verloren die Übersicht und die Reiter flohen.
Die Fußtruppen allein konnten dem Ansturm nicht länger standhalten. Reiterei und Fußtruppen stürmten den Hügel in wilder Flucht hinab. Aber während die meisten Reiter noch durch die Sümpfe fliehen konnten, blieben die Fußtruppen, die Artillerie und der Troß stecken.
6.000 Mann fielen, 4.000 Soldaten und 50 höhere Offiziere wurden gefangen genommen, 16 Kanonen und die gesamte Munition wurden von Tilly´s Truppen erbeutet. Auf der Flucht explodierte noch ein Pulverwagen, was das Durcheinander der Fliehenden erhöhte.

Spät Nachts überschritt Christian die holländische Grenze mit nur 2.000 Mann.
Ebenso arm, wie er vor zwei Jahren die Niederlande verlassen hatte, jedoch mit der selben Begeisterung für die schöne Pfalzgräfin, kehrte er dorthin zurück.
Christian hatte auf seiner Flucht so viel von seinem Besitz eingebüßt, daß er sich keinen eigenen Haushalt mehr leisten konnte und sich nun wieder an der Tafel Friedrichs V. in den Haag durchfüttern mußte.
Den sozialen Absturz und vor allen Dingen den Schmach der militärischen Niederlage empfand selbst Christian so ungeheuerlich, daß er nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, einen seinen Obristen zu erschießen, den er als den Verursacher der verlorenen Schlacht ansah.
Die vernichtende Niederlage Christians hatte auch alle Hoffnungen und Pläne Friedrichs auf den Thron Böhmens und die Rückerstattung der Pfalz zunichte gemacht.
Drei Wochen nach der Niederlage ließ sich Friedrich von seinem Schwiegervater überreden, seine hochgespannten Pläne aufzugeben und mit dem Kaiser einen Waffenstillstand zu schließen.

Die Holländer waren jedoch nicht bereit, Christian und seinen Soldaten Quartiere zu geben. Christian war gezwungen zu Mansfeld zu marschieren. Dort entließ er seine Söldner und begab sich nach England.

Ob er allerdings so herzlich aufgenommen wurde wie einige Monate später Mansfeld, dem bekanntlich der Prinz von Wales sogar die Räume zur Verfügung stellte, die eigentlich für seine spanische Braut bestimmt waren, ist zu bezweifeln, denn die historischen Quellen schweigen sich hierzu aus.

Erst später wird vermerkt, daß Christian in Frankreich alle Hebel in Bewegung setzt, um für den vertriebenen Friedrich von der Pfalz militärische Unterstützung zu finden. Er warb in der Normandie Truppen, die er mit denen Mansfelds in Holland vereinigen wollte, um gemeinsam die Pfalz zu erobern.

Im November 1624 setzt Christian nocheinmal nach England über, um Mansfeld bei den Vorbeitungen der Truppentransporte zu unterstützen.

Dort hat Mansfeld mit Unterstützung des englischen Königs ein neues Heer von 15.000 Mann aufgestellt.
Ein großer Teil davon rekrutierte sich allerdings aus den von ihm entlassenen Truppen, die zwischenzeitlich in Ostfriesland marodierten.
Im Februar 1625 schiffte Mansfeld seine Mannschaft in England ein. Auf der Überfahrt nach Seeland, wo er sich verabredungsgemäß mit dem vorausgereisten Christian treffen sollte, verlohr er einen großen Teil seiner Mannschaft durch Schiffbruch, Pest oder Mangel an Lebensmitteln.

Beide hatten mit Unterstützung europäischer Großmächte ein Heer angeworben, das schlecht ausgerüstet, noch schlechter bezahlt und eine ständige Plage der betroffenen Gebiete war.
Die Holländer lehnten es erneut ab, dem Heer Sold, Verpflegung oder Unterkünfte bereitzustellen.
So wurden sie gezwungen, über Gennep und Emmerich in das Stift Köln einzufallen, um dort allen Befürchtungen zu entsprechen, die ihrem Namen vorauseilten.
Ein Versuch des Generals Anholt, sie mit 8.000 Mann aus der Rheingegend zurückzudrängen, schlug fehl.
Bei Cleve trennten sich beide Heere; - und machten damit einen verhängnisvollen Fehler.

Natürlich wußten sie, daß ihnen Wallenstein mit einem gewaltigen Heer entgegenzog. Aber ihr Kriegsplan sah vor, daß der nunmehr mit ihnen verbündete Dänenkönig das kaiserliche Heer unter Tilly ablenken und nach Möglichkeit schlagen sollte.

Dieser Plan wurde notwendig, weil Christian zwar bereit war, unter dem Kommando des Dänenkönigs zu kämpfen, nicht aber unter dem Mansfeld´s. Ein gemeinsamer Angriff hätte nur zum Streit geführt.

Christian von Braunschweig konnte dadurch auf der rechten Flanke von Westphalen über die Pfalz vorrücken, und Mansfeld wollte gemeinsam mit dem Herzog von Sachsen-Weimar Wallenstein angreifen, ihn nach Sachsen oder Böhmen zurückwerfen, um sich anschließend mit dem Siebenbürger Fürsten Bethlen Gabor zu vereinigen, der sich verpflichtet hatte, in die Erblande des Kaisers einzufallen.

Lange Zeit gelang es Tilly durch seine Stellungen am linken Weserufer die Vereinigung Christian´s mit dem Heer des dänischen König zu verhindern.
Ende September 1625 konnten sich jedoch beide Heere vereinigen. Christian fiel in Wolfenbüttel ein und hob dort alle waffenfähigen Männer ab 14 Jahre für sein "Heer" aus.
Aus Mangel an Waffen, ließ er Keulen anfertigen und verteilen, die mit eisernen Spitzen beschlagen waren.
(Auch hier lassen sich Parallelen zu paranoiden Feldherren herstellen, die dreihundert Jahre später ebenfalls 14-jährige Kinder mit Panzerfäusten bewaffnet in den Tod schickten...)

Christians letzte militärische Aktion wird im Februar 1626 notiert. Er hatte, inzwischen mit Waffen aus Holland, 5.000 Mann in Wolfenbüttel zusammengezogen, um die Stadt Goslar zu überrumpeln.
Im Schutze der Nacht war er schon bis an das Stadttor vorgedrungen, als er durch die Torwache und herbeigeeilte Bürger zurückgeschlagen wurde.
Schon diese Umstände zeigen, wie schlecht es um militärische Disziplin und Ausrüstung in Christians "Heer" bestellt gewesen sein muß.

Christian zog sich nach Paderborn zurück.

Er beschränkte sich nunmehr darauf, die Truppenbewegungen des Herzogs Georg von Lüneburg zu beobachten.
Herzog Georg warb in Hessen Truppen für den Kaiser; - mit der Aussicht, dafür mit dem Gebiet um Wolfenbüttel belohnt zu werden.
Als Georg Anstalten traf, auch im Fürstentum Göttingen Truppen zu werben, besetzte Christian vor ihm die Gegend um Norheim, Göttingen und Münden an der Werra.
Besetzen ist eine unkorrekte Beschreibung der Plünderungen und Brandschatzungen, denen auch Teile des Eichsfeldes ausgesetzt waren. Allerdings plünderten die hessischen Bauern fleißig mit.
An der Weser wurden nach Überlieferungen durch Christians Truppen u.a. fünf "adlige Häuser" (also Schlösser) ausgeraubt und in Brand gesteckt, wobei "viel Hessische Bawren mitgetan".
Sie nutzten die Möglichkeit, sich für die erlittenen Drangsale durch die Fürsten zu rächen.

Aber Christian hatte in den vergangenen Jahren auch Raubbau mit seiner Gesundheit getrieben.

Fiebrige Erkrankungen und körperliche Schwäche veranlaßten ihn, sich von Nordheim nach Wolfenbüttel zurückzuziehen, um ärtzliche Pflege in Anspruch zu nehmen.

Zu spät, wie sich herausstellte: am 6. Mai 1626 starb Christian von Braunschweig, der tolle Halberstätter im 27. Lebensjahr.

Als Wallenstein von seinem Tode erfuhr, soll er ihm mit schwarzem Humor "Viel Glück auf die Reise" nachgerufen haben.

Katholische Quellen berichten, er sei wie Herodes gestorben, da seine inneren Organe von einem Riesenwurm zernagt worden seien.

Seine Truppen zerstreuten sich, um unter anderen Befehlshabern weiter zu morden. - Vielleicht unter Bernhard von Sachsen-Weimar, einem Schüler Christians.

Persönlichkeiten wie Christian von Braunschweig irritieren und fesseln durch ihr facettenreiches Leben.

Je nach Standpunkt ist man von ihnen und ihren Taten abgestoßen oder ist fasziniert von ihrer Lebensführung ohne moralische Skrupel und menschliche Bindungen.

Zum großen Erstaunen stellt man fest, daß auch Frauen mit hohem Intellekt und gesundem Ego in den hochaufgeschossenen Jüngling mit den wilden Haaren verliebt waren. Die Dichterin Annette von Droste   gehörte dazu.

Ricarda Huch, eine andere große Dame der deutschsprachlichen Literatur, die die Personen des 30jährigen Krieges, deren Beweggründe und Charaktere intensiv studiert und schriftstellerisch eindrucksvoll gestaltet hat, bringt ihre Eindrücke über Christian von Braunschweig weniger romantisch auf den Punkt, wenn sie vermerkt:

"Der ´Tolle Christian´ war überdies wohl geistig nicht ganz normal".



Ergänzende Links:

                                 der tolle Halberstädter in Westfalen
                                 weiter zur Schilderung über den Kampf um Geseke
                                 weiter zur Homepage des Museums Paderborn


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